Das Pharmaunternehmen Johnson & Johnson (J & J) hatte 2005 mit dem Konkurrenten Sandoz (Novartis) in Holland einen Deal vereinbart. Es ging um das Schmerzmittel Fentanyl, das vor allem bei Krebspatienten zum Einsatz kommt. Gegen eine Entschädigung sollte Sandoz seine neue, billigere Version des Mittels (Generikum) nicht auf den Markt bringen ("pay for delay“). J & J konnte dadurch 17 Monate länger sein teureres Originalmedikament verkaufen. Den Schaden zahlten die holländischen Beitrags- und Steuerzahler. Die EU-Kommission verhängte 2013 über beide Unternehmen eine von insgesamt 16 Millionen Euro. Zum Vergleich: J & J hatte 2014 einen Gesamtkonzernumsatz von 65 Milliarden Euro. Oder vielleicht was Aktuelles aus Deutschland: Die deutschen Zuckerhersteller Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen hatten seit Mitte der neunziger Jahre Preise abgesprochen und mussten 2014 laut Bundeskartellamt 280 Millionen Euro Strafe zahlen. Geschädigte (z.B. Nestle) klagten auf Schadenersatz und erhielten 2023 knapp 15 Millionen Euro zugesprochen.
Preisabsprachen: Konkurrenz abhalten
Kunden durch Preisabsprachen zu viel Geld abzunötigen ist das eine, Konkurrenz, die billiger und besser ist, zu behindern, etwas anderes. In Österreich leuchtet die Bundeswettbewerbsbehörde: Kartelle, Preisabsprachen (BWB) laufend in die dunklen Winkel von Preisabsprachen und anderen Wettbewerbsverzerrungen. Die Kartellwächter fanden unter anderem: ein Bierkartell, ein Dämmstoffkartell, ein Speditionskartell, sie fanden Molkereien und Zahlungsdienstleister, die gesetzwidrig handelten. Beim Bier: Zwettler, Stiegl, Hirter, Ottakringer, Brau Union (mit den Marken Zipfer, Puntigamer, Gösser, …); bei den Dämmstoffen Bauhaus, Obi, Hornbach, Swisspor, Steinbacher, Austrotherm; bei den Speditionen Rail Cargo (ÖBB), DHL Express, Kühne + Nagel, Gebrüder Weiss; bei den Molkereien NÖM, Kärntnermilch und Berglandmilch, bei Getränken Preisabsprachen bei Rauch - 1,7 Millionen Euro Strafe. 2007 schaffte es auch Europay, jetzt PayLife, auf die Liste der Wettbewerbssünder. - Lesen Sie auch Bundeswettbewerbsbehörde: Geldbussen Tabelle 2002 - 2015
20 Prozent teurer
Natalie Harsdorf von der BWB schätzt, dass nur 15 bis 30 Prozent der Kartelle weltweit auffliegen. Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt, dass der durchschnittliche Kartellaufschlag um die 20 Prozent des Verkaufspreises beträgt. Aber Kartelle: Kein Schadenersatz für Konsumenten und KMU, Referent der Wirtschaftskammer für Kartellrecht und Wettbewerbspolitik und Laienrichter am Kartellgericht, meint: „Es kann durch ein Kartell auch gar kein Schaden entstehen.“
Auch große Kunden geschädigt
Wenn also ein Schaden aus überhöhten Kartellpreisen entsteht, dann trugen und tragen ihn die Kunden. An der Billa-Kasse z.B. waren es einfache Konsumenten. Beim Dämmstoffkartell zahlten Mieter, Immobilieneigentümer, Genossenschaften und Steuerzahler. Beim Aufzugskartell traf es viele große Unternehmen - z.B. die Wiener Linien mit einer "zweistelligen Millionensumme“. 2007 hatte das Kartellgericht die Aufzugs- und Rolltreppenhersteller zu 75 Millionen Euro Strafzahlung verurteilt. Zum Vergleich: Das Jahresbudget des VKI beträgt zehn Millionen Euro.
EU-Beitritt ohne starke Wettbewerbsbehörde
Bei der Kartellbekämpfung hinkt Österreich hinterher. Das hat auch historisch-politische Gründe. Denn Österreich durfte noch ohne starke Wettbewerbsbehörde in die EU. Für nachfolgende osteuropäische Staaten war sie Beitrittsbedingung.