Zum Inhalt

Vorstadt-Idylle: großes Haus, 2 SUV in der Einfahrt, großer Garten, BBQ und Mülltrennungs-Tonnen
Mülltrennen, schön und gut. Wirklich nachhaltig lebt man deswegen aber nicht. Viel schwerer wiegt nämlich: großes Haus, davor zwei Autos, Fleisch am Grill. Und die x Flugreisen im Jahr. Bild: Adobe Firefly KI-generiert

Nachhaltigkeits-Studie: Grünes Gewissen, falsche Prioritäten

Warum wir lieber Müll trennen, als weniger zu reisen: Eine neue Studie zeigt die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Nachhaltigkeit. 

Groß war die Aufregung, als Anfang des Jahres das Einwegpfand eingeführt wur­de. Nach einer holprigen Startphase haben sich die Wogen aber geglättet. Inzwischen wird wieder recht pflichtbewusst Müll ge­trennt. 

Denn Müll trennen, das können wir Österreicher:innen. Das machen wir sogar recht gern. Denn es ist nicht allzu aufwen­dig und fühlt sich obendrein gut an. Das grüne Gewissen wird beruhigt, man tut etwas, um die Erde zu schützen. 

Und das nicht zu knapp! Denn, jetzt mal ehrlich, der Aufwand beim Mülltrennen ist nicht zu unterschätzen! Da kann sich schon auf die Schulter geklopft werden. Gut gemacht! 

Ja, stimmt. Mülltrennung und Recycling sind wichtige Faktoren im Kampf für einen grüneren Planeten. Doch die weitaus größeren Hebel für mehr Klimaschutz, die liegen eigentlich woanders. 

Wie eine aktu­elle Studie zeigt, glauben wir Bürger:innen fest daran, die richtigen Dinge zu tun. Im Alltag setzen wir aber de facto die fal­schen Prioritäten. 

Hintergrund der Studie

Schon 2021 hat der VKI gemeinsam mit internationalen Verbraucherschutzorgani­sationen eine Studie zum Thema Nachhal­tigkeit in Auftrag gegeben – wir haben da­rüber berichtet. Die Studie wurde nun ak­tualisiert. Damals wie heute war das Ziel, das Verhalten von Konsument:innen in Bezug auf Nachhaltigkeit zu erfassen und (international) vergleichbar zu machen. 

Die Erhebung basiert auf einem von renommierten Wissenschafter:innen erarbeiteten Modell, bei dem fünf Kon­sumbereiche identifiziert wurden, die im Bezug auf Nachhaltigkeit zentral sind: 

  • Abfallmanagement 
  • Ernährung 
  • Kauf von Nicht-Lebensmittelprodukten und Dienstleistungen 
  • Mobilität und Reisen
  • Wasser und Energie im Haushalt 

Der darauf aufgebaute Fragebogen wurde einer repräsentativen Stichprobe der Be­völkerung vorgelegt. Pro teilnehmendem Land – neben Österreich waren dies 2025 Belgien, Italien, Kanada, Portugal, Slowe­nien, Spanien und die USA – waren es rund 1.000 Personen. 

Aus den Antworten, die auf einer Selbsteinschätzung der Befragten basieren, wurde ein Konsumverhaltensin­dex erstellt. Dieser gibt an, wie nachhaltig die Einwohner:innen der einzelnen Länder agieren. Korrekter ausgedrückt: Wie sehr sie glauben, nachhaltig zu agieren. 

Balkengrafik Nachhaltigkeitsverhalten im internationalen Vergleich. Die Grafik zeigt, wie „grün“ sich Konsument:innen selbst einschätzen. :
Nachhaltigkeitsverhalten im internationalen Vergleich. Die Grafik zeigt, wie „grün“ sich Konsument:innen selbst einschätzen. Bild: Grafik: VKI

Österreich ist Weltmeister!

Glaubt man den Aussagen der Teilneh­mer:innen, dann geht in Sachen Nachhal­tigkeit nichts über Österreich (siehe Gra­fik). Im Gesamtranking liegen wir an erster Stelle, deutlich vor Slowenien und Spani­en. In drei der fünf Konsumbereiche erzie­len wir die höchsten Werte, beim Kauf von Nicht-Lebensmittelprodukten und Dienst­leistungen bzw. beim Abfallmanagement werden wir nur von Slowenien über­trumpft. 

Und dem nicht genug. Im Ver­gleich zur 2021er-Erhebung hat sich Öster­reich in allen fünf Nachhaltigkeitsdimen­sionen sogar noch verbessert! 

Was sagen die Ergebnisse aus?

Also ist in Österreich beim Klima- und Um­weltschutz alles paletti? Nein, diese Schlussfolgerung kann nicht gezogen werden. 

Die Conclusio ist vielmehr er­nüchternd. 

Schon 2021 stellte sich in den Detailauswertungen heraus, dass in der Bevölkerung insbesondere jene Verhal­tensweisen als sehr nachhaltig einge­schätzt werden, die einfach und günstig umzusetzen sind, wie etwa Mülltrennung. 

Verhaltensweisen, die große Veränderungen im Alltag bedeuten, wie z. B. eine Um­stellung der Ernährung, werden hingegen als nicht so wichtig klassifiziert – obwohl gerade die Punkte Ernährung und Mobili­tät den wirksamsten grünen Hebel hätten.

Wie die aktuelle Erhebung zeigt, hat sich diese eklatante Fehleinschätzung, diese zum Teil große Diskrepanz zwischen Ex­pert:innenmeinung und öffentlicher Wahr­nehmung, leider weiter verfestigt. Lern­effekt kann keiner festgestellt werden. 

Nach wie vor wird die Wichtigkeit von Ver­haltensweisen nach Umsetzbarkeit und Alltagstauglichkeit bewertet – und nicht nach objektivem Nachhaltigkeitsimpact.

Ranking: Welche Konsumbereiche haben den größten grünen Hebel? Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Nachhaltigkeit in Österreich
Bild: Grafik: VKI

Politik und Wirtschaft gefragt

Um echte Nachhaltigkeit zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, Auf­klärungsarbeit zu leisten. Die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, Müll zu trennen, muss in der breiten Gesellschaft ankom­men – besonders, wenn man sich vor Augen hält, dass der Fleischkonsum in Österreich zu den höchsten in der EU zählt. 

Faktum ist auch, dass nicht allein die Kon­sument:innen aus eigenem Antrieb heraus Änderungen vornehmen können. Im Ge­genteil: Politik und Wirtschaft müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Grüne Pro­dukte und Dienstleistungen müssen leist­bar und verfügbar sein, damit ein nachhal­tiger Lebensstil zur Normalität wird. 

Andernfalls bleibt echter Umwelt- und Klimaschutz nur ein Lippenbekenntnis.

Nachhaltigkeit: Die fünf wirksamsten Hebel

Ernährungsverhalten anpassen 

  • Weniger Fleisch und Milchprodukte 
  • Mehr pflanzenbasierte Alternativen 
  • Bio, regional und saisonal einkaufen 
  • Lebensmittelverschwendung vermeiden 

Mobilität neu denken 

  • Flugreisen reduzieren 
  • Öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing nutzen 
  • Kurzstrecken zu Fuß oder mit dem Rad 

Energie und Wasser sparen 

  • Effiziente Geräte (Energielabel beachten) 
  • Heiz- und Kühlverhalten optimieren 
  • Warmwasserverbrauch senken 

Bewusst konsumieren

  • Langlebige, reparierbare Produkte kaufen 
  • Verpackungsarme Produkte wählen 
  • Secondhand und Sharing-Modelle nutzen 

Mülltrennung richtig einordnen 

  • Recycling ist wichtig, aber Fokus auf Vermeidung und Wiederverwendung

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Das könnte auch interessant sein:

PFAS: Chemie im Speisefisch

PFAS: Chemie im Speisefisch

Da kann einem der Gusto vergehen: Laut einer Untersuchung sind Speisefische und Meeresfrüchte aus der Nord- und Ostsee stark mit PFAS belastet. Sie landen auch in Österreich auf dem Teller.

Fronius: Licht und Schatten bei Solarstrom-App

Fronius: Licht und Schatten bei Solarstrom-App

Wir haben uns die Handy-App Solar.web des oberösterreichischen Solarenergieunternehmens Fronius genauer angeschaut. Sind die dort dargestellten CO2-Einsparungen, die bei der Erzeugung von Sonnenstrom kommuniziert werden, seriös?

Wie grün ist Fernwärme?

Wie grün ist Fernwärme?

Wird in der Fernwärmebranche ehrlich kommuniziert? Wir haben den Greenwashing-Check gemacht.

Kommentieren

Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.

Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.

Anmelden

0 Kommentare

Keine Kommentare verfügbar.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang