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Mann trägt am Flughafen eine braune Ledertasche
Standard-Handgepäck ist gratis. Warum muss ich eine Zusatzgebühr zahlen? Bild: Chamli_Pr/Adobe (mit KI)

Handgepäck beim Flug: teure Gebühren

Ist der Rucksack im Tarif enthalten oder muss ich eine Extra-Gebühr zahlen? Der Aufpreis für das Handgepäck ist verboten, trotzdem häufig und kann teurer kommen als das Flugticket. Der europäische Dachverband der Verbraucherorganisationen (BEUC) hat Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt.

Sieben Billig-Fluglinien stehen auf der Beschwerdeliste der BEUC (Bureau Européen des Unions de Consommateurs). Es sind die üblichen Airlines, also jene, die bei Konsument:innenorganisationen die meisten Beschwerden erzeugen: 

  • Ryanair (Irland)
  • Wizzair (Ungarn)
  • EasyJet (UK/Österreich)
  • Vueling (Spanien) 
  • Transavia (Frankreich)
  • Volotea (Spanien)

In der BEUC-Liste findet sich aber auch eine seriöse Fluglinie, die Norwegian Airlines. 

Was wirft die BEUC den Linien vor?

Die Airlines würden beim Handgepäck teils erhebliche Zuschläge verlangen, wenn sie nicht den Anforderungen entsprechen. Diese Anforderungen aber seien unklar. Die zusätzlichen Gebühren können je nach Fluggesellschaft, Route, Buchungszeitpunkt oder anderen Faktoren variieren – und zwar erheblich. 

Angemessenes Handgepäck muss gratis sein

Die BEUC beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014. Das Höchstgericht entschied damals: Für Handgepäck dürfe keine zusätzliche Gebühr erhoben werden, solange es "angemessene Vorgaben" zu Größe und Gewicht und die Sicherheitsvorschriften erfülle. Was aber angemessen sei, ist im EU-Recht bislang nicht geregelt. Aus Sicht der Konsumentenorganisationen sind die Bestimmungen der sieben Fluggesellschaften nicht angemessen und damit rechtswidrig. 

Im Grundpreis enthalten

So verleiten die genannten Anbieter Verbraucher:innen bei der Buchung (zum Teil wiederholt) dazu, Handgepäck kostenpflichtig hinzuzufügen. Dabei müsste es im Grundpreis beinhaltet sein.

Mag.ª Maria Semrad - Juristin: grenzüberschreitende Agenden
Mag.ª Maria Semrad - Juristin: grenzüberschreitende Agenden Bild: Otto Semrad

Mag. Maria Semrad: "Eigentlich dürften die Fluglinien für das Handgepäck nichts verlangen."

Fluggastrechte werden überarbeitet

Der Zeitpunkt der Beschwerde ist kein Zufall. Derzeit wird die Verordnung über Fluggastrechte überarbeitet. Sie sei, erklärte die BEUC, eine gute Gelegenheit festzulegen, bis zu welcher Größe ein Handgepäckstück als angemessen gilt und welche Leistungen ein Ticket zwingend beinhalten muss. 

Es geht um viel Geld

Es geht um viel Geld, seien es die zusätzlichen Einnahmen auf der einen Seite oder Strafen auf der anderen. So hat die spanische Konsumentenorganisation OCU (Organización de Consumidores y Usuarios) eine Beschwerde beim zuständigen Ministerium eingereicht. Fünf Fluggesellschaften fassten daraufhin eine Geldstrafe von 179 Mio. Euro aus. Begründung: missbräuchliche Praktiken beim Handgepäck bis Ende 2024. Belgier und Portugiesen reichten ebenfalls Beschwerde ein. 

VKI klagt Ryanair

Auch wir vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) haben Ryanair geklagt – unter anderem wegen 70 Euro Handgepäcksgebühr. Lesen Sie mehr auf verbraucherrecht.at: Unzulässige Gebühren bei Ryanair   

EU-Verordnung über Luftverkehrsdienste

Mag. Maria Semrad vom Europäischen Verbraucherzentrum beschreibt im Folgenden die rechtliche Begründung für den Vorstoß der BEUC.

Nach der EU-Verordnung über Luftverkehrsdienste dürfen Fluglinien ihre Tarife für innergemeinschaftliche Flüge frei festlegen. Diese Preisfreiheit wird durch Artikel 23 eingeschränkt. 

  • Inklusive: Der Endpreis muss von Beginn der Buchung an alle unvermeidbaren und vorhersehbaren Gebühren enthalten, also Steuern, Flughafengebühren und Zuschläge.
  • Verständlich: Die Fluglinien müssen mögliche Aufschläge klar, transparent und eindeutig darstellen.
  • Zustimmung: Konsument:innen müssen Aufschlägen aktiv zustimmen (über ein sogenanntes „Opt-in“-Verfahren).

Keine Kosten für Fluglinie

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) unterscheidet aufgegebenes Gepäck und Handgepäck. Das Handgepäck verbleibt – anders als aufgegebenes Gepäck – in der Verantwortung der Verbraucher:innen. Es verursacht der Fluggesellschaft keine zusätzlichen Kosten (z.B. für Abfertigung oder Lagerung).

Urteil zur Fluggesellschaft Vueling

Im Urteil C-487/12 zur spanischen Fluggesellschaft Vueling hat der Europäische Gerichtshof klargestellt: Handgepäck ist ein wesentlicher Bestandteil der Dienstleistung. Für seine Beförderung darf die Airline kein zusätzliches Entgelt verlangen, sofern das Gepäck angemessene Gewicht- und Größenbeschränkungen einhält und den geltenden Sicherheitsvorschriften entspricht. 

Verstoß gegen Verordnung

Diese Auslegung wurde 2024 vom spanischen Verbraucherschutzministerium übernommen. Und auch die BEUC vertritt nun die Auffassung, dass die Geschäftspraktiken der genannten Fluglinien einen Verstoß gegen Art. 22 und 23 der Verordnung über Luftverkehrsdienste darstellen.

Unfairer Wettbewerb

Maria Semrad vom Europäischen Verbraucherzentrum weist auf einen weiteren Punkt hin. 

„Die Erhebung ungerechtfertigter Gebühren für wesentliche Reisebestandteile wie Handgepäck verzerrt den tatsächlichen Preis, den Verbraucher:innen zahlen, und untergräbt das im Artikel 22 verankerte Prinzip des fairen Wettbewerbs.“ Seriöse Fluglinien nennen einen korrekten Gesamtpreis, unseriöse einen reduzierten Billigpreis, zu dem dann – rechtswidrig - Zusatzgebühren kommen. Das verschafft ihnen in der Darstellung von Vergleichsplattformen einen unfairen Vorteil. Das ist ein Verstoß gegen die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken (UCPD) – in Österreich das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Durch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe für das angebotene Handgepäck suggerieren Fluggesellschaften, dass gesetzlich garantierte Verbraucherrechte ein besonderes Merkmal ihres Angebots seien. Auch das ein Verstoß gegen Anhang 1 der UCPD, Punkt 10.

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