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Kellys Reportage: Chips kommen aus der Fritteuse und laufen auf Förderband weiter
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Kellys Reportage: Dem Knistern auf der Spur

Das österreichische Unternehmen produziert in Wien Chips, Snips und Pombären. Regionale Zutaten spielen dabei eine große Rolle. Wir haben uns den Weg der Erdäpfel von der Anlieferung bis ins Chips-Sackerl angesehen.

Wäre gerade Sommer, könnte es durchaus sein, dass ein Landwirt vom sechs Kilometer entfernten Feld in Niederösterreich mit dem Traktor seine frisch geernteten Erdäpfel ins Wiener Kelly-Werk liefert. Heute, an einem Tag um den Gefrierpunkt, sind es Lagerkartoffeln, die soeben in Kisten angekommen sind. Innerhalb von 24 Stunden werden sie gewaschen, geschnitten, frittiert, gewürzt und abgepackt – um ein bis zwei Wochen später für Konsument:innen im Supermarktregal zu liegen. 

Kartoffellager bei der Firma Kelly in Wien-Donaustadt
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

In Donaustadt produziert

Die Produktion befindet sich bereits seit 20 Jahren hier im 22. Wiener Gemeindebezirk – und ist seitdem auch voll automatisiert. Erst einmal aus den Kisten gekippt, folgen die Erdäpfel dem monotonen Geräusch des Fließbands: Zuerst gelangen sie in einen Entsteiner, der Steine, Erde und Kraut von den Knollen entfernt, und in die Waschanlage. Ein Sortierer überprüft die Größe der Erdäpfel und befördert zu kleine in die Abfallkiste – diese werden später kompostiert.

Kartoffeln werden im Kelly-Werk am Förderband transportiert
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Kontrolle per Laser

Eine Laborantin steht gerade neben der Maschine und prüft stichprobenartig einzelne Knollen auf ihren Zuckergehalt und ihre Frittierbarkeit. Bestehen die Kartoffeln dieser Charge den Test, werden sie im rohen und kalten Zustand geschält. Die Innenseite der Schälertrommel ähnelt einem Schleifpapier, durch die Reibung der Kartoffel mit dieser Beschichtung raspelt sich die Haut ab. Weiter geht es zur optischen Sortierung. Videokameras fokussieren die ­geschälten Erdäpfel und prüfen, ob es sich nicht um einen Fremdkörper handelt, ob sie gut geschält sind und nicht zu viele Flecken aufweisen. 

Immer wieder ist ein lautes Geräusch zu hören, das man vom Reifendruckmessen bei Tankstellen kennt. „Ein Luftdruck bläst Fremdkörper punktgenau weg – der Laser hierfür hat ein Vermögen ge­kostet“, sagt Produktionsleiter Stefan Digruber. „Auf diese Weise werden braune, grüne und schwarze Knollen aussortiert.“ Hat eine Kartoffel auch diese Prüfung überstanden, landet sie mit ziemlich sicherer Wahrscheinlichkeit in der Fritteuse und in weiterer ­Folge im Chipssackerl.

Problemstoff Acrylamid

Doch der Weg dahin ist noch weit. Die nächste Station ist ein mit Wasser gefülltes Hamsterrad, in dem Zucker und Stärke ausgespült werden, damit beim Frittieren möglichst wenig Acrylamid entsteht – ein Stoff, der sich bildet, wenn kohlenhydratreiche Lebensmittel stark erhitzt werden und der potenziell krebserregend ist. Um den Wert weiter zu senken, hat Kelly auch die Auslauftemperatur des Öls um etwa acht Grad gesenkt. Doch vor dem Frittieren müssen die Kartoffeln erstmal in Form gebracht werden. 

Riffelschnittmesser für Chips liegt auf einem Regal
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Die richtige Schnitttechnik

Ein mit 16 Klingen besetzter Messereinsatz „schneidet jede Form, die der Kunde haben möchte“, sagt Digruber. Klassische Chips mit einer Stärke von etwa 1,3 mm sind genauso möglich wie der Riffel-, Wavecut- oder Minifritt-Schnitt. „Hier sind fast keine Grenzen gesetzt“, sagt der Produktionsleiter. Gerade erst habe Kelly den Hersteller der Schnittgeräte gewechselt, damit die Kartoffelscheibe durch noch schärfere Schnittkanten weniger Öl aufnimmt.

Fritteuse das Herzstück

Nach einer weiteren Wäsche gelangen die mittlerweile in Scheiben geschnittenen Kartoffeln zum „Herzstück“ der Produktion, wie Stefan Digruber die Fritteuse bei der Werksführung stolz bezeichnet. Mit sechs Tonnen Sonnenblumenöl wird die Fritteuse zu Beginn der Produktion gefüllt, 700 Liter fließen pro Stunde durch die rotierende Trommel. „Das Öl hat gar keine Zeit, alt und ranzig zu werden“, sagt der Werks­leiter. 

Chips kommen aus der Fritteuse und laufen auf Förderband weiter
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Aus 7 Tonnen Erdäpfeln entstehen hier 2,3 Tonnen Chips pro Stunde – die Hitze entzieht den Knollen das Wasser und verwandelt sie innerhalb von zwei bis drei Minuten in knusprige Scheiben. Sollten es stark zuckerhaltige Kartoffeln oder solche mit Drahtwurmschäden durch die Fritteuse geschafft haben, die dadurch nun braune Flecken aufweisen, sorgen ein letztes Mal Düsen punktgenau dafür, dass diese Chips aussortiert werden. Viel Ausschuss gebe es laut Digruber aber nicht. Während er spricht, zeigt er auf die Würztrommel, die durch Vibration die Würzung – etwa Kotanyi-Gewürze oder Salz von den österreichischen Salinen – auf die Chips streut.

Ab ins Sackerl

Die Chips sind nun vollendet – fehlt noch die Außenhaut. „Der Verpackungsprozess ist mehr Handarbeit“, sagt Stefan Digruber. Hier seien mehr Mitarbeitende am Werken, während bei der Herstellung eine Person die ganze Anlage bediene. Es gilt etwa, die Kartons mithilfe einer Maschine aufzurichten oder Verpackungsrollen einzuspannen. Zwölf Mitarbeitende sind pro Schicht im Werk beschäftigt. 

Chips werden automatisiert in Folienschläuche abgepackt
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Die gerösteten Scheiben werden auf Waagschalen aufgeteilt und fallen automa­tisiert in Schlauchbeutel, die anschließend verschweißt werden. Obwohl immer dieselben Gramm im Packerl sind, kann die Füllhöhe variieren. „Die Kartoffel als Naturprodukt variiert über das Jahr: Die Frühkartoffel hat weniger Stärke und somit mehr Volumen“, sagt die Packaging-Verantwortliche Daniela Prückler. Lagerkartoffel hingegen weisen mehr Stärke auf, sie sind nach dem Frittieren kleiner und schwerer. „Deswegen benötige ich einen gewissen Luftraum, um über das ganze Jahr genug Platz zu haben und automatisch verpacken zu können“, sagt sie. Das erkläre, warum die Chips-Sackerl oft nur zur Hälfte befüllt sind.

Spezielles Gas als Schutz

Danach fällt das Chipssackerl aufs Band und wird gerüttelt, um vollautomatisch den Platz im Karton zu finden. „Auch dadurch verändert sich die Füllhöhe nach dem Abpacken“, sagt Prückler. Ein gewisser Luftpolster sei sogar erwünscht: Der sogenannte Airpack soll die Scheiben vor dem Zerbröseln schützen. Zusätzlich wird dem Beutel Stickstoff als Schutzatmosphäre zugeführt und Sauerstoff entzogen, damit der Oxidationsprozess verhindert wird und die Chips lange knusprig bleiben.

Kelly Karton fährt eine Rampe hinunter
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Dass auch bei Kelly immer wieder Packungen bei gleichbleibendem Preis schrumpfen, erklärt Geschäftsführer Markus Marek mit gestiegenen Rohstoffpreisen. „Wir haben es uns nicht ausgesucht, dass diese so gestiegen sind, etwa die Kosten für das High-Oleic-Sonnen­blumenöl, Erdäpfel, Europaletten und Löhne“, sagt er. 

Allein die Gaspreis­erhöhung habe dem Unternehmen ein paar Millionen Euro gekostet, man habe sich mit den verkleinerten Produkten kein Körberlgeld verdient. „Wir hätten Weizen von irgendwo einkaufen oder wieder auf Palmöl um­stellen können – wollten aber den österreichischen Mühlen und unseren Konsumenten treu bleiben“, sagt Marek.

Kein Zurück zu Palmöl

Dass sich Kelly im Gegensatz zu manchen Mitbewerbern gegen Palmöl entschieden habe, käme bei den Konsument:innen gut an, das Kelly-Team ist auch sichtlich stolz darauf. Denn die Umstellung war laut Marketingleiterin Petra Trimmel ein sehr, sehr langer Prozess und ein relevantes Kaufkriterium. „Aber Lobeshymnen bekommt man dafür keine zugeschickt“, sagt sie ernüchternd. Für sie ist der Verzicht auf Palmöl dennoch ein wichtiger Schritt und ein Zeichen der Zeit, ein Must-have. „Aber haben wir deshalb fünf Prozent mehr verkauft? Nein“, resümiert sie. 

Ambitionierte Ziele

Das Thema der Nachhaltigkeit spiegelt sich bei Kelly nicht nur in den regionalen Zutaten von Erdäpfeln, Mehl, Maisgrieß und Salz wider. So verfolgt das Unternehmen etwa einen „Zero-Loss-Ansatz“. Dabei sollen das Abfallaufkommen, insbesondere von Verpackungs- und Lebensmittelabfällen, der Wasserverbrauch sowie der CO2-Ausstoß reduziert werden. Im Zuge dessen hat die Geschäftsleitung Fotovoltaikpaneele auf die Dächer der beiden Fabriken in Wien und Feldbach installieren und ein Hochregallager bauen lassen, um Transportfahrten zu reduzieren. Der Fuhrpark besteht großteils aus E- und Hybrid-Autos. Eine große Schraube, an der noch gedreht werden soll, ist der Wasserverbrauch. 20 Prozent weniger Verbrauch sollen es bis 2025 sein. Diesen einzudämmen, sei aber nicht so einfach, meint CSR-Verantwortliche Daniela Prückler, da der Herstellungsprozess von Chips viel Wasser benötigt; hier spielt unter anderem Acrylamid eine Rolle.

Produktentwicklung

Bleibt noch die Frage offen, wie die Mitarbeitenden an neuen Kreationen und Produktneuheiten forschen. Stehen Food Designer in der Testküche und experimentieren mit unterschiedlichen Gewürzen und Konsistenzen? So ähnlich. „Wir schauen, was bei der Konkurrenz passiert, auch außerhalb der EU“, sagt Marketingchefin Petra Trimmel. Man stehe auch im ständigen Austausch mit der internationalen Intersnack-Gruppe, der Kelly angehört. „Wir müssen das Rad nicht immer neu erfinden – aber es ist trotzdem schön, dass gute Produktinnovationen von kleinen schlagkräftigen Ländern kommen“, sagt sie. Österreich habe den Vorteil, viel schneller auf den Markt reagieren zu können als ein großes Land wie Deutschland. 

Kelly Qualitätsinsel mit unterschiedlichen Chargen Chips
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Alles dreht sich um Rohkörper

Grundsätzlich drehe sich in der Produktentwicklung alles um den „base body“, also den Rohkörper. Dieser müsse ein cooles Mundgefühl haben und knistern. Hat man diese Konsistenz gefunden, überlegen sich die Verantwortlichen noch ein Gewürz und ein Marketingkonzept dazu. Besonders aufwendig sei die Entwicklung eines komplett neuen Rohkörpers, wie es etwa bei den Popchips der Fall war. 

Von der Idee bis zur Produktion sind etwa 1,5 Jahre vergangen, da auch eigene Produktionsanlagen angeschafft werden mussten. Entwickle man nur eine neue Geschmacksrichtung auf einem bestehenden Rohkörper, dauert es nur sechs bis neun Monate. Wobei laut Trimmel nicht jedes Gewürz auf jedem Rohkörper gleich schmecke. Ist die Wahl auf ein bestimmtes Gewürz gefallen, folgen Sensorik- und Haltbarkeitstests, die Suche nach entsprechenden Verpackungsmöglichkeiten sowie Verkehrsfähigkeitsprüfungen. 

Haben die Kelly-Produktentwickler:innen einen komplett neuen Rohkörper kreiert, gibt es vor der Markteinführung auch noch Blindverkostungen – allerdings nicht direkt bei Kelly, sondern über externe Institute, um möglichst unabhängige Resultate zu erlangen. Auch bei Produktreformulierungen wird abgetestet: In sogenannten Dreiecktests erhalten die Proband:innen drei Verkostungsmuster, wobei zwei ident sind. Dabei möchten die Verantwortlichen herausfinden, ob der Unterschied zwischen den Rezepturen signifikant ist. 

Recyclingfähige Verpackung

Eine wesentliche Entscheidung bei der Produktentwicklung ist auch die des Verpackungsmaterials. Bei Kelly kommen prinzipiell Kunststofffolien zum Einsatz. Laut Verpackungsverantwortliche Daniela Prückler brauche man eine optimale Barriere, um das relativ fette Produkt zu schützen und knusprig zu halten. „Deswegen verwenden wir Verbundfolien, die eine Sauerstoff- und Wasserdampfbarriere bieten und zudem vor Licht schützen“, sagt sie. 

Folie für Kelly Chips Verpackung
Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Mittlerweile verwendet Kelly recyclingfähige Folien, die korrekterweise im gelben Sack bzw. der gelben Tonne entsorgt werden sollten. Bis diese jedoch komplett recycelbar sind, müssen die Entsorgungsprozesse dahinter von den Städten und Gemeinden noch optimiert werden. „Wir arbeiten schon vor und machen unsere Verpackungen recyclingfähig – wenn der Prozess nachzieht, sind wir bereit“, sagt Marketingchefin Petra Trimmel. 

Keine Bio-Linie

Auf die Frage, ob Kelly auch Bio-Snacks anbieten werde, antwortet Geschäftsführer Markus Marek mit einem klaren Nein. „Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich vor acht Jahren hier zu arbeiten begonnen habe“, sagt er. Allerdings sei dies mit nur einer Fritteuse nicht realisierbar, da diese zwischen den Produktionsprozessen komplett gereinigt werden müsse. Zudem sei der Bio-Anteil im Snacksegment verschwindend gering. 

Zukunftsvisionen

Für die kommenden Jahre haben sich die Verantwortlichen bei Kelly einiges vorgenommen, denn das Snacken sei „gekommen, um zu bleiben“, wie es Marketing-Leiterin Petra Trimmel formuliert. Der kleine Imbiss zwischendurch spiele eine immer größere Rolle. Zudem würden Konsument:innen immer offener für ausgefallenere Geschmacksrichtungen, wenngleich Österreich ein typisches Salzland sei – im Gegensatz zum paprikaverliebten Deutschland. 

Größte Herausforderung

Als größte Herausforderung sieht Kelly-Chef Markus Marek die Versorgungssicherheit mit heimischen Rohstoffen. „Das wird aufgrund der Wetterkapriolen nicht einfacher, spe­ziell bei Kartoffeln und Weizen“, sagt er. Hier müsse sich Österreich mit ­Bewässerungssystemen und entsprechendem Naturschutz gut vorbereiten. Denn obwohl der Markenname ein US-amerikanischer ist, betont Marek stets die Verbundenheit zu Österreich. „Früher war alles, was aus Amerika gekommen ist, trendig. Aber heute sind wir stolz darauf, in Österreich zu produzieren“, sagt er abschließend.

Daniela Prückler, Markus Marek und Petra Trimmel stehen nebeneinander vor einer Wand
CSR- und Packaging-Verantwortliche Daniela Prückler, Kelly-Geschäftsführer Markus Marek und Marketingleiterin Petra Trimmel (v.l.n.r.) Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Das Unternehmen

1955 gründeten Major Howard Morse Kelly und Herbert Rast in Österreich die „American Popcorn Company“, die 1965 in Kelly GmbH umbenannt worden ist. Ab den 70ern wurden Chips in Hollabrunn produziert, seit 2003 in Wien. Die Soletti-Fabrik befindet sich im steirischen Feldbach, sie ist Europas größte Backstraße für Salzstangen. An beiden Standorten sind insgesamt über 400 Mitarbeitende beschäftigt. Zu den bei Kelly produzierten Marken zählen u. a. Kelly’s, Pombär, Chio, Funny Frisch, Ültje und Tyrrells.

Reportagen

In unserer Reihe „Zu Besuch bei“ blicken wir hinter die Kulissen von Produktions­betrieben. Wir wahren dabei hohe journalistische Standards, bleiben objektiv und lassen uns nicht vereinnahmen – damit wir unser wichtiges Gut, unsere Glaubwürdigkeit, nicht beschädigen.

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