OMV im Greenwashing-Check: Österreicher mit Verantwortung?
Wie ernst meint es die OMV mit ihrer grünen Transformation? Trifft der Uralt-Webeslogan „ÖMV – Österreicher mit Verantwortung“ auch auf die Nachhaltigkeits-Bestrebungen des Konzerns zu? Wir haben den Check gemacht.
Was uns stutzig gemacht hat
Im Oktober 2025 wurde im Fachmagazin „Nature Sustainability“ eine Studie veröffentlicht, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Titel (übersetzt): „Die Öl- und Gasindustrie und ihr verschwindend geringer Anteil an erneuerbarer Energie weltweit“.
In der Studie werden 250 der größten Öl- und Gasunternehmen der Welt durchleuchtet. Die Conclusio der Forschenden der Universitat Autònoma de Barcelona lautet, dass die Öl- und Gasbranche zwar gern behaupte, maßgeblich am Übergang zu einer kohlenstoffarmen Energieproduktion mitzuwirken.
Der Realitäts-Check sehe aber anders aus. Erneuerbare Energieerzeugung mache nur einen winzigen Anteil an der Gesamtenergieproduktion dieser Unternehmen aus. Konkret seien sie nur für 1,42 Prozent der weltweiten in Betrieb befindlichen Projekte im Bereich erneuerbare Energien verantwortlich – das entspreche 0,13 Prozent ihrer Primärenergieproduktion. In anderen Worten: Fast 99 Prozent der von den 250 Unternehmen erzeugten Energie sind immer noch fossilen Ursprungs.
Auch die heimische OMV ist Teil der Untersuchung. Den Daten der Studienautor:innen folgend, stammen gerade einmal 0,05 Prozent der Primärenergieproduktion der OMV aus erneuerbaren Quellen.
Wie passt das z. B. mit einem Statement von OMV-Chef Alfred Stern zusammen, getätigt in einem Interview mit „Profil“ im September 2025? „Wir sind uns sehr wohl unserer Verantwortung bewusst, […] dass wir auch die Energiewende mitvorantreiben. Und zwar signifikant. Die Energiewende in Österreich ist nur mit oder durch OMV möglich.“
Der Check
Die OMV ist im Wandel. Das kann jedenfalls gesagt werden. Die OMV ist nicht mehr nur die 1956 gegründete „Österreichische Mineralölverwaltung Aktiengesellschaft“, die die Förderung, Verarbeitung und den Vertrieb von Erdöl und Erdgas in Österreich zu verantworten hatte.
In den vergangenen 20 Jahren baute man beispielsweise mit der Petro-Chemie-Tochter Borealis ein zweites zentrales Standbein auf. Das gipfelte jüngst in einem Deal mit den langjährigen OMV-Miteigentümern Adnoc aus Abu Dhabi: Die gebündelten Chemieaktivitäten der beiden Unternehmen ergeben den viertgrößte Kunststoffkonzern der Welt. Ein Milliarden-Deal.
Erdöl hochwertiger und langlebiger zu veredeln, also Kunststoffe daraus herzustellen, ist ein nachhaltigerer Ansatz, als es flüchtig zu Treibstoffen zu raffinieren, die in Motoren verbrannt werden.
Aber wie schaut es bei der OMV in Sachen „echter“ grüner Energie aus?
Wenn die OMV von grüner Transformation spricht, dann sind insbesondere auch folgende vier strategischen Felder gemeint:
- Geothermie
- nachhaltiger Flugtreibstoff (SAF)
- Wasserstoff
- ReOil (Recycling von Altkunststoffen)
Wenn man diese Bereiche dem fossilen Kerngeschäft der OMV gegenüberstellt, was kommt dabei heraus? Wir haben den aktuellen Jahresbericht (2024) der OMV analysiert, online verfügbare Informationen ausgewertet und die Stellungnahme der OMV in unsere Recherche einbezogen.
Gleich vorweg: Machen wir es uns da zu einfach? Vergleichen wir Äpfel mit Birnen? Nein, denn um Ihnen ein Gefühl für die Relationen zwischen den „grünen“ und „braunen“ Geschäftsfeldern der OMV zu geben, haben wir uns bewusst dazu entschieden, simple Vergleiche anzustellen.
Picken wir das Beispiel SAF heraus. Der aktuelle SAF-Anteil an den gesamten Kraftstoffverkäufen der OMV liegt bei gerade einmal 0,03 Prozent. Bis 2028 will die OMV die SAF-Produktion signifikant erhöhen. Werden die Ziele erreicht, wäre man bei rund 1,5 Prozent der Gesamt-Kraftstoffverkäufe (Vergleichsjahr immer 2024).
Und beim Thema Wasserstoff? Als „grüner“ Ersatz für herkömmlichen Treibstoff ist es medial und politisch in aller Munde – obwohl es wohl vorrangig zur Gas-Substitution in Industrieprozessen eingesetzt werden wird.
Momentan hat die OMV eine sehr kleine Anlage in Betrieb. Öffentlichkeitswirksam wurde zuletzt der Bau einer signifikant größeren in der Nähe von Bruck/Leitha (NÖ) angekündigt, geplante Fertigstellung 2027. Die aktuell laufende Anlage fällt wohl eher unter den Terminus Pilotprojekt. Vergleicht man den Energiegehalt des dabei erzeugten Wasserstoffs pro Jahr mit jenem der jährlichen OMV-Rohölförderung, kommt man auf einen Wert von gerade einmal 0,04 Prozent.
Auch nach Fertigstellung der Anlage in Bruck/Leitha (und zwei kleineren Projekten in Rumänien) sind es weniger als 1 Prozent.
Etwas mehr Transformationspotenzial hat ReOil. Die aktuelle ReOil-Produktion entspricht rund 0,2 Prozent der jährlichen OMV-Rohölförderung. Wenn die Ziele bis 2029 erreicht werden, dann würde sich der Wert auf rund 2,2 Prozent erhöhen.
Das im Vergleich größte Potenzial, wenn alle Ziele eingehalten werden, hat Geothermie. Die geplante Produktion bis 2030 (in Kooperation mit Wien Energie) würde 3,3 Prozent der Energie entsprechen, die aktuell in den Gasspeichern der OMV eingelagert ist.
Aktuell steht freilich eine Null bei der Wärmeerzeugung aus Geothermie bei der OMV zu Buche.
Was sagt die OMV dazu?
Der teilstaatliche, börsennotierte Konzern beantwortete unsere Fragen recht akkurat und ausführlich. Man ließ uns wissen, dass die OMV „mitten in der Umsetzung der Transformationsstrategie“ sei. Diese ziele darauf ab, „das Unternehmen von einem traditionellen Öl- und Gasunternehmen zu einem integrierten, nachhaltigen Energie- und Chemiekonzern zu entwickeln“. Die größten Fortschritte seien bisher im Chemie- und Kreislaufwirtschaftsbereich erzielt worden.
Die Frage, ob die kolportierten Daten der Studie aus Barcelona korrekt seien, beantwortete die OMV nur indirekt: „Im Jahr 2024 betrug der Anteil Gesamtenergieproduktion (für den Markt) aus erneuerbaren Quellen 8.642.522 MWh, das sind ca. 3 Prozent der Gesamtenergieproduktion (für den Markt).“ Diese Anteile würden in den kommenden Jahren signifikant steigen, „da die derzeitigen Investitionsprojekte und in Bau befindlichen Transformationsprojekte sukzessive in Betrieb genommen werden“.
Die Stellungnahme im Wortlaut finden Sie hier zum Download.
Fazit
Die vier grünen Initiativen stellen technologisch interessante und strategisch relevante Projekte dar, die zur langfristigen Transformation der OMV beitragen können. Im aktuellen Maßstab sind ihre Beiträge zur Gesamtenergieproduktion bzw. im Vergleich zum fossilen Kerngeschäft jedoch sehr gering.
Insofern kann man kritisch anmerken: Dass es den Klimawandel, dass es internationale Klimaziele gibt, ist nicht erst seit gestern bekannt. Angesichts der eingangs erwähnten selbstbewussten Eigenwahrnehmung und Rollenzuschreibung von OMV-Boss Stern: Hätte man als OMV in den vergangenen Jahren nicht schon etwas mehr zustande bringen können, ja müssen?
Anspruch und Wirklichkeit
Die OMV habe sich zum Ziel gesetzt, „bis 2050 zu einem Unternehmen mit Netto- Null-Emissionen zu werden“, ließ uns das Unternehmen wissen. Um in derselben Stellungnahme zu schreiben, dass man die sogenannten Scope-3-Emissionen bis 2050 um 50 Prozent reduzieren will. Dabei handelt es sich um indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere die Nutzung von Produkten durch Kund:innen (z. B. wenn jemand Benzin kauft und es im Auto verbrannt wird).
Das ist jedenfalls ein krasser Widerspruch zum Netto-Null-Ziel, das so dann nur durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten oder die Zukunftstechnologie CCS (CO₂-Abscheidung und -Speicherung in geologische Formationen wie z. B. leere Gasfelder) erreicht werden kann.
Es scheint also eher eine „Netto- Null durch Kompensation“ zu sein als ein vollständiger Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
Faktum ist nämlich: Wie die OMV auch uns gegenüber in der Stellungnahme kundtut, ist insbesondere Erdgas ...
... „eine wichtige Brückentechnologie und wesentlicher Bestandteil der Transformationsstrategie von OMV mit der Ambition, ein führender Produzent von Gas für die OMV-Kernmärkte in Europa zu werden. Die gesamte Erdöl- und Erdgas- Produktion im Jahr 2030 wird bei etwa 400 kboe/d liegen“.
Momentan (2024) liege man bei 340 kboe/d (kboe/d steht für Barrel Öläquivalent pro Tag). 400 kboe/d sind umgerechnet rund 900.000 Autotankfüllungen pro Tag. Das heißt unterm Strich nicht mehr und nicht weniger, dass die OMV ihr fossiles Kerngeschäft bis 2030 um fast ein Fünftel steigern will.
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