
Geplante Obsoleszenz: Kaputt nach Plan seit 100 Jahren
1925 gilt als das Geburtsjahr der geplanten Obsoleszenz. Was hat sich seither getan?
Im Jänner 1925 kommen die weltweit führenden Glühbirnenhersteller in Genf zusammen. Es ist ein Geheimtreffen, dessen Inhalt erst Jahre später ans Licht kommen soll. Der Grund des Treffens: Ein Pakt, der vorsieht, die Lebensdauer von Glühbirnen auf maximal 1.000 Betriebsstunden zu begrenzen – mit Hilfe baulicher Tricks und minderwertigeren Materialien.
Ob legitime Normung oder illegale Absprache, das ist nicht restlos geklärt. Der Hintergrund aber ist doch recht klar: Die Absatzzahlen sollten gesteigert werden. Zuvor leuchteten Glühbirnen gerne doppelt so lange, bisweilen sogar noch deutlich länger. Dieses sogenannte Pheobus-Kartell gilt als die Geburtsstunde der geplanten Obsoleszenz.
Geplante Obsoleszenz, was ist das?
Unter geplanter Obsoleszenz versteht man die absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von Produkten. Es ist ein kontroversielles Thema. Während die Wirtschaft gerne von einem Mythos spricht, ist in Fachkreisen unbestritten, dass die Produktlebensdauer mit unterschiedlichen Methoden reduziert werden kann und auch tatsächlich wird.
Wie diese Methoden und Formen von Wissenschafter:innen bezeichnet werden, ist zum Teil recht unterschiedlich. Grob gesprochen gibt es drei große Gruppen:
- Technische Obsoleszenz: Hier werden Bauteile so konstruiert bzw. kombiniert, dass sie schneller kaputt werden. Oder Produkte werden so konzipiert, dass sie nicht repariert werden können (oder allenfalls nur vom Hersteller selbst).
- Funktionale Obsoleszenz: Ein Beispiel: Software-Updates sind bei älteren Handymodellen nicht mehr möglich, die Funktionalität des Gerätes nimmt immer stärker ab, bis man es gar nicht mehr benutzen kann oder will.
- Psychologische Obsoleszenz: Vermarktungsstrategie, die darauf abzielt, den Verbraucher:innen einzureden, sie benötigen immer das allerneueste Modell.

Andere frühe Beispiele von geplanter Obsoleszenz
Auch wenn sich die Beteiligten des zuvor erwähnten Pheobus-Kartells in Stillschweigen hüllten, grundsätzlich verpönt war diese Strategie zu dieser Zeit nicht, zumindest nicht allerorts. Der Ökonom Bernard London forderte Anfang der 1930er-Jahre sogar, die Lebensdauer von Produkten gesetzlich zu begrenzen. Er wähnte darin einen Ausweg aus der damals wütenden Weltwirtschaftskrise. Umgesetzt wurde sein Vorschlag freilich nie.
Es gibt noch andere frühe Beispiele der geplanten Obsoleszenz. In den 1940er-Jahren soll der Damenstrumpfhersteller Dupont seine Nylonstrümpfe absichtlich weniger langlebig gemacht haben. Der Grund? Ist stets der gleiche. Die Absatzzahlen sollen steigen.
Schon zwei Jahrzehnte früher kam eine andere Strategie der geplanten Obsoleszenz zur Anwendung, die nicht vordergründig auf minderwertigere Materialen im Herstellungsprozess, sondern auf psychologische Manipulation setzt. Entgegen den damals üblichen langen Modellzyklen brachte der US-Autohersteller General Motors in den 1920er-Jahren in immer kürzeren Abständen neue Modelle auf den Markt. Begehrlichkeiten wurden geweckt. Die Strategie ging auf, die US-Bürger kauften immer häufiger neue Autos.
Der Höhepunkt von „Kaputt nach Datum“
Auch wenn es kein 100 Prozent wasserdicht nachgewiesenes Beispiel geplanter Obsoleszenz gibt, und schon gar keinen Hersteller, der die Anwendung solch einer „Kaputt-nach-Datum-Strategie“ zugeben würde – seinen Höhepunkt erlebte die geplante Obsoleszenz wohl in den 2000er- bzw. 2010er-Jahren, und zwar im Bereich der (Unterhaltungs-)Elektronik.
Apple z.B. kam durch Betriebssystemupdates, die das Ziel hatten, iPhones langsamer zu machten, in Erklärungsnot – und musste sogar Bußgeld bezahlen. Einige Druckerhersteller, allen voran Epson, wurden ebenfalls der geplanten Obsoleszenz beschuldigt. Auch z.B. Waschmaschinenproduzenten müssen sich immer wieder diesen Vorwurf gefallen lassen.
Ruhigere Zeiten
Seit einigen Jahren, so hat es den Anschein, wird es etwas ruhiger. Warum, darüber kann nur spekuliert werden. Naheliegend wäre es, die voranschreitenden gesetzlichen Maßnahmen als Grund zu nennen, die die geplante Obsoleszenz zumindest erschweren sollen.
Den Anfang machte Frankreich, dort ist geplante Obsoleszenz seit 2015 gesetzlich verboten. Ein Meilenstein, auch wenn es, wie gesagt, schwer ist, geplante Obsoleszenz nachzuweisen.

Gesetzesinitiativen gegen geplante Obsoleszenz
Ausgehend vom Vorreiterland Frankreich wurden auf EU-Ebene seither einige Gesetzesinitiativen vorangetrieben.
Schon 2024 ist die EU-Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher:innen für den ökologischen Wandel („Empowering Directive“) in Kraft getreten, die umweltbezogene Werbung stärker reguliert und neue Informationspflichten einführt. Neuregelungen, die die geplante Obsoleszenz erschweren sollen, sind u.a.:
- Absichtlich eingebaute „versteckte Schwächen“ sind künftig dezidiert verboten und gelten als unlautere Geschäftspraxis.
- Wenn ein Produkt als leicht zu reparieren beworben wird, muss das auch stimmen. Andernfalls wäre das Irreführung. Wenn Ersatzteile bzw. Zubehör von Drittanbietern kompatibel sind, muss das ebenfalls kommuniziert werden.
- Gleiches gilt auch für die Haltbarkeit eines Produkts, falsche Angaben werden geahndet.
- Wenn ein Software-Update die Funktion oder Leistung eines Geräts verschlechtert, muss das der Hersteller offenlegen. Ebenfalls transparent machen muss ein Hersteller, wenn er die Nutzung von Drittanbieter-Zubehör bewusst blockiert.
Darüber hinaus werden durch die Empowering-Directive auch die vorvertraglichen Informationspflichten erweitert, um Verbraucher:innen nachhaltigere Konsumentscheidungen zu ermöglichen. Hersteller haben demnach auch über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten zu informieren. So muss z.B. klar offengelegt werden, wie lange es kostenlose Software-Aktualisierungen oder gegebenenfalls Ersatzteile geben wird.
In Österreich sind die genannten Neuerungen spätestens bis Oktober 2026 in das nationale Recht umzusetzen.
Auch die neue Öko-Design-Verordnung will geplanter Obsoleszenz einen Riegel vorschieben. Ihr Ziel ist es, dass Design und Produktion von nahezu allen (physischen) Produkten, die in der EU verkauft werden, nachhaltig ausgestaltet sind, dass eine Kreislaufwirtschaft etabliert wird. Zentral sind u.a. Themen wie Reparierbarkeit, Nachrüstbarkeit oder erleichterte Wartung. Die Umsetzung wird schrittweise erfolgen. Bis 2030 sollen die konkreten Design-Anforderungen für die Produktgruppen Textilien, Möbel, Matratzen, Reifen, Eisen/Stahl und Aluminium ausgearbeitet sein.

Studie: Haushaltsgeräte lange nutzen, lohnt sich das?
Haushaltsgeräte werden bisweilen zu schnell ausgetauscht. Das Argument lautet oft: Das neue Gerät ist ja viel energieeffizienter und deshalb nachhaltiger. Aber stimmt das? Eine neue Studie im Auftrag des deutschen Umweltbundesamtes ist dieser Frage nachgegangen.
Das Ergebnis: Bei einer durchschnittlichen Nutzung lohnt es sich in der Regel weder finanziell noch ökologisch, ältere Haushaltsgeräte gegen neue, sparsamere auszutauschen. Lediglich bei einer sehr häufigen Nutzung und bei sehr ineffizienten, sehr alten Geräten kann ein Austausch angebracht sein. Untersucht wurden Geschirrspülmaschinen, Wäschetrockner, Kühl- und Gefriergeräte und Staubsauger.
Die Gründe:
- Die technischen Möglichkeiten, immer effizientere Geräte herzustellen, sind begrenzt.
- Durch längere Nutzungsdauern werden Ressourcen gespart, da weniger Geräte produziert werden müssen.
- Durch die immer größere Bedeutung von Erneuerbaren im Strommix, fällt der Stromverbrauch der Geräte immer weniger ins Gewicht (vor dem Hintergrund, dass der Strommix in Deutschland immer noch deutlich stärker auf der Erzeugung aus fossilen Quellen beruht als der österreichische, darf geschlussfolgert werden, dass dieses Argument für heimische Haushalte noch stärker wirkt).
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