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Symbolbild zum E-Government: Ein Fingerabdruck, der digital wirkt.
In manchen Fällen hat die Handysignatur den einen oder anderen Behördengang erspart. Die Signatur ist bald Geschichte, deren Nachfolger - die ID Austria - steht aber schon in den Startlöchern. Bild: PopTika/Shutterstock.com

ID Austria Kritik: Digital ist besser?

Die Handy-Signatur ist ein Auslaufmodell. Demnächst bekommen wir mit der ID Austria eine digitale Identität. Ist das zu befürworten? Wo liegen die Knackpunkte? Wir haben recherchiert.

Digital Native – laut Duden ist das eine „Person, die mit digitalen Technologien auf­gewachsen ist und in ihrer Benutzung geübt ist“. Würden Sie sich zu dieser Personen­gruppe zählen? Rund die Hälfte der österreichischen Bevölkerung erfüllt diese Voraus­setzung nicht. Dennoch sind immer mehr Bereiche unseres Lebens digital durchdrun­gen, und das hinterlässt beileibe nicht bei jedem ein gutes Gefühl. Zumeist sind diese Veränderungen getrieben von „Erfindun­gen“ der Wirtschaft. In KONSUMENT 6/2022 haben wir die Technisierung im Bankbereich thematisiert. Nun wird auch Väterchen Staat aktiv und drängt seine Bürgerinnen und Bürger sanft, aber bestimmt in eine digitale Richtung – und zwar mit der ID Austria. Aber der Reihe nach.

Start im Sommer

Im Laufe des Sommers wird der elektronische Identitätsnachweis, die ID Austria, in Vollbetrieb gehen – so der Plan des Gesetzgebers. „Moment“, wird jetzt der eine oder die andere von Ihnen sagen, „dafür gibt’s doch ohnedies schon die Handy-Signatur!“ Richtig. Die ID Austria wird die Nachfolge der Handy-Signatur antreten und auch mehr „können“. Die Handy-Signatur dient im Wesentlichen fürs Log-in bei Diensten wie Finanz-Online oder dem Digitalen Amt. Mit der ID Austria gehen die Verantwortlichen einen Schritt weiter: Sie soll die „digitale Identität“ von Herrn und Frau Österreicher werden.

Behördengänge via App

Zu abstrakt? Lassen Sie uns einen Schritt zurück machen. Die ID Austria ist eine App am Smartphone, mit der Sie künftig Behördengänge virtuell erledigen können. Mit der App können zudem Dokumente, Aufträge und Verträge rechtsverbindlich unterzeichnet und auch Ausweise wie Reise­pass, Personalausweis oder Führerschein digital gespeichert werden. Die Praxis, ein­gescannte Reisepässe zwecks Identitäts­nachweis für die Eröffnung eines Onlinekontos per E-Mail zu verschicken, wird damit für ID-Austria-Benutzer der Vergangenheit angehören. Darüber hinaus gibt es die Funk­tion eines elektronischen Postamtes, in dem behördliche Briefe zugestellt und gespei­chert werden können.

Klingt doch gut, oder?

Prinzipiell ja, aber es gibt einige Kritikpunkte, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. So stellen sich bei nicht wenigen Menschen die Nackenhaare auf, wenn sie das Wort App nur hören. Zum Beispiel bei Personen, die zwar ein Handy, aber kein Smartphone besitzen. Weil sie es zu kompliziert finden, oder weil sie es aus Prinzip ablehnen. Diese Gruppe wird künftig von den digitalen Services ausgeschlossen sein. Nicht sofort. Es wird wohl eine Übergangsphase geben, während der die Handy-Signatur weiter bestehen wird. Dem Vernehmen nach fünf Jahre – vorausgesetzt, man hat sie bereits in Verwendung; und auch dann nur bis zum Ablauf des aktuellen Zertifikats. Die neuen Möglichkeiten der ID Austria, etwa das Speichern von Ausweisdokumenten, gibt es für sie nicht. Das kann man getrost Diskriminierung von Älteren oder wenig Tech­nik-Affinen nennen.

Aktuelles Smartphone erforderlich

Oder auch von umwelt­bewussten Leuten, die nicht alle paar Jahre ein neues Smartphone kaufen wollen – denn für die Nutzung von ID Austria müssen Smartphone und Betriebssystem den aktu­ellen Standards entsprechen. Wenngleich an einer Lösung gearbeitet wird, auch ohne neues Smartphone in den Genuss der ID Austria zu kommen, also im Wesentlichen via PC – die ortsungebundene Nutzung der digital gespeicherten Sichtausweise wird damit wohl kaum möglich sein.

Gläserner Bürger, schon wieder

Ein weiterer Kritikpunkt – George Orwell und sein Big Brother lassen grüßen – ist der gläserne Bürger. Wie bereits erwähnt, er­folgt über die ID Austria eine eindeutige Identifikation der Person. Das ist der Sinn dahinter, anders könnten die geplanten Services gar nicht angeboten werden. Faktum ist aber: Dadurch hinterlässt die Person jedes Mal, wenn sie die ID Austria nutzt, einen eindeutigen digitalen Fußabdruck. Schon die langwierige Diskussion rund um das Thema Vorratsdatenspeicherung hat gezeigt, dass das Interesse des Staates, mehr über seine Bürger zu wissen, evident ist. Von offizieller Seite wird freilich beteuert, dass Tracking kein Ziel der ID Austria und vollumfänglich gar nicht mög­lich sei (da es technisch verunmöglicht werde).

Auch für Wirtschaft interessant

Hinzu kommt die Verflechtung mit der Wirtschaft. Bei ID Austria können auch pri­vate Anbieter mitmachen. Wie genau und in welchem Umfang, das wird sich noch zeigen. Banken, Mobilfunkanbieter, Tourismusbranche & Co werden hier zweifelsohne kreative Angebote erfinden. Und so freut sich bestimmt schon die eine oder andere Firma auf interessante User-Daten (an die sie, wie gesagt, offiziell natürlich niemals kommen kann). Um ein Gespür dafür zu bekommen, welche persönliche Daten sich anhäufen könnten: Eröffnung eines Accounts bei einer Partnervermittlungs­börse via ID Austria, Altersauthentifizierung beim Kauf von Zigaretten oder Alko­hol, Abschluss eines Mobilfunkvertrags, ID beim Check-in am Flughafen, Mietwagenreservierung und Vertrag, Hotel-Check-in etc. Ob man darauf vertrauen kann, dass diese Ansammlung von personenbezogenen Daten gar nicht oder wenn, dann immer nur im besten Interesse der Konsu­menten genutzt wird, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

Digitale Vergünstigungen?

Leicht vorstellbar ist, dass die Dynamik hin zu unterschiedlichen Online- und Offline-Preisen zunehmen wird. Manche Services sind jetzt schon deutlich günstiger, wenn sie auf elektronischem Weg erledigt werden. Gern angeführtes Beispiel ist das Parkpickerl in Wien. Es kostet derzeit um rund 30 Prozent weniger, wenn es nicht persön­lich im Amt, sondern via Online-Formular und Handy-Signatur beantragt wird.

Noch nicht ausgereift

Nach derzeitigem Stand gibt die ID Austria nur notwendige Daten an Privatfirmen weiter. Die Frage ist jedoch, wie die Nach­folgegeneration ausgestaltet sein wird. Fix geplant ist nämlich, die ID Austria ab 2023 in einem EU-weiten System aufgehen zu lassen. So ein einheitliches System ist sinn­voll. Und auch im Lichte eines weiteren Zusammenwachsens der europäischen Länder begrüßenswert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind aber noch nicht in Stein gemeißelt. Es könnte also sein, auch wenn natürlich Gegenteiliges versichert wird, dass die ID Austria schon bald nach ihrem offiziellen Start überarbeitet werden muss – und das womöglich nicht zum allei­nigen Vorteil der Nutzer.

Fazit

Die Stärken der ID Austria liegen klar in den Bereichen Geschwindigkeit und Bequemlich­keit, das zeigt schon die Beta-Version („Pilot­phase“). Allerdings ist bei den konkreten Rahmenbedingungen noch so manches in Schwebe. Es geht um Details, aber auf die kommt es am Ende des Tages schließlich an. Ob der – immer schon recht weich formulierte – Zeitplan eingehalten werden kann und die ID Austria „im Sommer“ in Vollbetrieb geht, bleibt abzuwarten. Mit Blick auf den gerade erst entstehenden EU-Rechtsrahmen kann zudem die Datensicherheit und die Anonymität der digitalen Anwendungen nur sehr eingeschränkt beurteilt werden.

Entscheidung in eigenem Ermessen

Insofern sollten sich Konsumentinnen und Konsumenten womöglich zweimal überlegen, unbedingt von Beginn an mit dabei zu sein. Und mit Blick auf den digitalen Fußabdruck („Datensammlung“) auch reflektieren, ob wirklich jeder angebotene Dienst genutzt werden sollte.

Abzuwarten bleibt, welche Eigendynamik das System entwickelt. Es ist nicht auszuschließen, dass die ID Austria (oder ihr EU-Pendant) à la longue zur Quasi-Voraus­setzung für digitale Teilhabe avanciert. Dann wird der eingangs erwähnte sanfte Richtungsdruck schnell zu einem handfesten Zwang für breite Schichten der Bevölkerung.

VKI-Tipps

Wachablöse. Die ID Austria soll die Handy-Signatur ablösen. Der dort übliche SMS-Versand wird als zu unsicher eingestuft. Die ID Austria wird es (vorerst) nur als Smartphone-App geben. Wer möchte, kann die Handy-Signatur weiter nutzen. Sie wird aus heutiger Sicht erst 2027 eingestellt. Die Nutzungsmöglichkeiten der ID Austria sind aber weitaus vielfältiger.

Umstieg. Geplant ist, die ID Austria ab Sommer in Vollbetrieb gehen zu lassen. Wer zuvor die Handy-Signatur genutzt hat und diese behördlich beantragt hatte, kann sich „upgraden“ lassen, ohne persönlich bei einem Amt (Registrierungsbehörde) erscheinen zu müssen.

Voraussetzungen. Die ID Austria können Personen ab 14 Jahren nutzen. Voraussetzung ist ein Smartphone mit aktivierter Gesichtserkennung oder Fingerabdruck-Funktion und aktuellem Betriebssystem. Es ist angekündigt, dass an einer Variante gearbeitet wird, die die Nutzung von ID Austria auch ohne Smartphone ermöglicht.

Kritik. Der digitale Fußabdruck, den jede Nutzung von ID Austria hinterlässt, darf nicht unerwähnt bleiben. Auch wenn von offizieller Seite Missbrauch ausgeschlossen und eine Überwachung der Bürger als Ziel natürlich in Abrede gestellt wird, ist ein kritischer Umgang mit der App anzuraten. Derzeit noch nicht abzuschätzen ist, welche Auswirkungen die geplante Verschmelzung mit einem EU-weiten digitalen Identitätsnachweis mit sich bringen wird. Solange ID Austria nur für Smartphone-Nutzer zur Verfügung steht, ist zudem die damit einhergehende Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung zu kritisieren.

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Bild: ECC-net

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1 Kommentar

Umstieg NICHT leicht gemacht.

TT, 12. Januar 2024, 08:01

Ich habe meine Handysignatur bei einer Behörde (ÖGK) verlängert, daher soll der digitale Umstieg zu Hause möglich sein. Nein funktioniert nicht! Ich muss zu meiner Gemeinde, aber jetzt kommt's. Ich brauche eine Passfoto, welches maximal ein halbes Jahr alt sein darf. Warum? Meine E-Card hat ein Foto, mein Führerschein liegt auf und mein Reisepass ist noch gültig. Meine Frau hat sich ein neues Handy kaufen müssen, weil sie sich erneut registrieren muss zur Berufsausübung (Gesundheitsregister). Das Handy war erst 5 Jahre alt. Es handelt sich hier um eine weitere Auslagerung der Kosten und vor allem (Arbeits)Zeit. Das ist die digitale Revolution!

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