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Spital: falschen Finger eingegipst - 350 Euro Schmerzensgeld

Fälle aus der Patientenanwaltschaft. - Diesmal: Ein Kind bricht sich im Turnunterricht den Finger. Im Spital wird aus Versehen der falsche Finger eingegipst.

Der Fall

Der elfjährige Thomas S. stürzt im Turnunterricht und fällt unglücklich auf die rechte Hand. Der kleine Finger und der Ringfinger schwellen an und werden blau. Thomas hat starke Schmerzen. Die verletzte Hand wird in der Unfallabteilung eines niederösterreichischen Krankenhauses untersucht. Da Verdacht auf einen Bruch besteht, wird auch eine Röntgenaufnahme veranlasst. Dabei bestätigt sich, dass der Ringfinger gebrochen ist.

Der Befund

Im Befund kommt es allerdings zu einer Verwechslung. Die untersuchende Ärztin vermerkt irrtümlich eine Fraktur des kleinen Fingers. Die Ambulanzschwester gipst diesen daraufhin wie angeordnet ein. Im Lauf der Woche klagt Thomas S. immer wieder über starke Schmerzen am Ringfinger. Die Eltern führen dies auf die Prellung und den Bluterguss zurück. Eine Woche nach dem Unfall wird der Gips im Krankenhaus entfernt. Die anschließende Routineuntersuchung erfolgt durch dieselbe Ärztin, die bereits am Unfalltag die Diagnose gestellt hatte. Danach ordnet sie an, dass der betroffene (kleine) Finger geschient werden solle. Doch es findet sich keine passende Schiene, alle sind zu lang. Die Ärztin erkennt daraufhin ihren Fehler. Sie korrigiert ihre Anweisung und lässt den (tatsächlich) gebrochenen Ringfinger schienen.

Die Rechtfertigung

Als die Mutter die Ärztin darauf anspricht, dass offenbar eine Woche lang der falsche Finger eingegipst worden ist, bessert diese die fehlerhafte Diagnose (kleiner Finger) auf dem Datenblatt kurzerhand per Hand auf „Ringfinger (Rifi)“ aus. Besonders empörend findet Thomas‘ Mutter, dass die Medizinerin keine Notwendigkeit für eine Entschuldigung sieht und den Vorfall mit den Worten kommentiert, damit müsse ein Bursch in seinem Alter leben.

Sie beschwert sich bei der Spitalsleitung, daraufhin wird die Ärztin vom Primar zu einer Stellungnahme aufgefordert. Sie gibt ihren Fehler zwar zu, bezweifelt allerdings, dass dem Patienten dadurch ein Schaden entstanden ist. In den Unterlagen, die die Mutter danach vom Spital ausgehändigt bekommt, ist nur mehr von einem gebrochenen Ringfinger die Rede. Ein Hinweis auf die ursprünglich falsche Diagnose (kleiner Finger) fehlt.

Intervention, Ergebnis, Fazit

Die Intervention

Die Familie wendet sich daraufhin an die zuständige niederösterreichische Patientenanwaltschaft. Für Patientenanwalt Gerald Bachinger liegt der Fall eindeutig: „Thomas hatte sich den Ringfinger gebrochen, eingegipst wurde aber der kleine Finger. In den vom Spital übermittelten Unterlagen wurde richtigerweise vom eingegipsten Ringfinger geschrieben, im Datenblatt der Eltern ist die ursprüngliche (falsche) Fassung noch ersichtlich. Erst beim Termin des geplanten Gipswechsels wurde das Missverständnis aufgedeckt. Thomas hatte somit eine Woche lang den falschen Finger eingegipst. Die Folge war, dass der eigentlich gebrochene Finger nicht ruhiggestellt war und entsprechend stark schmerzte.“

Da keine dauerhafte Schädigung beziehungsweise Bewegungseinschränkung vorliegt, plädiert der Patientenanwalt für die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (leichte bis mittelschwere Schmerzen) für drei Tage in Höhe von insgesamt 350 Euro.

Das Ergebnis

Die Forderung der Patientenanwaltschaft wurde vom Spital akzeptiert, die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses erklärte sich zur Zahlung des geforderten Schmerzensgeldes bereit.

Das Fazit

Verwechslungen wie im aufgezeigten Fall sind keine Seltenheit in unseren Spitälern. In der Vergangenheit wurden derartige Fehler allerdings häufig verschwiegen und unter den Teppich gekehrt. Dabei ist gerade der offene Umgang mit unerwünschten Ereignissen Grundvoraussetzung dafür, dass ein Management zur Fehlervermeidung aufgebaut und die Patientensicherheit erhöht werden kann. Betroffene Patienten beziehungsweise deren Angehörige sollten deshalb immer ein kritisches Auge auf die Vorgänge im Spital (aber auch in Ordinationen) werfen und Zwischenfälle melden. Der „Gipsfall“ zeigt auch, wie wichtig es ist, auf die Aushändigung schriftlicher Befunde und Untersuchungsergebnisse zu drängen und diese aufzuheben.

VKI-Kooperation mit der Patientenanwaltschaft

Immer wieder kommt es in Spitälern und Ordinationen zu Behandlungsfehlern. Jedes Jahr kosten medizinische Fehler rund 3.000 Menschen das Leben, Zehntausende Patienten erleiden gesundheitliche Schäden. Neben persönlichem Leid kann dies für die Betroffenen erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. In unserer Rubrik berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte konfrontiert werden.

 

NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft
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