Ärzte müssen ihre Patienten immer über die Gefahren einer Behandlung aufklären. Das gilt auch, wenn es sich um sehr seltene Risiken handelt.
Der Fall
Die 87-jährige Frau W. stürzt zu Hause und muss im Krankenhaus operiert werden. Sie bekommt dort neben ihren üblichen Medikamenten auch noch Schmerzund Schlafmittel. Als sie einige Tage nach der Operation ins Badezimmer gehen will, wird ihr schwindlig. Sie stürzt und bricht sich die Hüfte.
Im Nachhinein wird klar, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Medikamente schuld an den Kreislaufproblemen waren. Über dieses Risiko wurde die Patientin jedoch nicht aufgeklärt. Das Krankenhaus hatte auch keine entsprechenden Schutzvorkehrungen getroffen.
Intervention
Die Patientin wendet sich an die Tiroler Patientenvertretung. Diese konfrontiert die Krankenanstalt mit dem Vorwurf einer mangelhaften Aufklärung über mögliche unerwünschte Wirkungen der verabreichten Medikamente. Als erste Reaktion teilt der Spitalsträger mit, dass die Aufklärung der Patientin über mögliche „Nebenwirkungen“ dann entfallen könne, wenn diese nur in äußerst seltenen Fällen aufträten und für den Entschluss der Patientin zur Einwilligung in die Behandlung nicht ernsthaft ins Gewicht fielen. Der Sturz der Patientin sei zwar bedauerlich, doch könne das Geschehene nicht der Krankenanstalt angelastet werden.
Ergebnis
Nach einem länger andauernden Schriftverkehr zwischen dem Spitalsträger und der Patientenanwaltschaft erklärt sich der Spitalsträger gegenüber der Patientin schlussendlich zu einer Entschädigungszahlung im vierstelligen Bereich bereit.
Fazit
Die Aufklärungspflicht der Ärzte gilt nicht nur bei Operationen, sondern auch bei einer medikamentösen Heilbehandlung. Der Umfang der ärztlichen Aufklärung hat sich dabei an den Umständen des jeweiligen Einzelfalles sowie an den Besonderheiten des Krankheitsbildes zu orientieren. Es muss zwar nicht auf alle erdenklichen Folgen der Behandlung hingewiesen werden, eine Aufklärung über die „typischen Gefahren“ einer Behandlung – auch wenn sie nur sehr selten auftreten – ist allerdings verpflichtend.