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Marketing-Strategien - Ins Licht gerückt

Gezielt eingesetzt, lenkt Licht unsere Blicke und lädt unterbewusst zum Verweilen, Entdecken und Einkaufen ein.

Schwarz oder doch blau? Wenn beim Herrenausstatter nicht ersichtlich ist, welche Farbe ein Anzug hat, wenn der frische Thunfisch schon bei der Kassa leicht gräulich wirkt, dann wird klar, dass Licht beim Einkaufen eine größere Rolle spielt, als viele annehmen. 95 Prozent der menschlichen Entscheidungen fallen unterbewusst: Auch das Licht beeinflusst Gefühle.

Beleuchtung macht (Kauf-)Laune

Die Beleuchtung bietet Orientierung, setzt Waren in Szene und trägt zur Wohlfühlatmosphäre bei. Diese entscheidet, wie lange wir verweilen, wie viel wir ausgeben und ob wir das Geschäft weiterempfehlen. „Gerade in einer Welt, in der sich der stationäre Handel vom Online-Handel differenzieren muss, ist Beleuchtung ein wichtiger Teil des Erlebniskonzepts“, erklärt Cordula Cerha, Assistenzprofessorin am Institut für Handel und Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Kelvin schafft Stimmung

Wichtig ist, dass die Beleuchtung zum Sortiment passt. Es spielt eine Rolle, ob weiße Brautkleider oder Bluejeans in Szene gesetzt werden, ob ein in Weiß gehaltener Apple-Store oder eine Modeboutique mit vielen Holzelementen beleuchtet wird.

Eine wichtige Bedeutung für die Shopatmosphäre hat die in Kelvin gemessene Farbtemperatur: Die Bandbreite reicht von warmweißem Licht (2700 bis 3300 Kelvin) im gelblich-rötlichen Spektrum über neutral- weißes Licht (ab 3300 bis 5300 Kelvin) bis zu tageslichtweißem (ab 5300 bis 8000 Kelvin). Neutral-weißes Licht gilt als „sachlich“, womit gemeint ist, dass Kontraste deutlicher wahrgenommen werden. Warmweißes Licht, das den Farben des Sonnenuntergangs nahekommt, vermittelt eine einladende, heimelige Atmosphäre.

Warmweißes Licht wirkt behaglich

Sowohl das Bekleidungsunternehmen Gerry Weber als auch die Einzelhandelskette Libro setzen auf warmweißes Licht. „Warmes Licht wirkt behaglich, und diese Atmosphäre trägt dazu bei, dass Kunden sich länger umschauen möchten und etwas entdecken können“, erklärt Heinrich Preißl, Leiter der Abteilung Technik bei Libro. Außerdem sind die rot-gelben Farbtöne sowohl im Logo als auch in der Filialgestaltung präsent. Geschäfte mit sehr verschieden Warengruppen, wie Supermärkte, arbeiten mit unterschiedlichen Lichtfarben.

Fleisch- und Wurstprodukte werden warmweiß angestrahlt, was die Röte intensiviert und das Fleisch schmackhaft und frisch erscheinen lässt. Brot wirkt knuspriger, wenn es gelblich-braun beleuchtet wird. Käse erscheint unter gelblichem Licht frischer. Bläuliches Licht verleiht Fisch eine vornehme Blässe. Die Abteilung für Haushaltsreinigungsprodukte wirkt hingegen oft nüchterner.

Wichtig ist auch die korrekte Farbwiedergabe – aus einem grünen Pullover soll kein blauer werden und umgekehrt. Halogenlampen oder auch hochwertige LEDs sorgen für eine natürliche Farbwiedergabe.

Perspektivenwechsel

Perspektivenwechsel

Lange Zeit galt in vielen Shops die Philosophie „Je heller, desto attraktiver“, um das Interesse der Kundschaft zu wecken und das Nachbargeschäft auszustechen. Diese Ansicht ist überholt, was zum einen mit dem hohen Stromverbrauch und den damit verbundenen Kosten zu tun hat. Zum anderen hat die LED-Technologie, die verschiedenste anwendungsorientierte Farbtemperaturen wiedergeben kann, einiges verändert.

Es können bei weniger Stromverbrauch mehr Spots eingesetzt werden, die etwa durch Beleuchtungssysteme mit Richtstrahlern flexibler angepasst werden können. „Der Trend in den Geschäften geht wieder dazu, dass nicht alles gleich hell ausgeleuchtet wird, sondern gekonnt einzelne Szenen geschaffen werden“, erklärt Andreas Mühlthaler, Produktmanager des Tiroler Leuchtenherstellers Planlicht.

Gute Ausleuchtung wichtig

Eine gute Beleuchtung bietet den Kundinnen und Kunden Orientierung, welche Waren es gibt und wo sie zu finden sind. Ein- und Ausgänge, Fluchtwege und Hindernisse wie Stufen müssen ausreichend beleuchtet werden. Bei Libro werden die Waren auf Regalen, Podesten und anderen Warenträgern präsentiert. Es braucht generell eine gute Ausleuchtung, aber keinen Einheitsbrei.

„Deshalb arbeiten wir mit Spots, die so an die Ware projiziert werden, dass es immer wieder einen Hell-Dunkel-Effekt gibt“, erklärt Heinrich Preißl. Einige Produkte werden so besonders hervorgehoben. Bunte Rahmen können den Effekt noch betonen. Je öfter die Waren umgestellt werden, desto variabler muss die Beleuchtung sein.

Wie die Fliege zum Licht

Angestrahlte Objekte erwecken Neugier, das lässt sich auch wissenschaftlich beweisen. Der Leuchtenhersteller Zumtobel hat für eine Studie in einem Feldversuch Versuchspersonen mit einer Eye-Tracking-Brille durch einen Supermarkt und eine Parfümeriekette geschickt. Das Ergebnis: Blicke lassen sich lenken. Die Blicke verweilten laut Tobias Jonk, Global Product and Application Management von Zumtobel, deutlich häufiger auf hell erleuchteten Flächen als auf gar nicht beleuchteten oder zu hellen Flächen – davor schrecken Menschen ebenso zurück wie vor dunklen Ecken.

Kontraste erleichtern Wahrnehmung

Es braucht einen Mix aus helleren und dunkleren Flächen: Kontraste erleichtern die Wahrnehmung und erhöhen die Aufmerksamkeit. Eine vertikale Beleuchtung trägt zur Orientierung bei. Denn statt nur auf Beleuchtung von der Decke zu setzen, kann es der Kundschaft helfen, wenn auch einzelne Regalebenen beleuchtet werden.

Licht statt Leuchte

Unterschiedliche Beleuchtungsvorlieben

Eine weitere Studie des Vorarlberger Konzerns mit der Gruppe Nymphenburg zeigte, dass die Menschen sehr unterschiedliche Beleuchtungsvorlieben haben. Es gibt drei Gruppen: Bei „Balanced“-Beleuchtung fühlen sich Menschen wohl, die ein familiäres Einkaufsklima, also eine warmweiße Beleuchtung, schätzen. Harmonie und Entspannung stehen bei ihnen im Vordergrund.

Die „Dominant“-Beleuchtung ist neutralweiß gehalten, sehr gleichmäßig und liefert einen schnellen Überblick. Außerdem gibt es noch die „Stimulance“-Beleuchtung mit höheren Kontrasten und einer kälteren Lichttemperatur, die sich an abenteuerlustigere Menschen richtet, die Abwechslung suchen.

Umsatzsteigerung

Die zielgruppenspezifische Beleuchtung hat den Praxistest bestanden. Das zeigte sich anhand eines Vergleichs zweier Gerry-Weber-Filialen im deutschen Herford. Eine wurde auf die „Balanced“-Beleuchtung umgestellt, die andere belassen. Es zeigte sich, dass die Kundschaft sich in der adaptierten Filiale länger umschaute und mehr einkaufte: Der Umsatz dort war um zehn Prozent höher.

Auch Gerry Weber Österreich setzt auf warme und helle Beleuchtung. In einigen Shop-Bereichen kommen Stimmungslichter, etwa bunte Leuchten, zum Einsatz. Die Lichter werden meist im Zick-Zack-Stil gesetzt, sodass die Produkte von der Rückwand bis zur Platzierung der mittleren Leuchte gut abgedeckt sind. In der Umkleidekabine sind die Lichter wärmer und nicht so intensiv. Sie befinden sich an der Decke direkt über dem Körper der Kundschaft.

Licht statt Leuchte

„Es braucht keine 15 Hängeleuchten, die stylish ausschauen, sondern die Leuchte soll sich im Hintergrund halten und rein das Produkt soll wirken“, sagt Michael Schwarz, Lichtplaner für Innenbeleuchtung des Rieder Lichtdesigners Illumina.

Schon beim Schaufenster, das entscheidend dafür ist, ob ein Kunde oder eine Kundin das Geschäft betritt, wird klar, wie komplex das Thema Beleuchtung ist. Das Licht, das eine Schaufensterpuppe in Szene setzt, darf nicht auf ihren Kopf fallen, denn das kann blenden und es sollten keine Schattenbilder entstehen. Die Puppen müssen von mehreren Seiten angestrahlt werden. Der Kontrast ist auch im Schaufenster wichtig. Außerdem werden die Betrachter neugierig, wenn auch im Hintergrund einzelne Objekte beleuchtet werden. Das schafft eine Tiefenwirkung.

Ein Wow-Effekt lässt sich erzielen, wenn die Lichtquellen nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind, wenn sie etwa durch die Deckenkonstruktion oder im seitlichen Fensterrand verborgen sind – auch einer von vielen Lichteffekten, der auf raffinierte Weise unsere Aufmerksamkeit erweckt.

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