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SAMMELAKTION: Zahlscheinentgelt - VKI fordert "Körberlgeld" zurück!

Mit dem Urteil zum Zahlscheinentgelt zog der Oberste Gerichtshof einen Schlussstrich unter einen jahrelang vom VKI geführten Rechtsstreit. Konsumenten können sich nun an einer Sammelaktion zur Rückforderung der von Unternehmen unrechtmäßig kassierten Entgelte beteiligen.

Die Praxis war beliebt: Konsumenten, die ­ihre Rechnungen anstatt per Einzugsermäch­tigung oder Lastschrift lieber per Zahlschein begleichen wollten, wurden dafür mit einer Gebühr bestraft. Zwischen zwei und fünf ­Euro betrug in der Regel das "Körberlgeld", das von Firmen ­verschiedenster Branchen jahrelang ver­botenerweise einkassiert wurde. Damit ist nun Schluss, der Oberste Gerichtshof (OGH) hat das Zahlscheinentgelt (im Volksmund Zahlscheingebühr genannt) endgültig für unrechtmäßig erklärt.

Klage gegen T-Mobile

Das Verbot, bestimmte Zahlungsinstrumente mit besonderen Entgelten zu belegen, gilt in Österreich eigentlich bereits seit Inkrafttreten des Zahlungsdienstegesetzes (ZaDiG) am 1.11.2009. Bereits im Jahr 2010 hatte der VKI im Auftrag des Sozialministeriums gegen T-Mobile geklagt und zunächst vor dem ­Handelsgericht Wien und dann vor dem Oberlandesgericht Wien recht bekommen. Die Revision von T-Mobile gegen dieses ­Urteil wurde nun vom Obersten Gerichtshof (OGH) zurückgewiesen.

Zahlscheingebühr unrechtmäßig

Der OGH verurteilte die Firma zur Unterlassung entsprechender Klauseln in den Allgemeinen Geschäfts­bedingungen (AGB). Die Unrechtmäßigkeit der Zahlscheingebühr ist somit amtlich und sie gilt – kraft Gesetzes – nicht nur für T-Mobile, sondern für alle Unternehmen wie etwa Versicherungen. Letztere haben häufig Zahlscheinentgelte verlangt und sich dabei auf eine rechtliche Spezialsituation berufen. Der OGH hat diese Frage ebenfalls mitentschieden und die Gültigkeit des ZaDiG auch für derartige Fälle bestätigt.

VKI-Sammelaktion: Zahlscheinentgelte rückfordern

Damit ist der Weg frei für eine vom VKI ini­tiierte Sammelaktion zur Rückforderung von nach dem 1.11.2009 unrechtmäßig einge­forderten Zahlungsentgelten. Beteiligen können sich allerdings nur Privatpersonen. "Für betroffene Firmen ist die Wirtschaftskammer zuständig", stellt der Leiter des ­Bereiches Recht im VKI, Dr. Peter Kolba, klar. Der Rücklauf ist rege. Bis Redaktionsschluss haben deutlich über 2.000 Personen an der Aktion teilgenommen.

Der VKI wird bei den be­troffenen Firmen auf Erfüllung drängen. ­Unter den "Zahlscheingebühr-Sündern" ­machen Telekommunikationsunternehmen und Versicherungen den Löwenanteil aus. Darüber hinaus kassierten vor allem Banken, Energieversorger, Hausverwaltungen, der Versandhandel und Zeitschriftenverlage.


VKI-Sammelaktion: Rückforderung von Zahlscheinentgelten

 

Einige Firmen kassieren weiter

Typischer Streuschaden

Auch wenn die Einzelbeträge nicht sehr hoch sind, kann das über die Jahre eine nicht ­unbeträchtliche Summe ergeben. "Alleine beim Mobilfunkbetreiber kann die Rück­forderung über die Jahre rund 150 Euro ausmachen; erfasst man aber alle Verträge, ­können Beträge von einigen Hundert Euro zusammenkommen", erläutert Peter Kolba. Beim Zahlscheinentgelt handle es sich um einen typischen Streuschaden.

"Von Millionen Kunden wurden kleine Beträge kassiert. Viele werden den persönlichen Aufwand scheuen, diese Beträge zurückzufordern. ­Damit kalkulieren auch die betroffenen ­Unternehmen und behalten den Unrecht­gewinn. Mit unserer Aktion wollen wir das verhindern", sagt Kolba.

Betrag abziehen

Wie wir aus den Rückmeldungen unserer ­Leserinnen und Leser wissen, haben einige Firmen das Kassieren der Zahlscheingebühr von sich aus beendet. Andere gaben nach entsprechenden Reklamationen von Kunden klein bei. Einige Unternehmen zeigen sich jedoch trotz des OGH-Urteils uneinsichtig und kassieren weiter.

In diesen Fällen sollten betroffene Konsumenten, die Firmen ein­malig per Einschreiben (mit Kopie an den VKI) darauf aufmerksam machen, dass die Zahlscheingebühr gemäß OGH-Urteil unzulässig ist, und die Zahlung der Gebühr ab­lehnen. Der Rechnungsbetrag abzüglich der Zahlscheingebühr muss jedoch fristgerecht eingezahlt werden.

Die vielen Namen des Zahlscheinentgeltes

Die Firmen haben bei der Umschreibung des Begriffes Zahlscheinentgelt viel Kreativität walten lassen, deshalb ist nicht immer sofort ersichtlich, ob ein Zahlscheinentgelt im Spiel ist oder nicht.

Konsumenten sollten deshalb alle nach dem 1.11.2009 bezahlten Rechnungen überprüfen. Bei folgenden Begriffen handelt es sich um Zahlscheinentgelte: 

  • Aufwandersatz
  • Entgelte auf Verrechnungskonto
  • Bearbeitungsgebühr für Zahlscheinzahlung
  • Entgelt für Bearbeitung Ihrer Zahlung
  • Mehrkosten für Zustellung der Rechnung
  • Aufwand/Entgelt/Gebühr für die Zusendung vorausgefüllter Zahlscheine
  • Verrechnung von Kosten für die Zusendung von Zahlscheinen
  • Mehrkostenersatz für die Zustellung der Prämienvorschreibung
  • Abgeltung der entstehenden Mehraufwendungen aus der gewählten Zahlungsweise sowie sonstiger Nebenleistungen
  • Einhebungsgebühr
  • Erlagscheinspesen
  • Bearbeitungsgebühr
  • Kosten für die Erstellung eines Erlagscheines

VKI-Sammelaktion

Wenn Sie nach dem 1.11.2009 Zahlscheinentgelte entrichtet haben, können Sie diese von den Unternehmen zurückfordern.

Der VKI bietet dazu auf www.verbraucherrecht.at entsprechende Formulare an. Sie müssen sich anmelden und können dann die erforderlichen Daten eintragen.

Für eine korrekte Abwicklung benötigen wir alle Angaben zu den jeweiligen Verträgen (Telefonnummer, Polizzennummer, Vertragsnummer usw.). Damit eine Rücküberweisung möglich ist, geben Sie bitte Ihre Kontodaten an. Diese werden, ebenso wie die sonstigen Daten, über eine verschlüsselte Verbindung an die Firmen weitergeleitet.

Der VKI wird danach die Ansprüche geltend machen und bei den betroffenen Unternehmen auf Erfüllung drängen. Wir werden regel­mäßig berichten, wie sich die Unternehmen verhalten – wer zahlt und wer sich weiterhin weigert, zu zahlen. Deshalb sind wir auch an Rückmeldungen dazu interessiert, welche Firmen weiterhin am Zahlscheinentgelt festhalten. Die Aktion ist vorerst mit 31.10.2014 befristet und für alle Teilnehmer kostenlos.

Interview: Dr. Peter Kolba - Leiter des Bereiches Recht im VKI

Der Leiter des Bereiches Recht im VKI, Dr. Peter Kolba, zum Thema Zahlscheinentgelt und OGH-Urteil

Dr. Peter Kolba 
  Dr. Peter Kolba

Warum ist das Verbot des Zahlscheinentgeltes wichtig für den Wettbewerb?

Das Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) geht zurück auf eine EU-Richtlinie. Diese lässt Verbote von besonderen Entgelten für bestimmte Zahlungsmittel zu. Österreich hat dieses Verbot klar in das Gesetz geschrieben. Die Regelung bietet Firmen aber sehr wohl die Möglichkeit, Rabatte für bestimmte Zahlungssysteme zu gewähren.

Das macht auch Sinn, wenn man den Wettbewerb fördern möchte. Die höheren Kosten, die möglicherweise entstehen, wenn ein Kunde mit Zahlschein bezahlt, müssen dann nämlich in den Grundpreis einkalkuliert werden. Dieser Preis steht dann mit den Preisen anderer Marktteilnehmer im Wettbewerb. Die Kosten in Zusatzentgelten zu verstecken ist dagegen intransparent.

Was steckt hinter dem Versuch, die Verbraucher davon abzuhalten, ihre Rechnungen per Zahlschein zu überweisen?

Die Unternehmen versuchen den Verbraucher mit allen Mitteln dazu zu bringen, dass er den Durchgriff auf sein Konto zulässt. Wir halten das besonders in allen Branchen für heikel, in denen nach Verbrauch abgerechnet wird. Gerade hier soll und muss der Kunde die Möglichkeit haben, die Rechnung zu überprüfen, bevor er einzahlt. Im Bereich der Telekommunikation kommt noch erschwerend das Problem der Mehrwertnummern dazu.

War es nicht ungewöhnlich, dass T-Mobile einen Fall, den sie nur verlieren konnten, bis in die höchste Instanz zieht?

Es ist zweifelsohne eine neue Erfahrung für mich, dass sich Unternehmen über Jahre hinweg nicht an gesetzliche Bestimmungen halten und eine Entscheidung bis zur letzten Möglichkeit, also einem OGH-Urteil, hinauszögern. Bis zu einem Urteil, das klar und deutlich sagt, dass sie sich im Unrecht befinden. Hier hat T-Mobile das Entgelt ab Sommer 2010 sogar gar nicht mehr kassiert. Sie wussten also längst, dass sie einen aussichtlosen Kampf kämpfen, und haben vermutlich nur der Branche zuliebe weiterprozessiert.

Warum kassieren Unternehmen ein offensichtlich gesetzwidriges Entgelt?

Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Unrechtsgewinn erwirtschaftet. Und das Üble daran ist, dass sie fast sicher sein können, dass sie das meiste Geld behalten dürfen, weil es sich um einen klassischen Streuschaden handelt. Ihr Kalkül: Viele Kunden haben sehr viele Kleinstbeträge bezahlt und werden nun den Aufwand scheuen, diese zurückzufordern. Deshalb ist die VKI-Sammelaktion so wichtig und man sollte sich schon aus Prinzip daran beteiligen. Denn je mehr Geld die Unternehmen jetzt zurückzahlen müssen, desto eher werden sie sich das nächste Mal überlegen, ob sie sich wieder so verhalten.

Die Kunden müssen sich auch noch darum bemühen, ihr unrechtmäßig kassiertes Geld wieder zurückzubekommen. Läuft da nicht etwas falsch?

Ja, leider. Das Kalkül der Unternehmen, dass sie einen Großteil der Unrechtsgewinne behalten können, könnte auch deshalb aufgehen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen unzureichend sind. Würde der Gesetzgeber eine Verbandsklage zulassen, müssten wir nicht mit einer Sammelaktion zur Selbsthilfe greifen. Dann könnten wir auf eine Abschöpfung des aus der Gesetzesübertretung erworbenen Gewinnes klagen und diesen unter den Geschädigten verteilen.

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