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Laptop wird repariert
iFixit und die Reparatur-Community fordern das Recht auf Reparatur. Bild: iFixit

Recht auf Reparatur - Ein Gespräch mit dem iFixit-Europa-Geschäftsführer

Matthias Huisken, Europa-Geschäftsführer von iFixit, der größten Onlineplattform rund ums Thema Selber-Reparieren, fordert ein Umdenken in der Elektro-Branche. 

Foto: iFixitHerr Huisken, was ärgert Sie in ­Sachen Nicht-Reparierbarkeit von Produkten am meisten?
Hochproblematisch ist das feste Verbauen von Batterien und Akkus in Produkten, deren Lebensdauer-Potenzial ganz klar oberhalb der Akku-­Lebensdauer liegt. Das ist so quasi ­eine Uhr, die die Lebensdauer des Produkts determiniert, weil man den Akku nie wieder aus dem Produkt herausbringt. 

Ein Beispiel?
Nehmen wir Smartphones: Dort gibt es viele hochwertigste Premiumprodukte, in denen ganz tolle Materialien verbaut sind, die aufwendigst hergestellt wurden und lange halten. Und es ist völlig klar: Wenn ich da einen Akku verbaue, der vielleicht 500 bis 1.000 Ladezyklen schafft, dann ist der Akku in 2 bis maximal 4 Jahren kaputt und man müsste ihn tauschen. Das ist ein Verschleißteil. So wie eine Tintenpatrone in einem Drucker. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass man, wenn die Tintenpatrone leer ist, den Drucker wegschmeißt. Eine weitere Produktkategorie sind mobile Wireless- Kopfhörer, die ebenfalls fest verbaute Akkus haben. Diese Produkte hätten eigentlich problemlos eine Lebensdauer von 5 bis 10 Jahren – eigentlich, weil die Akkus dort ebenfalls vielfach fest verbaut sind. Akkus, deren Leistung nach wenigen Jahren so stark nachlässt, dass das im Nutzungsszenario für den Konsumenten nicht mehr passt. 

Wer sind denn die typischen Bastler und Schrauber?
Anders als z.B. bei Repair-Cafés, wo der Altersdurchschnitt häufig doch relativ hoch ist, gibt es in unserer Community auch sehr viele jüngere Menschen. Das ist sehr erfreulich. Die kommen dann zu uns und suchen Reparaturanleitungen. Das passende Ersatzteil bekommen sie im besten Fall auch gleich bei uns. 

Wie kann man die nicht so Selbermach-Affinen mit auf die Reise nehmen?
Wenn wir es schaffen, die Leute sanft über die Hürde zu schubsen, dass sie einmal eine Reparatur selber machen, dann bleiben sehr viele dran an dem Thema. Und das spricht sich dann irgendwann auch im Bekanntenkreis oder in der Familie herum – und schon werden es wieder mehr. 

Neue Technologien, veränderte Nutzungsmuster

Es gibt viele langjährige Tüftler, die immer öfter kapitulieren müssen. ­Warum wollen Firmen nicht mehr, dass wir ihre Produkte reparieren können?
Das ist kein einheitliches Bild. Es gibt in vielen Bereichen technologische Fortentwicklungen, z.B. Miniaturisierung ist so eine Dimen­sion. Wireless ist auch ein gutes Stichwort. Die Halbleitertechnologie hat sich gewandelt. Und auch die Anforderungen der Verbraucher. Früher war bei einem Küchen­radio der Witterungsschutz kein Thema, also z.B. Wasser- oder Staubdichtigkeit. Bei einem ­modernen Bluetooth-Outdoor-Speaker sieht das schon ganz anders aus. Es lasten auf den Herstellern sehr viele neue Anforderungen. Es ist ein sehr komplexes Problem. 

Aber warum müssen Smartphone-Hüllen verklebt sein?
Das erste Smartphone kam vor rund 13 Jahren auf den Markt. Das ist eine sehr junge Technologie. Und das impliziert auch, dass sie noch sehr wenig reglementiert ist. Als Autos sich als Massenfortbewegungsmittel durchgesetzt haben, gab es z.B. auch noch keine Sicherheitsgurte. Oder Katalysatoren. Und trotzdem ist man über die Jahre zur gesellschaft­lichen Übereinkunft gelangt, dass es sinnvoll ist, das weiterzuentwickeln. Und vor einer vergleichbaren Aufgabe stehen wir jetzt auch. Nicht nur bei Smartphones, auch bei vielen anderen Elektronik-Produkten. Es gibt zu wenige Leitplanken, wie ein Produkt auszusehen hat, damit es lange genutzt werden kann. Und auch repariert werden kann. 

Es gibt Berechnungen, die Folgendes besagen: Wenn wir alle Smartphones in der EU um nur ein Jahr länger nutzen würden, dann sparte das bis 2030 so viel CO2 ein, als würden eine Million Autos de facto stillgelegt werden.
Es ist wichtig, dass man informiert und einen Bewusstseinswandel schafft. Warum es nicht okay ist, sich alle zwei Jahre ein neues Smartphone zu kaufen. Im Lebensmittel­bereich haben Konsumenten inzwischen die klar ausgewiesene Wahlmöglichkeit: bio oder konventionell. Oder Fair Trade. Im Elektronikmarkt haben Konsumenten diese Entscheidungshilfen nicht. Dort stehen 50 Fernseher und 40 Tablets, aber keine Hinweise auf z.B. die Frage, wie lange Ersatzteile verfügbar sind. Oder wie viele Jahre die Software upgedatet wird. 

iFixit und die Reparatur-Community fordern das Recht auf Reparatur. Ein Kampf gegen Windmühlen?
Wir wollen Menschen dabei unterstützen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, selbst aktiv zu werden, selbst zu reparieren. Aber es geht auch um das Recht auf Reparierbarkeit. Denn wenn es keine Reparierbarkeit in den Produkten gibt, dann ... Ja, dann steht man als Konsument natürlich an. Es müssen gesetzliche und regulative Wege gefunden werden, die beeinflussen, wie die Produkte auszusehen haben. Wir wollen aufzeigen, dass das System falsch konfiguriert ist. Wir wollen ein anderes Betriebssystem! 

Geschafft werden kann es Ihrer Meinung nach nur mit dem Druck der ­Zivilgesellschaft?
Im Kern geht es darum, diese zum Teil sehr neuen Industrien, die einfach unterreguliert sind, zu demokratisieren. So wie wir das z.B. schon geschafft haben in Bereichen wie Pharma oder Medizin. Ich kann ja kein Medikament auf den Markt bringen, ohne belegt zu haben, dass es kein ­gefährliches oder giftiges Produkt ist. Es braucht diese zivilgesellschaftliche Basis, um entsprechend politisch handeln zu können. 

Das Smartphone ist eine relativ neue Technologie, ja. Aber auch Wasch­maschinen werden immer kurzlebiger.
Überall, wo Elektronik und Software drin ist, ergeben sich sehr spezifische Problemstellungen für die Hersteller. Man hat viel mehr Funktionalität in diesen Maschinen als ­früher. Das Verständnis und auch die Nutzungsmuster im Bereich Technologie haben sich stark gewandelt. Faktum ist auch: Vor 30, 40 Jahren haben viele Familien jahrelang auf solche Haushaltsgeräte gespart. Man kann auch heute noch eine Waschmaschine um 1.500 Euro kaufen. Auf Amazon bekommt man aber auch Waschmaschinen um 200 Euro. Es ist heutzutage eine Lebensweise möglich, die es jenen, die wenig Liquidität haben, ermöglicht, sich alle paar Jahre eine Waschmaschine um sehr wenig Geld zu kaufen. 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Mit all den Auswirkungen auf die Umwelt ... Plädieren Sie hier für Markteingriffe?
Ich sehe das gar nicht so sehr als einen Eingriff in den Markt. Wenn man als Gesellschaft sagt, ganz plakativ: "Wir möchten keine Löcher mehr buddeln und dort ­irgendwelchen Elektroschrott reinschmeißen", dann ergeben sich ganz automatisch gewisse Anforderungen an Produkte. Es ist absolut angemessen, wenn gewisse Minimalstandards der Reparierbarkeit gefordert werden. 

Niemand würde ein Auto kaufen, wenn der Hersteller ihm de facto verbieten würde, die Reifen selbst zu wechseln ...
Im Automobilbereich ist es wie selbstverständlich etabliert, dass ich die freie Wahl habe, wo ich meine Reifen wechsle. Ich kann es bei meinem Händler machen lassen, ich kann es selbst machen. Oder bei einer freien Werkstatt, wo auch dieselben Geräte verwendet werden (also Werkzeuge, Analyse-Software etc.) wie bei einer Vertragswerkstatt. All das wurde ­irgendwann mal geregelt. Im Elektronik­bereich gibt es diese Regelung nicht. Wenn Sie zu einem Händler gehen, um eine ­Marken-Waschmaschine warten zu lassen, dann hat dieser Händler die entsprechende Software. Aber ein freier Reparaturanbieter hat sie wahrscheinlich nicht. 
Warum überhaupt reparieren? Neue Produkte sind doch so viel energieeffizienter, heißt es allerorts. Da tut man doch mit einem Neukauf etwas für die Umwelt, oder? Ja, das ist nicht falsch. Man muss sich nur ganz genau anschauen, von welchen Produkten die Rede ist. Es gibt viele Produkte, bei denen in der Zeit der Nutzung der Energie- und Ressourcenverbrauch relativ hoch ist: Das betrifft langfristige Konsumgüter wie z.B. ein Automobil. Bei den Elek­tronikprodukten und stark miniaturisierten Produkten ist es häufig genau andersherum. Dort ist der größte Teil des Schadens schon passiert, wenn man das Produkt herstellt. Was viele Menschen nicht recht glauben möchten, denn sie haben ja nur 100 Gramm Technologie in der Tasche. Smartphones ­f­ühlen sich so harmlos an. 

Wie lange müsste man ein Smart­phone nutzen, ehe man es durch ein neues ersetzt?
Aus einer Umwelt-Optimum-Perspektive: sehr lange. Mindestens 10 Jahre. Es geht auch schnell – je nachdem, wie man es konkret berechnet – in Richtung 50 oder 100 Jahre. Das veranschaulicht die Dramatik. Wenn man es als Konsument bescheidener angehen will, dann kann man sich ja den Status quo am Markt anschauen. Ich nenne jetzt mal keine Marken. Aber man kann schauen: Gibt es „Best-Practice-Beispiele“? Wie lange sind Ersatzteile verfügbar? Wie lange wird der Software-Support im Vergleich versprochen? Schon so käme man einen Riesenschritt weiter. 

Ab März 2021 müssen Fernseher, ­Monitore, Kühlschränke, Gefrierschränke, Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler und Beleuchtungsprodukte, die in der EU auf den Markt kommen, Mindestanforderungen an die Reparaturfähigkeit erfüllen („Ecodesign-Richtlinie“). Auch Ersatzteile müssen eine Zeit lang vorrätig gehalten werden. Ein großer Wurf?
Ich finde, das ist schon etwas sehr Wert­volles. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und es geht in ­weiterer Folge ­darum, auch für andere wichtige Produkt­gruppen (z.B. Smartphones und ­Tablets) solche Leitplanken zu installieren, die jetzt noch nicht existieren. 

Sie haben einen guten Marktüberblick: Geht das Produktdesign hin zu mehr Reparierbarkeit? Oder ist das Gegenteil der Fall?
Es gibt leider kein einheitliches Bild. Nicht einmal innerhalb einzelner Produktgruppen, z.B. bei den Smartphones. Und hier nicht einmal heruntergebrochen auf den jeweiligen Hersteller. Wir sehen einerseits ständig Smartphones, wo wir sagen: "Das ist wirklich schrecklich aus Sicht der Reparierbarkeit und Wartung! Daran hat wohl niemand groß gedacht beim Produktdesign." Und andererseits ­sehen wir – vielleicht sogar vom gleichen Hersteller – ein Produkt, wo wir sagen: "Das sind Konstruktionsprinzipien, die den Austausch kritischer Komponenten wie ­Akku oder Display durchaus erleichtern." Und dann sehen wir kleine Firmen, die sehr idealistisch sind und mit ihren Produkten eine echte nachhaltige Alternative bieten wollen (Anm. d. Red.: Als einziger Smartphone-Hersteller wurde Fairphone von ­iFixit mit der vollen Reparierbarkeit-Punktezahl bewertet).

iFixit: Alles rund ums Reparieren

2003 in den USA gegründet, ist iFixit mittlerweile die weltweit größte Online-Community zum Thema Reparatur.

Sie zeigt Menschen, wie sie Dinge selbst reparieren können – egal ob Handy, Kaffeemaschine oder Luftentfeuchter.

Auf ifixit.de findet man rund 70.000 kosten­lose Schritt-für-Schritt-Anleitungen in 25 Kategorien, erstellt von einer globalen Community aus Tüftlern und Selbermachern. Finanziert wird die Plattform durch den Verkauf von eigenentwickelten Werkzeug-Sets und Ersatzteilen.

Ein weiterer Eckpfeiler von iFixit sind sogenannte Teardowns: Erscheint ein neues Gerät auf dem Markt, bauen die Expertenteams von iFixit es auseinander und prüfen seine Reparierbarkeit. Das soll als Kaufhilfe für Konsumenten dienen.

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