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VW-Sammelaktion: noch immer keine Entschädigung - Interview mit Ulrike Wolf

Interview: Am 25. September 2015 startete der VKI eine der größten Sammelaktionen seiner Geschichte. Anlass war die Abgasmanipulation bei Dieselmodellen des VW-Konzerns. Mehr als ein Jahr später zeichnet sich in Europa noch immer keine Entschädigung für geprellte VW-Kunden ab.

Ulrike Wolf (Bild: U. Romstorfer/VKI)
Mag. Ulrike Wolf
Leiterin Abteilung Sammel-
Aktionen beim VKI

Der VW-Konzern lässt jegliche Kooperationsbereitschaft vermissen und ist nicht einmal zu Gesprächen bereit. Die Leiterin der Abteilung Sammelaktionen beim VKI, Ulrike Wolf, nimmt dazu Stellung.

KONSUMENT: Wie ist der aktuelle Stand der VKI-Sammelaktion in Sachen VW-Diesel­gate?
Wolf:
Wir haben derzeit rund 26.500 vollständig ausgefüllte Anmeldungen für unsere kostenlose Sammelaktion. Weitere etwa 70.000 betroffene Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter von VW-, Audi-, Skoda- und Seat-Modellen haben ihr Interesse an einer Teilnahme deponiert. Die Anmeldung ist nach wie vor möglich. Je mehr Teilnehmer wir haben, desto größer wird der Druck auf VW.


KONSUMENT: Die Sammelaktion läuft über eine niederländische Stiftung. Warum?
Wolf: Der VKI-Vertrauensanwalt Eric Breiteneder hat im Oktober 2015 die gemeinnützige Stiftung „Volkswagen Car Claim“ gegründet. Der VKI tritt als Unterstützer auf und ist durch mich im Aufsichtsrat vertreten. Dass wir in die Niederlande gehen mussten, hat damit zu tun, dass es in Österreich wie auch in anderen EU-Ländern keine geeigneten Rechtsdurchsetzungsinstrumente in Form einer Gruppenklage gibt, mit denen man derartige Massenschäden gebündelt und unkompliziert abwickeln kann. Alle Informationen finden sich auf VKI-Rechtsabteilung: Konsumentenrecht in Österreich Der Weg für die vom VKI entwickelte Sammelklage österreichischer Prägung ist uns verbaut, da VW den Sitz in Deutschland hat. Die Teil­nahme an der Aktion ist kostenlos und unverbindlich.


Lesen Sie auch auf vki.at die Chronologie: VW-Abgasskandal.

Vergleich als Ziel

KONSUMENT: Was ist das Ziel?
Wolf:
Unser Ziel ist es nach wie vor, über die hollän­dische Stiftung einen Vergleich mit VW abzuschließen. Falls es zu einem Vergleich käme, wäre dieser für ganz Europa gültig. Individuelle gerichtliche Auseinandersetzungen würden sich über Jahre hinziehen und sind für die Kunden nicht unbedingt zielführend, da sie ewig auf Entschädigung warten müssten. Ganz abgesehen davon, dass sie auch noch das Prozesskostenrisiko tragen. Aber auch der VW-Konzern sollte sich überlegen, zu kooperieren, weil er sonst auf absehbare Zeit nicht mehr aus den nicht gerade werbewirksamen Schlagzeilen kommt.


KONSUMENT: Aber VW zeigt sich alles andere als kooperativ.
Wolf:
VW weigert sich überhaupt, auch nur mit uns zu sprechen. Alle unsere Gesprächs- und Verhandlungsangebote wurden ausgeschlagen. Im Übrigen ganz im Gegensatz zu den meisten österreichischen VW-Vertragshändlern. Mit dem Rechtsvertreter der Händler haben wir zumindest einen Verjährungsverzicht ausgehandelt, der bis zum 31.12.2017 gilt. Die Liste dieser Händler findet man auf VKI-Rechtsabteilung: Konsumentenrecht in Österreich Eingeschlossen sind alle etwaigen Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 eingebauten Schummelsoftware bestehen. Erfasst sind auch bereits verjährte Ansprüche. Der VW-Konzern selbst hat hingegen nur eine unzureichende und irreführende Verzichtserklärung abgegeben.


KONSUMENT: Der VKI hat aufgrund der Verweigerungshaltung von VW weitere juristische Schritte unternehmen müssen?
Wolf:
Das ist richtig. Wir haben bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Anzeige gegen VW eingebracht, der sich bereits rund 4.000 Personen privat angeschlossen haben. Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz eröffnet uns diese Möglichkeit. Danach kann ein Unternehmen direkt strafrechtlich verfolgt werden, wenn leitende Angestellte strafbare Handlungen begehen. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Möglichkeit, zu klären, ob es zu einer Überschreitung der Abgaswerte käme, wenn die Schummelsoftware nicht eingebaut wäre. Für die Teilnahme als Privatbeteiligter verlangen wir einen Organisationsbeitrag von 90 Euro, ein weiteres Kostenrisiko besteht nicht.
 

Entschädigungen in den USA

KONSUMENT: Und worin liegt der Vorteil für die Privatbeteiligten, also die Autobesitzer?
Wolf:
Die Privatbeteiligten profitieren gleich in mehrerlei Hinsicht. Es tritt eine Verjährungshemmung von Schadenersatzforderungen ein, sie bekommen Akteneinsicht und erhalten ein Antragsrecht (zum Beispiel für Gutachten). Und falls es zu einer Verurteilung kommt, können zivilrechtliche Ansprüche mit entschieden werden. Das alles dürfte VW wehtun.


KONSUMENT: In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft ja bereits ebenfalls gegen VW.
Wolf:
Richtig. Wir haben bereits einen deutschen Anwalt eingeschaltet, um bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig Akteneinsicht zu bekommen. Daraus erwarten wir uns wertvolle Hinweise zu den VW-Tricksereien. Laut Auskunft der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien hat diese übrigens die strafrechtliche Ermittlungsarbeit der deutschen Behörde übertragen, da dort bereits viele Beweise gesammelt wurden. Nichtsdestotrotz bleibt der dringende Tatverdacht in Österreich aufrecht. Die bei uns angemeldeten Ansprüche bleiben bestehen und werden im Rahmen unserer Aktion weiterverfolgt. Selbstverständlich kann man auch jetzt noch daran teilnehmen.


KONSUMENT: In den USA gibt sich VW den Behörden wie auch den Kunden gegenüber sehr entgegenkommend. Fahrzeughalter erhalten eine Entschädigungssumme von 5.000 US-Dollar. Warum dort und nicht in Europa?
Wolf:
Es ist wirklich eine unerträgliche Situation und für die Ungleichbehandlung gibt es keine Rechtfertigung. In den USA gibt es das scharfe Schwert der Sammelklage. VW hat Angst, unter die Räder zu kommen, und erklärt sich dort schuldig. In der EU haben wir bis heute keine Rechtsdurchsetzungsinstrumente für Massenschäden. In Österreich wurde die Einführung der Sammelklage von der Politik schon vor Jahren angekündigt, getan hat sich bis heute nichts.


KONUMENT: Die Strategie von VW in Europa scheint neuerdings sogar darin zu bestehen, die Manipulationsvorwürfe überhaupt abzustreiten. Es heißt, dass man den Schadstoffausstoß gar nicht manipuliert habe und die Schummelsoftware nach europäischem Recht nicht unzulässig sei.
Wolf:
Das ist eine Frechheit, was VW macht. Die Beweise sind erdrückend. Es gibt einen Untersuchungsbericht des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), in dem die Manipulation festgehalten ist. Darin steht klipp und klar, dass die verwendete Software eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der zwingenden EU-Vorgaben darstellt. Das österreichische Verkehrsministerium hat festgestellt, dass die besagten Fahrzeuge ohne die Schummelsoftware gar keine Betriebserlaubnis bekommen hätten, weil der Schadstoffausstoß viel zu hoch ist. Wenn VW jetzt sagt, es sei eh alles in Ordnung, muss man sich fragen, warum die Software dann überhaupt eingebaut wurde und die Autos jetzt alle umgerüstet werden müssen. Wozu der ganze Aufwand?
 

Unzulässige Abschaltvorrichtung

KONSUMENT: Die unzulässige Manipulation wurde ja nicht nur in den USA gerichtlich fest­gestellt, auch in Europa liegen bereits entsprechende Gerichtsurteile vor.
Wolf:
Das Landgericht München hat im Urteil vom 14.4.2016 festgestellt, dass die Angaben von VW zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig waren, weil jedenfalls der Stickoxidausstoß höher ist, als bei Vertragsabschluss vereinbart war. Das Landesgericht Linz gab dem Besitzer eines VW-Touran-TDI-Modelles recht. Im Urteil vom 13.6.2016 kommt die Richterin zu dem Schluss, dass das Fahrzeug eine unzulässige Abschaltvorrichtung enthält, über die der Kunde nicht aufgeklärt wurde. Somit liege ein Irrtum durch Unterlassen vor. Der Kunde habe demgemäß Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises abzüglich des Gebrauchsnutzens. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.


KONSUMENT: Der Schaden für die Verbraucher ist also bereits eingetreten?
Wolf:
Definitiv! Der führende Internetvergleichsdienst Vergleichsportal Comparis hat Ende August dieses Jahres Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass die Online-Preise von gebrauchten Dieselautos aus dem VW-Konzern deutlich stärker gesunken sind als die Preise von Dieselfahrzeugen anderer Hersteller. Comparis schätzt den Wertverlust der Modelle aus dem VW-Konzern durchschnittlich auf gut 25 Prozent. Bei der Konkurrenz waren es demnach im Schnitt bloß 4 Prozent. Die Zahlen sind gut abgesichert. Sie basieren auf einer Analyse von 22.000 Inseraten der acht größten Online-Auto-Plattformen. Der Markt scheint das Vertrauen in die betroffenen Modelle verloren zu haben, was zum Preisverfall führt. Da sich der Schaden beim Autoverkauf realisiert, ist VW also zum Schadenersatz verpflichtet.


KONSUMENT: Aber VW hat doch eine große Rückrufaktion gestartet. Dabei sollen die manipulierten Dieselautos umgerüstet werden. VW behauptet, dass daraus keine nachteiligen Veränderungen von Verbrauchswert, Leistungsdaten oder Geräuschemissionen entstehen.
Wolf:
Dem scheint leider nicht so zu sein. Abgesehen davon, dass die Rückrufaktion sehr schleppend verläuft, verweigert VW ja bislang sogar eine Garantieerklärung für die Umrüstung beziehungsweise das Softwareupdate.

 

KONSUMENT: Gibt es denn Hinweise, die darauf schließen lassen, dass es durch die Umrüstung zu Beeinträchtigungen kommt?
Wolf:
Die gibt es in der Tat. Uns liegen bereits mehrere Reklamationen und Beschwerden von VW-Diesel-Besitzern vor. Ein Betroffener berichtete uns, dass es bei der Beschleunigung im Bereich von 1900 bis 2100 Umdrehungen pro Minute zu einem merkbaren Leistungsabfall gekommen sei. Mehrere andere Dieselbesitzer verzeichnen einen Mehrverbrauch. Uns liegen auch Beschwerden über Klopfgeräusche beziehungsweise lautere Motorgeräusche, besonders im niedertourigen Bereich, vor.
 

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