Urlaub zum Abkühlen war mein Plan in diesem Sommer. Daher wurde Südengland das Ziel meines Kurzurlaubs mit Freundinnen. Für den Flug hin und zurück wählten wir die ungarische Fluglinie Wizz Air. Diese bietet als einzige Direktflüge von Wien-Schwechat nach London Gatwick an, den praktischsten Flughafen für Ziele im Süden Englands. Zumindest der Hinflug von Wien verlief auch ohne größere Verspätungen oder Zwischenfälle.
So unproblematisch sollte mein Rückflug dann aber nicht werden. Während ich am Nachmittag vor dem Abflug noch gemütlich über die Themse in London schippere, erreicht mich eine SMS von Wizz Air. Die Info: Mein Flug würde sich um circa 2,5 Stunden verspäten. So nahm alles seinen Lauf.
Fluggastrechte abhängig von Entfernung
Die EU-Fluggastrechteverordnung legt genau fest, welche Leistungen Reisenden bei Flugverspätungen zustehen. In welchem Ausmaß diese zu erfolgen haben, hängt einerseits von der verspäteten Ankunftszeit am Ziel ab. Andererseits von der Länge der Flugstrecke. Auch spielt eine Rolle, ob der Flug innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) stattfindet.
Wann gilt die Fluggastrechteverordnung? `
Die Verordnung ist für alle Flüge gültig, die von einem Flughafen auf EU-Gebiet starten – auch, wenn die Airline nicht ihren Sitz in der EU hat. Darüber hinaus gilt sie auch für Flüge, die in der EU landen, wenn die Airline ihren Sitz in der EU hat.
Die Verordnung gilt neben den Mitgliedsstaaten der EU auch in Island, Norwegen, der Schweiz und Liechtenstein. Darüber hinaus auch in Überseegebieten europäischer Staaten mit Ausnahme der unter dänischer Krone stehenden Faröer Inseln.
Sonderfall Großbritannien
Seitdem das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen hat, hängt es bei Fluggastrechten von und nach UK davon ab, mit welcher Airline der Flug durchgeführt wird.
Flüge von Airlines, die ihren Sitz in der EU oder den oben genannten Staaten haben, fallen unter die EU-Fluggastrechteverordnung. Da Wizz Air den Sitz in Ungarn hat, fällt mein Flug von London nach Wien unter diese Verordnung.
Flüge von Airlines, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben, fallen unter die britische Fluggastrechteverordnung. Diese ist aber jener in der EU sehr ähnlich.
Ab zwei Stunden Verspätung: Betreuungsleistungen
Wenn eine Verspätung von mehr als zwei Stunden absehbar ist, habe ich Anspruch auf Betreuungsleistungen durch die Airline. Das sind zum Beispiel kostenlose Mahlzeiten oder Snacks, Erfrischungen und bei Bedarf auch zwei kostenlose Telefonate oder E-Mails. Das Ausmaß dieser Leistungen hängt aber von der verspäteten Ankunftszeit und der Länge meiner Flugstrecke ab:
- Strecke bis 1.500 km inner- oder außerhalb des EWR: ab 2 Stunden
(Wien–London) - Strecke ab 1.500 km innerhalb EWR: ab 3 Stunden
(Wien–Madrid) - Strecke zwischen 1.500 km und 3.500 km außerhalb EWR: ab 3 Stunden
(Wien–Baku) - Strecke ab 3.500 km außerhalb EWR: ab 4 Stunden
(Wien–New York)
So war mein Anspruch auf Betreuung beim Flug von London nach Wien gegeben. In meinem Fall schickte mir Wizz Air zeitgleich mit der Verspätungsinformation einen Gutschein in Höhe von vier Pfund für ausgewählte Lokale am Flughafen. In der Realität reichte das für einen Softdrink und einen Müsliriegel, aber mehr hatte ich mir von einem Billigflieger auch nicht erwartet.
Falls sich die Abflugzeit darüber hinaus weiter verzögert, können zusätzlich noch weitere Verpflegungskosten geltend gemacht werden. In meinem Fall war es später noch ein kleines Abendessen in einem Flughafenlokal, das mir zusätzlich erstattet wurde.
Airline muss über Rechte informieren
Auch steht die Airline nun laut der Fluggastrechteverordnung in der Informationspflicht: Das heißt, sie sollte mich zumindest am Schalter oder Flugsteig über meine Rechte als Fluggast informieren – beispielsweise durch ein Informationsblatt. Im Zuge meiner Verspätung hat Wizz Air zumindest in einer E-Mail auf die Fluggastrechteverordnung hingewiesen, ohne meine Rechte jedoch konkreter aufzuschlüsseln.
Abflug immer später, und dann gar nicht
Nach meiner Ankunft am Flughafen verzögerte sich der Abflug in Richtung Wien immer weiter. Erst gegen 21:45 Uhr, mehr als 2 Stunden nach der ursprünglichen Abflugzeit, schien ein Gate zu meinem Flug auf dem großen Bildschirm auf.
Nach dem Boarding aller Passagiere passierte aber lange nichts. Rund 45 weitere Minuten später verkündete eine Mitarbeiterin des Flughafens, dass es anscheinend Probleme mit dem Piloten gäbe. Kurz darauf machte ein anderer Mitarbeiter die Durchsage, dass der Flug heute nicht mehr stattfinden würde. Grund: Der Pilot ist wegen der Verspätung über seiner vorgeschriebenen Flugzeit und darf nicht mehr fliegen. Auch steht kein Ersatzpilot zur Verfügung.
Abflug am nächsten Tag: Hotelunterkunft
Da sich der Abflug nun auf den nächsten Tag verschoben hat, steht mir als Passagier laut der Fluggastverordnung nun eine kostenlose Hotelunterkunft zu. Auch für den Transfer dorthin und später wieder zurück zum Flughafen muss die Airline die Kosten übernehmen. In meinem Fall hat Wizz Air Hotelzimmer für alle Passagiere am Flughafen organisiert. Das Hotel befand sich zwar am anderen Terminal, jedoch war der Transfer dorthin dank des kostenlosen Shuttlezugs schnell und unkompliziert. Bis die Hotelzimmer aber zugeteilt wurden, hat es leider mehrere Stunden gedauert. Dafür war aber auch das Frühstück im Hotel inkludiert.
Rückreise, zweiter Versuch
Am nächsten Morgen startete ich den nächsten Versuch, zurück nach Wien zu kommen. Noch am Abend zuvor kündigte Wizz Air einen Ersatzflug für alle betroffenen Passagiere an. Ursprünglich sollte dieser um 8:00 Uhr starten, dann wurde schnell 10:00 Uhr daraus und schließlich verließen wir gegen 11:45 Uhr den Flughafen Gatwick.
Im Flieger erzählte mir einer der Flugbegleiter den Grund für die weitere Verspätung: Es gab in London keine Ersatzcrew. Aus diesem Grund hat Wizz Air extra eine verfügbare Crew aus Mailand geschickt, die auch nur diesen Ersatzflug durchführte. Nach zwei Stunden Flugzeit hieß es dann endlich „Welcome to Vienna“ – mit gut 16 Stunden Verspätung.
Ab drei Stunden Verspätung: Ausgleichszahlung
Sobald ein Flug mehr als 3 Stunden am Endziel verspätet ist, haben Reisende laut der EU-Fluggastverordnung auch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von der Airline. Diese hängt von der jeweiligen Flugstrecke ab. Pro Person werden ausgezahlt:
- Kurzstrecken bis 1.500 km: 250 Euro
- Mittelstrecken bis 3.500 km: 400 Euro
- Langstrecken über 3.500 km, wenn Flug über Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hinausgeht: 600 Euro
Sonderregel bei Langstreckenflügen
Bei Langstreckenflügen gilt jedoch: Bei einer Verspätung von weniger als vier Stunden darf die Ausgleichszahlung von der Airline auf 300 Euro halbiert werden.
Ausnahme bei außergewöhnlichen Umständen
Bei höherer Gewalt sind Airlines zudem nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet. Als außergewöhnlicher Umstand ist unter anderem Folgendes anzusehen:
- Extremwetter (Sturm; Blitzeinschlag)
- Naturkatastrophen
- Streik des Bodenpersonals oder der Flugsicherung
- Terrorismus
- Vogelschlag
- Medizinische Notfälle
- Herstellungsfehler am Flugzeug
Allerdings gilt: Trotz solcher Umstände müssen die weiter oben genannten Betreuungsleistungen angeboten werden!
Mein Nachspiel mit Wizz Air
Nachdem meine Flugverspätung nicht in die Kategorie außergewöhnliche Umstände fällt, beantragte ich nach meiner Rückkehr die Ausgleichszahlung bei Wizz Air. Parallel dazu reichte ich auch meine Verpflegungskosten zur Erstattung ein. Beides läuft bei der ungarischen Airline über zwei separate Onlineformulare.
Rückmeldung schnell, Happy End langsam
Für die Ausgleichszahlung erhielt ich schon einen Tag später von Wizz Air eine Absage. Darin bezog sich die Airline auf außergewöhnliche Umstände, die aber nicht gegeben waren. Daraufhin haben sich meine Kolleg:innen vom Europäischen Verbraucherzentrum Österreich der Sache angenommen. Nach mehreren Monaten hat Wizz Air schlussendlich nachgegeben und mir die Ausgleichszahlung überwiesen. Aber Vorsicht: In meinem Fall kam die Überweisung von einem britischen Bankkonto, weswegen mir meine Bank nochmal knapp zehn Euro Spesen abgezogen hat. Aber lieber so als gar nicht.
Bei den Verpflegungskosten lief alles etwas einfacher. Hier hat mir Wizz Air vier Tage später die Kostenerstattung bestätigt. Trotzdem musste ich nachhaken, da die Airline den Rechnungsbetrag als Euro-Betrag angesehen hat und dieser eigentlich in britischen Pfund angegeben war. Die Sache war aber mit einer E-Mail erledigt und wenig später buchte Wizz Air mir die Verpflegungskosten auf meine Kreditkarte zurück. Happy End!
Im VKI-Blog schreibe ich vorwiegend über Themen aus den Bereichen Digitales und Technik. Darüber hinaus berichte ich gerne über Reiseg'schichten und Entschädigungssachen.
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