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Functional Food - Gesunde Geschäfte

  • Versprochene Wirkungen kaum belegt
  • Viele Zusätze zu wenig erforscht
  • Geheimniskrämerei der Hersteller
  • Ausgewogen ernähren – ohne Wundernahrung

Jung, schlank, gesund und aktiv bis ins hohe Alter. Was Werbung und Medien propagieren, wird zum Wunschtraum für viele Menschen. Dazu gehört auch „richtige“ Ernährung. Lebensmittel sollen nicht nur satt machen und gut schmecken, sondern auch zu Gesundheit und Wohlbefinden beitragen: etwa die Darmflora aufbauen, das Immunsystem anregen, Herz und Kreislauf in Schwung bringen, Cholesterinwerte normalisieren und vieles mehr. Viele Defizite unseres Wohlstandslebens lassen sich angeblich mit dem richtigen Produkt kompensieren.

Zusatzstoffe in den Lebensmitteln

Die Industrie reagiert auf diese Bedürfnisse. Der Fachausdruck, den die Industrie dafür erfunden hat, lautet: funktionelle Lebensmittel (Functional Food, Functional Drinks). Meistens versteht man darunter solche, die mit besonderen Inhaltstoffen angereichert sind. Gesetzlich festgelegte Definitionen dafür gibt es aber weder in Österreich noch in anderen europäischen Ländern oder in den USA. Anders in Japan: Produkte, deren ernährungsphysiologischer Zusatznutzen in einem Zulassungsverfahren nachgewiesen wurde, sind mit einem eigenen Label („Foods for Specified Health Use“, kurz FOSHU) versehen.

In verschiedensten Variationen

Die ersten Vertreter des „Functional Food“ waren probiotische Jogurts (siehe weitere Artikel: „Joghurt“ [Konsument 1/00] und 8/98). Mittlerweile können unzählige angeblich gesundheitsfördernde Zusätze in allen möglichen Lebensmitteln enthalten sein, ob in Jogurt oder Erfrischungsgetränk, Müsliriegel oder Wurst. Der Erfindungsreichtum kennt keine Grenzen. Doch nicht alles, was in den Labors kreiert wird, trifft auch den Käufergeschmack, und der Markt verzeichnet bereits den ersten prominenten Flop: Aviva von Novartis (mit Zusatznutzen, „Linie Verdauung“, „Cholesterin“ oder „Knochen“) blieb wegen seiner sprichwörtlichen Apothekerpreise wie Blei im Lebensmittelregal liegen.

Der Apfel hat kein „Gesund“-Pickerl

Die wichtigsten neuen Zusätze sind: probiotische Bakterien, prebiotische und lösliche Ballaststoffe, Omega-3-Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe. Doch vieles, was in der Fabrik synthetisch erzeugt wird, schenkt uns die Natur ohnehin. Wer viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte isst, versorgt sich nicht nur mit Nährstoffen, sondern nimmt auch eine Vielzahl sekundärer Pflanzenstoffe zu sich. Diese wiederum können der Entstehung bestimmter Krankheiten vorbeugen. Da braucht es kein Müsli mit Zusatznutzen. Doch Obst und Gemüse tragen kein Etikett, auf dem etwa mit der Stärkung des Immunsystems geworben wird.

Fragwürdiger Zusatznutzen

Lohnt es sich, angereicherte Produkte zu kaufen? Teurer als herkömmliche Lebensmittel sind sie allemal. Und was den Zusatznutzen anbelangt, sind die Werbeversprechen nicht immer wissenschaftlich belegt. Außerdem sind die Produktangaben oft zu wenig detailliert. Selbst wenn die Wirkstoffe besser erforscht wären, könnten Fachleute ob der verbreiteten Geheimhaltungstaktik nicht beurteilen, ob die versprochene Wirkung möglich ist. Auch auf Anfrage gaben sich etliche Hersteller zugeknöpft. Wirkungen werden zwar behauptet, doch überprüfbar ist dies nicht: Allgemein zugängliche Untersuchungsergebnisse mit konkreten Produkten fehlen großteils. Die langfristigen Auswirkungen von funktionellen Zusätzen sind weitgehend unerforscht. Ebenso, wie sich die neuen Zusätze aus der Retorte im Vergleich zu ihren natürlichen Pendants aus der Nahrung verhalten.
Auch hat die Anreicherung nicht immer Sinn, etwa bei Müsliriegeln mit viel Zucker und Fett. An diesem Zuviel ändern auch die zugesetzten Prebiotika nichts. Und ausgerechnet die Aviva-Kekse zur Senkung des Cholesterinspiegels enthalten viel Fett.

Geteilte Meinung

Unter Ernährungswissenschaftern ist die Meinung über Functional Food geteilt: Manche sehen grundsätzlich eine Chance für neue, bessere Lebensmittel und für die Vorbeugung von Krankheiten, andere noch reichlich Forschungsbedarf und Risiken.

Zu viel,zu fett, zu süß

Eines ist unumstritten: Angereicherte Produkte sind kein Ersatz für ausgewogene Ernährung. Die meisten von uns essen zu viel, zu fett, zu süß. Hier gilt es in erster Linie anzusetzen. Mit einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten – mehr Vollkornprodukte, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, fettarme Milchprodukte und insgesamt weniger Fett – ist der wichtigste Schritt getan. In Einzelfällen kann ein funktionelles Lebensmittel durchaus seinen Sinn haben. Bevor Sie aber „der Gesundheit wegen“ zu angereicherten Produkten greifen, sollten Sie sich fachkundig beraten lassen – wo, entnehmen Sie bitte „Mehr zum Thema“.

Aus der Werbung

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Functional Food
Functional Food Fidus bioaktiv-Jogurts von Desserta sind mit einem prebiotischen Zusatz (Inulin) angereicherte probiotische Jogurts. Der Gehalt an Inulin ist angegeben, doch der Stamm probiotischer Bifiduskulturen fehlt, seine Beurteilung ist daher nicht möglich. Bei den Sorten Rote Früchte und Johannisbeere wird mit Flavonoiden (sekundären Pflanzenstoffen) geworben. Wie viel davon aus den Früchten oder aus dem Extrakt stammt, gaben die Hersteller nicht bekannt. Über den Bedarf an Flavonoiden weiß man derzeit noch wenig, Aufnahmeempfehlungen gibt es nicht. Anders bei den Carotinoiden; eines davon ist Betacarotin, die Vorstufe von Vitamin A (Sorten Marille und Ananas). Ein Becher liefert fast den ganzen Tagesbedarf. Werden zusätzlich angereicherte Produkte verzehrt – viele enthalten ebenfalls hohe Mengen an Betacarotin – besteht die Gefahr einer Überdosis. |
Functional Food
Functional Food NÖM Balance-Jogurtdrinks. Fettarme, probiotische Jogurtdrinks mit verschieden Frucht- und Kräuterzusätzen, Zucker, teilweise mit Vitaminen angereichert. Eine Beurteilung der gesundheitsbezogenen Aussagen ist nicht möglich, da die Hersteller in einem schon fast kabaretthaften Hin und Her keine Auskunft über die zugesetzten Mengen gaben (Näheres dazu siehe weitere Artikel: „Ethisch konsumieren“ [Konsument 6/01]). |
Functional Food
Functional Food Milk Fit + Alpha-8-Komplex-Getränk von Kärntner Milch. „Alpha-8-Komplex“ steht hier für die Anreicherung mit einem prebiotischen Zusatz (Inulin), Kalzium, Zink und Vitaminen (A, D, E, C, Folsäure) in fettarmer Milch, Sauermilch und Molkegetränken. Die Vitamin- und Mineralstoffkombination des Alpha-8-Komplexes ist nicht unsinnig, bei ausgewogener Ernährung aber überflüssig. Die Menge an Folsäure ist relativ gering; die Wirkung von Anreicherungen mit Vitamin A, C und E auf Herz- und Kreislauferkrankungen fraglich. |
Functional Food
Functional Food Drink Vit Snack-Vit von Pago. Ein prebiotisches Mehrfrucht-Karotten-Ballaststoffgetränk. Der Gehalt an prebiotischen Ballaststoffen ist nicht angegeben. Aus der Menge an Gesamtballaststoffen lässt sich schließen, dass mit einer prebiotischen Wirkung nicht zu rechnen ist. Fazit: ein energiearmes Getränk mit Süßstoffen. |
Functional Food
Functional Food Prebiotische Müsli- und Ballaststoffriegel oder Müslis. Die Menge prebiotischer Ballaststoffe ist auf vielen Packungen nicht angegeben. Ob eine prebiotische Wirkung möglich ist, kann daher nicht beurteilt werden. Vor zu viel sollte man sich jedoch hüten – es drohen Verdauungsbeschwerden. Wovon in Riegeln in der Regel viel vorhanden ist, ist Zucker, teilweise auch Fett. Auch einige Müslis enthalten viel Zucker. |
Functional Food
Functional Food Yin & Yang Gebäck. Obwohl ein hoher Gehalt an Vitamin B und E angepriesen wird, ist enttäuschend wenig enthalten. Der prebiotische Zusatz (Inulin) ist ebenfalls sehr sparsam ausgefallen. Ein gesundheitlicher Nutzen durch Ginseng ist sehr unwahrscheinlich. |
Functional Food
Functional Food Spar Frucht plus-Getränk „für Cholesterinbewusste“. Mehrfruchtgetränk mit Grüntee-Extrakt, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E. Der Anteil an Fruchtsaft ist relativ gering, jener an Omega-3-Fettsäuren vernachlässigbar. Ob isoliert zugesetztes Vitamin E zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen kann, ist nicht geklärt. |
Functional Food
Functional Food YO Vital-Säfte von Ybbstaler. Geworben wird unter anderem mit „bioaktiven Wirkstoffen“ (sekundären Pflanzenstoffen) und wertvollen Vitaminen. Kombination und Menge der zugesetzten Vitamine sind zwar sinnvoller als in etlichen anderen angereicherten Produkten, doch bei ausgewogener Ernährung überflüssig. Naturtrübe Apfelsäfte, Johannisbeer- oder Traubensäfte bieten von Haus aus reichlich bioaktive Wirkstoffe. Fazit: energiearme Fruchtsaftgetränke mit Süßstoff. |
Functional Food
Functional Food Vöslauer Balance- und Römerquelle emotion-Getränke. In Vöslauer Balance sollen Extrakte von Ringelblume, Melisse, Löwenzahn und Lindenblüten für Wohlbefinden sorgen. Wie viel davon zugesetzt ist, wurde uns nicht bekannt gegeben, eine Beurteilung ist daher nicht möglich. Römerquelle emotion Guarana ist leicht koffein- und zuckerhältig. Letzteres gilt ebenso für die Sorte Apfelessig/Hollunder und für Vöslauer Balance. Unverfroren werden diese zuckerhältigen Getränke im Regal für Mineralwasser platziert. Und dass Apfelessig schlanker macht, ist nicht zu erwarten. |
Functional Food
Functional Food Becel pro-activ Diät-Halbfettmargarine mit Pflanzensterinen von Kuner (Unilever). Das Besondere ist der hohe Anteil an Pflanzensterinen (sekundären Pflanzenstoffen), die zur Senkung eines erhöhten Cholesterinspiegels beitragen können. Durch die EU ist das Produkt als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Es wurde einer umfangreichen Sicherheitsbeurteilung unterzogen. In Österreich als diätetisches Lebensmittel zugelassen. |
Functional Food
Functional Food
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Functional Food
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Functional Food
Functional Food

Herkömmlich

öS

Neu“

öS

Milch pro Liter

9,10

Milk Fit frische Milch

mit Alpha-8-Komplex

18,50

Müsliriegel pro 100 Gramm

13,10

Gittis Activa

19,20

Vöslauer Mineralwasser je Liter

4,70

Vöslauer Balance

18,10

Es wurden Durchschnittspreise errechnet. Erhoben wurde in elf Geschäften.

Die wichtigsten neuen Zusätze und ihre möglichen Wirkungen.

Probiotika:
eingeschränkte Wirkung

Geworben wird vor allem mit dem günstigen Einfluss auf Darmflora und Immunsystem. Ob man deshalb seltener erkrankt, ist unbekannt. Gerne werden die spärlichen Forschungsergebnisse ungerechtfertigt ausgedehnt, doch sie beziehen sich stets auf einen bestimmten Bakterienstamm.

Prebiotika:
zu viel tut nicht gut

Prebiotische Ballaststoffe können das Wachstum von Bifidobakterien und wahrscheinlich auch jenes von Milchsäurebakterien im Dickdarm fördern. Ob dies Krankheitsrisiken reduziert, ist nicht belegt. Prebiotische Ballaststoffe sind von Natur aus in Topinambur, Sojabohnen, Zichorie, Porree, Spargel, Zwiebeln u.a. enthalten. Zugesetzt werden meist Oligofruktose oder Inulin. Ein großes Problem ist, dass die enthaltene Menge auf vielen Produkten nicht angegeben wird. Bei hoher Dosis drohen Völlegefühl, Blähungen und Durchfall. Ab welcher Menge Beschwerden auftreten, ist individuell unterschiedlich.

Synbiotische Produkte enthalten Pro- und Prebiotika. Ob sich deren Wirkung durch Kombination verstärken lässt, ist noch nicht untersucht.

Lösliche Ballaststoffe:
vielleicht sinnvoll

Lösliche Ballaststoffe können den Cholesterinspiegel senken. Zugesetzt werden vor allem beta-Glucane aus Haferballaststoffen und Pektin aus Obstschalen. Mit löslichen Ballaststoffen angereicherte Lebensmittel haben möglicherweise einen gesundheitlichen Zusatznutzen – doch wissenschaftlich fundierte Mengenempfehlungen gibt es bislang nicht. Solche Produkte können als Freibrief für ungehemmtes Schlemmen missverstanden werden. Bei überhöhtem Cholesterinspiegel unbedingt weniger Fett essen und mehr Bewegung machen!

Omega-3-Fettsäuren:
wenig sinnvoll

Diese Gruppe von mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann der Organismus nur teilweise selbst bilden, obwohl er sie benötigt. Sie können eine Reihe von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Enthalten sind sie vor allem in Seefisch, aber auch in Nüssen, Leinsamen, Walnuss-, Raps- und Sojaöl. Leinöl hat besonders viel davon. Die wenigen angereicherten Produkte enthalten Fettsäuren aus dem Seefisch, aber zu wenig. Daher ist dieser Zusatz nicht sinnvoll. Zudem kann der Bedarf an diesen speziellen Fettsäuren durch täglich ein bis zwei Esslöffel von einem der genannten Pflanzenöle sowie zweimal wöchentlich Seefisch leicht gedeckt werden. Vorsicht: Angereicherte Produkte enthalten mehr Fett!

Sekundäre Pflanzenstoffe:
reichlich Forschungsbedarf

Nachweislich können sekundäre Pflanzenstoffe bestimmten Krankheiten (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) vorbeugen. Genaueres ist wenig erforscht, zurzeit kennt man rund 30.000. Ungeklärt ist zum einen, ob die Wirkstoffe isoliert als Zusatz genauso wirken wie in ihrem natürlichen Umfeld. Zum andern fehlt für viele dieser Stoffe jegliches Wissen über das Wieviel. Halten Sie sich deshalb lieber an eine gemüse- und obstreiche Ernährung; Faustregel: dreimal täglich, die Hälfte davon roh, je eine Hand voll Gemüse, zweimal täglich je eine Hand voll Obst. Nützen Sie die Vielfalt! Phytosterine gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe, die den Cholesterinspiegel senken können. Das ist übrigens gut belegt.

Kräuterzusätze:
Belege fehlen

Zurzeit schießen Produkte mit Kräuterzusätzen wie die Schwammerln aus dem Boden: Extrakte aus Guarana, Melisse, Löwenzahn, Ginseng & Co sollen „Vitalität“, „Wellness" und „Wohlbefinden“ steigern, locken also indirekt mit Gesundheit. Belege über die Wirkung solcher Produkte liegen bislang ebenfalls nicht vor.

Kein Ersatz für ausgewogene Ernährung.

Die meisten von uns essen zu viel, zu fett und zu süß. Ernährungssünden können durch angereicherte Lebensmittel nicht wettgemacht werden.

Wenig ist bewiesen.

Die Wissenschaft ist noch nicht so weit, wie man aufgrund etlicher Werbeaussagen glauben könnte. Das Tempo der Forschung hält leider nicht mit dem Tempo der Marketingabteilungen mit. Untersuchungen an den Endprodukten fehlen weitgehend.

Beratung ist wichtig.

Ob ein angereichertes Produkt im Einzelfall sinnvoll sein könnte, sollte im Rahmen einer wissenschaftlich fundierten Ernährungsberatung abgeklärt werden.

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