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Zwei Wechselrichter von Fronius
Wechselrichter sind für den Betrieb einer Photovoltaikanlage unerlässlich. Die dort gesammelten Daten können via App abgelesen werden. Bild: Fronius International GmbH

Licht und Schatten bei Solarstrom-App

Wir haben uns die Handy-App Solar.web des oberösterreichischen Solarenergieunternehmens Fronius genauer angeschaut. Sind die dort dargestellten CO2-Einsparungen, die bei der Erzeugung von Sonnenstrom kommuniziert werden, seriös?

Was uns stutzig gemacht hat

Ein VKI-Kollege ist seit einigen Monaten stolzer Besitzer einer Photovoltaikanlage (PV) am Dach seines Eigenheims (siehe Foto weiter unten).

Screenshot der Fronius-App
Bild: VKI/privat

App-Screenshot Solar.web

 Der für den Betrieb einer PV-Anlage unerlässliche Wechselrichter stammt in seinem Fall vom heimischen Anbieter Fronius

Es ist inzwischen üblich, das eigene PV-System mit einer App zu verbinden, um so über Stromerzeugung und -verbrauch informiert zu bleiben. 

Im Fall des Kollegen ist es die Fronius-App Solar.web. 

Mit einem Screenshot besagter App (siehe anbei) kam der Kollege auf das VKI-Greenwashing-Check-Team zu und fragte: „Wäre dieses krasse Missverhältnis zwischen Bäumen, Autokilometern und Flugkilometern ein Thema für euch?“ 

 

Wir haben den Check gemacht.

Solaranlage auf einem Carport
Die Photovoltaik-Anlage unseres Kollegen hat insgesamt 6 kW-Peak. Bild: VKI/privat

Der Check

Was ist neben Joule eine zweite gängige Maßeinheit von Energie? Die Kilowattstunde (kWh). Hätten Sie’s gewusst? Auf der Stromrechnung kommt einem dieser Begriff zwar immer wieder unter. Aber für viele Konsument:innen bleibt kWh ein abstraktes Mysterium. 

Es ist daher nur recht und billig, wenn Unternehmen wie Fronius versuchen, privaten PV-Anlagenbetreiber:innen die Materie durch praxisnahe Beispiele zu veranschaulichen. Prinzipiell eine tolle Sache – wenn man die richtigen Beispiele wählt und transparent kommuniziert.

Wie schaut das bei Fronius aus? 

Es gibt dort Licht, aber leider auch einiges an Schatten, so viel sei schon verraten. 

Erster Kritikpunkt. In der App gibt es einen Bereich, der sich den CO2-Einsparungen widmet. Der Sonnenstrom ersetzt „schlechten“, weil nicht klimaneutralen Strom, so die dort suggerierte Grundannahme. Diese ist nicht per se falsch. Aber die Nutzer:innen werden im Unklaren darüber gelassen, auf welche Art der „schlechten“ Stromerzeugung zur Berechnung der CO2-Einsparung hier Bezug genommen wird.

Erst durch unsere Nachfrage wird klar, dass es Strom aus Erdgas ist. Ein großer Unterschied, ob man diese fossile Primärenergiequelle heranzieht, oder z. B. den europäischen Strommix, der neben fossilen Quellen natürlich auch Atomenergie und Erneuerbare inkludiert. Vergleicht man Sonnenstrom mit Erdgas-Strom und nicht mit dem europäischen Strommix, resultiert daraus eine fast dreimal so hohe CO2-Einsparung. 

Das ist definitiv keine saubere Herangehensweise, schon gar nicht, wenn, so wie bei Fronius, die Vergleichsbasis nicht genannt wird.

Unser zweiter Kritikpunkt ist die Veranschaulichung, was der Menge an vermiedenem CO2 entspricht. Die von Fronius gewählten Beispiele sind aus unserer Sicht problematisch.

Zum einen: Bäume. Nach zwölf Wochen PV-Betrieb (die Anlage hat 6 kW-Peak) hatte unser Kollege laut App 1.635 kg CO2 eingespart (wie wir nun wissen: im Vergleich zu Erdgas-Strom). Der laut App zulässige Umkehrschluss: Unser Kollege habe dadurch 42 Bäume … ja was, gerettet? 

Es soll wohl suggerieren: 42 Bäume binden diese Menge CO2. Der von Fronius angenommene (aber nicht kommunizierte) Wert von 39 Kilogramm CO2 pro Jahr und Baum ist schon mal sehr hoch angesetzt. Und wenn man es zu Ende denkt, dann ist das Ganze im Grunde frei erfunden. Und völlig sinn sinnbefreit. Denn in der Realität bindet ein Baum im darauffolgenden Jahr wieder diese Menge CO2. Man kann nicht wieder und wieder neue Bäume dieser Aufzählung hinzufügen.

Auch bei den Flugkilometern, die in der App aufscheinen, fragt man sich: Wo ist der Zusammenhang zwischen PV-Stromerzeugung und Flugreisen? Auch hier bleibt die Berechnungsbasis für Konsument:innen im Verborgenen. Wie sich durch die Antwort von Fronius auf unsere Frage herausstellt, stamme der (sehr hohe) Umrechnungsfaktor aus einer Publikation des Umweltbundesamts; aus dem Jahr 2010 (!). 

Problematisch an dieser Gegenüberstellung ist, dass der eine oder die andere dadurch womöglich auf den Gedanken kommen könnte: „Jetzt habe ich schon so und so viel CO2 durch meine PV-Anlage eingespart, da gönne ich mir doch glatt eine Flugreise!“ Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.

Detto bei den Autokilometern: Die Grundproblematik bleibt dieselbe. Zu allem Überdruss kann man bei Fronius laut Stellungnahme nicht mehr nachvollziehen, wo die Quelle der Auto-Berechnung herstammt.

Gute App-Features

Es gibt allerdings auch App-Features, die aus unserer Sicht in die richtige Richtung gehen, die den unmittelbaren Nutzen für die Kund:innen in den Fokus stellen. 

An einer Stelle der App werden fiktive E-Auto-Kilometer aufgelistet (siehe Bild unten, linkes Bild, letzte Zeile). Konkret: Wie viele Kilometer hätte man fahren können, wenn man den zwar selbst erzeugten, aber nicht selbst genutzten Strom (also jenen Anteil der Erzeugung, der ins allgemeine Netz zurück fließt) dafür verwendet hätte, ein E-Auto-zu laden. 

An dieser Stelle agiert Fronius sehr transparent, in einem Info-Feld wird darauf hingewiesen, was der (sehr realistischen) Berechnung zugrunde liegt (siehe Bild unten). 

Screenshots von der Fronius App
Bild: VKI/privat

Was sagt Fronius dazu?

Der Technologiekonzern, der mit rund 7.000 Mitarbeiter:innen weltweit rund eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaftet, hat auf unsere Anfrage fristgerecht, sehr offen und transparent geantwortet. 

Es wurde uns beteuert, dass es Fronius fernliege, einen Umweltnutzen zu beschönigen oder Kund:innen in die Irre zu führen. Eine adäquate Abbildung der von uns kritisierten Kennzahlen sei kurzfristig nicht darstellbar, da Fronius als global agierendes Unternehmen z. B. die Heranziehung regional unterschiedlicher Energiemixe nicht in die App integrieren kann. Man habe sich deshalb nach der Anfrage des VKI dazu entschlossen, die Darstellung „CO2 Einsparung“ aus der App zu entfernen (um sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt adaptiert wieder zu integrieren).

Die Stellungnahme im Wortlaut finden Sie hier zum Download. 

Das Fazit

In der Fronius-App ist Transparenz weitgehend Mangelware – es fehlen zu oft für Konsument:innen aufklärende Hinweise. Auch „Energiewende-Unternehmen“ wie Fronius sollten nicht ins Fahrwasser von Übertreibung, Ungenauigkeit und Intransparenz geraten. 

Bei einem so wichtigen Punkt wie der Schnittstelle zur Kundschaft sollte man keine 15 Jahre alten Datensätze verwenden. Auch hier sollte der Anspruch derselbe sein, den man bei den erzeugten Produkten an den Tag legt: State of the Art.

Fronius, und da unterscheidet sich das Unternehmen mit Sitz in Wels deutlich von etlichen anderen, die wir bereits gecheckt haben, flüchtet sich nicht in Ausreden. Unsere Kritik wird nicht negiert, sondern ernst genommen. 

Es werden unmittelbare Konsequenzen abgeleitet. Das zeugt von großer Ernsthaftigkeit, wenn es darum geht, das eigentliche, hehre Ziel – die Energiewende – voranzutreiben.

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