"Die Zitrone": Fast schon üblich bei Beerdigungen: Fotografen, die keiner bestellt hat und die bei den Trauergästen ungeniert um Aufträge keilen.
An einem Nachmittag im Jänner trat Herr V. den schwersten Weg seines Lebens an: Er ging in eine Aufbahrungshalle am Wiener Zentralfriedhof. Fassungslos starrte er auf den Sarg, in dem die Mutter seiner beiden Kinder lag.
Er nahm kaum wahr, wie sich aus der Gruppe der Bestatter eine Frau löste, auf ihn zutrat und fragte: "Möchten Sie Bilder eines Fotografen?" Herr V., betäubt von Schmerz, hatte keine Kraft, sich zu wehren. Er willigte ein: "Ja, ein bis zwei Bilder." Eine Freundin der Familie unterschrieb an seiner Stelle die umgehend vorgelegte Auftragsbestätigung, damit endlich Ruhe war.
€ 290 für ein paar Bilder veranschlagt
Als der Witwer nach der Trauerfeier einen Blick auf den unterfertigten Vertrag warf, fiel er aus allen Wolken: 290 Euro verlangte Foto Selzer aus Wien für einige Bilder von den Trauergästen und der Aufbahrung. Zum Glück hat Herr V. eine couragierte Schwester.
Sie schrieb an das Fotostudio – und in Kopie an uns – eine wütende Mail: Dass sie es pietätlos finde, trauernde Angehörige mit Aufträgen zu belästigen, der verlangte Preis überhöht sei und ihr Bruder zum gegebenen Zeitpunkt sicher nicht "in der geistigen Verfassung war, ein Geschäft abzuschließen". Man einigte sich auf 100 Euro für 20 Bilder.
Schlichte Gemeinheit
Vorkommnisse wie dieses sind leider kein Einzelfall. Immer wieder tauchen bei Begräbnissen zusammen mit den Bestattern auch Fotografen auf, die niemand bestellt hat. Sie bieten Trauernden Fotos an, wohl wissend, dass sich diese in einer Ausnahmesituation befinden, in der sie weder klar denken noch bewusst entscheiden können. Ja, man kann von solchen Verträgen einfach zurücktreten. Das ändert allerdings nichts daran, dass diese Art von Geschäftmacherei am offenen Grab schlicht eine Gemeinheit ist.
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