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Roger Hackstock im Interview
"Mein Vorschlag ist, es bei der Klimakrise mit Humor und Gelassenheit zu probieren", meint Roger Hackstock, seit 30 Jahren einer der umtriebigsten heimischen Klimaschützer. Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Warum liegen die Dächer faul in der Sonne, Herr Hackstock?

Der Photovoltaik-Boom hat Solarthermie in den Schatten gestellt. Zu Unrecht, wie Energieexperte Roger Hackstock im „Nachhaltigen Interview“ meint. Auch für die Wärmegewinnung aus der Kraft der Sonne sei genug Platz auf den Dächern vorhanden. 

Zur Person: Roger Hackstock

Roger Hackstock ist seit 2002 Geschäftsführer des Branchenverbandes Austria Solar. Darüber hinaus ist er im Vorstand des europäischen Solarindustrieverbands und Präsident vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ). 

Hackstock (Jahrgang 1963) hat Elektrotechnik an der Technischen Universität in Wien studiert (mit dem Schwerpunkt Umwelttechnik) und ist dort auch Lehrbeauftragter. Zudem ist Hackstock Autor mehrerer Bücher. 

Herr Hackstock, Ihr aktuelles Buch heißt „Wie wir die Welt retten, ohne uns dauernd Sorgen zu machen“. Sind Sie ein unverbesserlicher Optimist?

Wir haben 30 Jahre lang probiert, mit Empörung und Verzweiflung der Klimakrise Herr zu werden. Das hat nicht funktioniert, die Emissionen steigen weiter. Also ist mein Vorschlag, es mit Humor und Gelassenheit zu probieren. Was uns ein bisschen fehlt, ist die Lust am Klimaschutz. Es ist für viele so ein Angstort, wo sie nicht hinwollen. Weil sie immer erzählt bekommen, auf was sie nicht alles verzichten müssen. Für mich ist es ein Sehnsuchtsort. Wenn man sich nach etwas sehnt, setzt man alle Hebel in Bewegung, um möglichst schnell dort zu sein. 

 

Weil Sie von „uns“ reden. Sie sind international gut vernetzt, haben sicherlich gute Einblicke: Sind wir Österreicher:innen besonders pessimistisch?

Der österreichische Volkssport ist ja Raunzen und Aufpudlen. Das können wir sehr gut, vor allem in Wien (lacht). Aber im Herzen sind wir fürsorglich und positiv und bringen irrsinnig viel weiter. Sonst hätten wir uns nie so einen Wohlstand erarbeitet. 

 

Konkret gefragt: Wie können wir die Welt retten? Zu kompliziert darf es nicht sein, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, sonst machen die Leute nicht mit. 

Was mich zuversichtlich stimmt, sind die vielen positiven Beispiele. Eine klimaneutrale Zukunft kann man heute schon besuchen vielerorts. Zum Beispiel in Firmen, die ganz ohne Öl und Gas produzieren und damit wirtschaftlich erfolgreich sind. Warum sie das machen? Es ist eine Frage der Haltung.  

 

Und wie nehmen wir die Konsument:innen mit auf die grüne Reise?

Alle Umfragen zeigen, Klimaschutz ist den Leuten total wichtig, Erneuerbare haben höchste Sympathiewerte. Wenn es dann in die konkrete Umsetzung geht, wird es manchmal ein bisschen kompliziert. Und dann merken die Leute, dass sie gegen den Strom schwimmen müssen. Deshalb lautet mein Appell, dass die Politik die Stromrichtung umdrehen soll. 

 

Die Stromrichtung der Politik ist also … 

… immer noch total fossil. Auch viele Vertreter in der Wirtschaft hängen dem noch an. Aber sie merken, dass ihnen langsam, aber sicher die Felle davon schwimmen. Dass es um die Wurst geht. Dass, wenn sie jetzt nicht aufpassen, es vorbei ist mit den Fossilen. 

 

Der aktuelle Widerstand gegen ambitionierte Klimaschutzziele, das ist also so wie die letzten, verzweifelten Schwinger eines angeschlagenen Boxers? 

Das trifft es ziemlich gut. Wir sind bei der Energiewende in der letzten Runde. Und deshalb ist der Kampf auch so hart. Wir sind schon sehr weit bei der grünen Transformation, vor allem beim Strom. Und jetzt beginnt es bei der Wärme und beim Verkehr. 

Solarthemie-Kollektoren auf einem Flachdach
Solarkollektoren auf einem Flachdach: Bei Solarthermie geht es darum, die Wärmenergie der Sonne in nutzbare Wärme (Warmwasser, Heizung) umzuwandeln. Bild: Austria Solar/Gasokol

Reden wir über die Dekarbonisierung des Heizens. In Österreich ist da viel gelungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Allerdings werden immer noch ca. 1,3 Millionen Haushalte mit Öl- oder Gas beheizt. Ist das der unverbesserliche Rest oder kann man diese Leute auch noch für einen Umstieg gewinnen?

Die 1,3 Millionen, das ist der aktuelle Stand auf der Reise. Das ist nicht das Ende der Fahnenstange. In den vergangenen zwölf Jahren haben wir 400.000 Ölheizungen verloren! Die Förderungen zum Heizungstausch wurden leider deutlich verringert. Das muss man zähneknirschend hinnehmen. Jetzt wird man wahrscheinlich ordnungspolitisch eingreifen müssen. 

 

<<Anm: Details zu den aktuellen Förderungen für Kesseltausch und thermische Gebäudesanierung lesen Sie hier>>

 

In Deutschland ist das ordentlich in die Hose gegangen, Stichwort Heizungshammer rund um das geplante Gesetz zum Verbot von Öl- und Gasheizungen. 

Man muss es schlau machen, damit es nicht als simple Verbotspolitik ohne Abfederung gesehen wird. Und den Leuten zeigen: Es ist schon jetzt wirtschaftlicher, auf Erneuerbare umzusteigen. 

 

Insbesondere im urbanen Raum ist der Umstieg auf ein nachhaltigeres Heizsystem schwierig… 

… aber nicht unmöglich – wenn man es schlau macht. Da gibt es etliche Beispiele, von der Sozialbau angefangen, die in ihren Häusern die Heizungen zentralisieren, über das Start-Up Roots, das ein standardisiertes System für die Umstellung von Mehrparteienhäusern im urbanen Raum erarbeitet hat. Und das Großartige: Die Menschen, die in den Häusern wohnen, machen mit, sehen den Mehrwert! Was sich durch die Energiewende durchzieht: Es braucht immer eine Mischung aus drei Sachen – Mut, Einfallsreichtum und soziales Geschick. 

Roger Hackstock im Interview
"Es ist schon jetzt wirtschaftlicher, auf Erneuerbare umzusteigen", sagt Roger Hackstock. Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Ein wesentlicher Faktor für die Wärmewende ist die Fernwärme. Klingt grün, wird bisweilen auch so vermarktet. Fernwärme ist aber trügerisch, weil vielfach Erdgas verfeuert wird. In der Branche werden ambitionierte Ziele genannt. In Wien z.B. will man Fernwärme bis 2040 komplett CO2-frei bekommen. 

Wenn man sich jetzt an Fernwärme dranhängt, dann kann man davon ausgehen, dass die in den nächsten 15 Jahren auch immer grüner werden wird. Man ist also nicht gefangen in einer fossilen Falle. 

 

Wie steht es um das Potenzial mit Solarthermie Wärme zu erzeugen? Werden die vorhandenen Flächen gut genutzt im urbanen Raum, in Wien?

Man kann Fernwärme teilweise mit der Kraft der Sonne dekarbonisieren. Das sogenannte Solardachkataster in Wien besagt, dass es 21 Quadratkilometer sehr gut geeignete Flächen gibt. Wir nutzen davon derzeit gerade einmal 0,5 Prozent. Das Potenzial ist also riesig! Die Dächer liegen faul in der Sonne. Sie könnten sowohl für Strom als auch für Wärme genutzt werden. Es ist Platz genug da für beides. Für den gesamten Warmwasserbedarf von Wien übers ganze Jahr brächte man rechnerisch siebeneinhalb Quadratkilometer Fläche. 

 

Verlassen wir die Stadt und gehen raus aufs Land. Was kostet denn eine Solarthermie-Anlage für ein klassisches Einfamilienhaus? 

Eine Standard-Warmwasseranlage mit 300 Litern hat ungefähr sechs Quadratmeter Kollektorfläche und kostet rund 7.000 Euro ohne Förderung. Von Juni bis September macht die Anlage das Warmwasser komplett, in der restlichen Zeit unterstützt sie die vorhandene Heizung, die das Warmwasser macht. Die größere Dimension zur Heizungsunterstützung hat 15 Quadratmeter und kostet 17.000 Euro. Da schaltet sich der Heizkessel zu Ostern aus und im Oktober erst wieder ein. 

Montage von Solarkollekoren
Solarthermie ist grundsätzlich ein heimisches Produkt, die Kollektoren stammen nicht aus Fernost - anders als bei Photovoltaikmodulen. Bild: Austria Solar/Sonnenkraft

Ist die Kombination Solarthermie und Öl- oder Gasheizung zielführend?

Eine Solaranlage kann man im Bestand zwar immer nachrüsten, egal bei welcher Heizung. Eine alte Ölheizung im Zuge dessen aber nicht auszutauschen, ist nicht sonderlich schlau. Denn dann ist man für Jahrzehnte wieder an diesen Heizträger gebunden, die Heizkessel halten ja sehr lange. Ob man 2070 überhaupt noch Heizöl bekommen wird…? Schlauer wäre es auf eine erneuerbare Heizungsanlage – Wärmepumpe, Holzheizung oder Fernwärme – umzusteigen.  Und mir das entsprechend auch fördern zu lassen. 

 

Wann amortisieren sich Solaranlagen?

Bei den derzeitigen Energiepreisen und der aktuellen Förderlandschaft rechnet sich eine Anlage, je nach Größe, nach ungefähr 10-15 Jahren. Die statistische Lebensdauer beträgt 25 Jahre, aber die ältesten Anlagen in Österreich laufen schon seit 40 Jahren!

 

Und die Anlagen von heute sind immer noch so qualitativ hochwertig verarbeitet wie vor 40 Jahren?

Bei den Solaranlagen wurde bisher keine geplante Obsoleszenz eingebaut. Das gibt’s in der Branche nicht. 

 

Auch wenn´s tendenziell immer weniger schneit: Ist Schneelast ein Thema bei Solarthermie?

Photovoltaikpanele tauen nicht selbst ab, da muss man kehren bzw. schaufeln gehen aufs Dach. Bei der Solarthermie habe ich die Chance, wenn nur eine dünne Schneedecke liegt, oder der Schnee nicht vollflächig auf den Kollektoren liegt, sondern ein kleines Stückchen frei ist, dass der Kollektor selbst abtaut. Denn dieses kleine Stückchen, das wird ein bisschen warm und strahlt Wärme ab – dann taut der Schnee am gesamten Kollektorfeld ziemlich rasch ab. 

 

Ist Solarthermie auch für Zweitwohnsitzbesitzer:innen geeignet?

Es kommt ein wenig drauf an, was die Zielvorgabe ist. Mit einer großen Anlage zur Heizungsunterstützung kann ich z.B. ein Haus das ganze Jahr über frostfrei halten. 10 bis 15 Grad Raumtemperatur schafft sie auch zu Weihnachten. 

Roger Hackstock im Interview
Hackstock: "Ziel muss sein, möglichst viel Energie ins Haus zu holen, möglichst unabhängig zu werden." Bild: VKI/Alexandra Konstantinoudi

Was bisweilen nicht so bekannt ist: Anders als Photovoltaikpanele werden Solarkollektoren nicht in Fernost, sondern auch hierzulande produziert. Auf was soll beim Kauf von Solarthermie geachtet werden? 

Grundsätzlich ist Solarthermie ein heimisches Produkt, die Wertschöpfung ist hoch. Es gibt keine Billigware aus China. Die Branche produziert zehnmal so viele Sonnenkollektoren wie wir in Österreich installieren. Beim Kauf empfehlen wir auf das Austria Solar Gütesiegel zu achten. Es bietet längere Garantien – 10 Jahre bei Kollektoren, 5 Jahre bei Speichern – und zusätzlich u.a. internetfähige Regler, gut gedämmte Speicher, Pumpen mit geringem Stromverbrauch und bei Hagel, Schnee, Wind und Brandschutz höhere Standards als das Gesetz verlangt. 

 

Aber warum soll man für Solarwärme tiefer in die Tasche greifen, wenn man Photovoltaik vergleichsweise günstiger haben kann? Und PV durchaus auch zur Brauchwarmwasseraufbereitung mit einem Heizstab verwenden kann („Power to Heat“)?

Was vielen nicht bewusst ist: 80 Prozent des Energieverbrauchs eines Hauses ist Wärme. Und nur 20 Prozent Strom. Und davon deckt die Photovoltaikanlage am Dach meist nur 20 Prozent ab, den Großteil des Stroms speist man ins Netz ein. Wenn ich mit PV heizen will, brauche ich die dreifache Fläche am Dach im Vergleich zur Solarthermie, sie ist um das Dreifache effizienter. Hochwertigen Strom zu erzeugen, um daraus erst wieder Wärme zu machen, das ist so ein bisschen wie mit dem rechten Arm aufs linke Ohr greifen. 

 

Dennoch ist Solarthermie im Vergleich das teurere Produkt.

Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er mit österreichischen Sonnenkollektoren heizen will, oder mit PV-Modulen aus China. Die Landesinnung der Installateure Steiermark hat jedenfalls die Losung ausgegeben, die mir sehr vernünftig erscheint: Hol dir gleich viel Wärme wie Strom vom Dach, denn du brauchst beides. Das bedeutet, dass man ein Viertel des Dachs mit Solarthermie belegt und drei Viertel mit PV. So ist das Dach optimal genutzt. Das Ziel muss ja sein, möglichst viel Energie ins Haus zu holen, möglichst unabhängig zu werden. Und: Anders als bei PV brauche ich bei Solarthermie keinen Netzanschluss, keine entsprechende Genehmigung und muss auch keine Netzgebühren bezahlen. 

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