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Heimvertragsgesetz - Recht vor Gnade

, aktualisiert am

Ein neues Gesetz schützt die Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen vor menschenunwürdiger Behandlung und Ausbeutung.

Skandale alarmierten die Öffentlichkeit

Skandalfälle alarmierten in der Vergangenheit die Öffentlichkeit. Da gab es halbseitig gelähmte Patienten, die nicht gefüttert wurden. Wenn sie sich nicht helfen konnten, wurde das Essen einfach abserviert und in der Pflegedokumentation vermerkt „Patientin appetitlos“. Nicht nur in einem Fall gab es Gewichtsverluste bis zu zehn Kilo und schließlich Lebensgefahr für die Patienten. Einer Patientin wurden drei Monate lang die Zehennägel nicht geschnitten, bis das Foto eines bis zur Klaue verstümmelten Fußes die Öffentlichkeit alarmierte.

An den Stuhl gebunden

Patienten wurden zur Erleichterung für das Pflegepersonal einfach ins Gitterbett gesteckt oder an einen Stuhl gebunden. Natürlich gibt es Landesgesetze, denen zufolge derartige Zustände eigentlich unzulässig wären, aber die Kontrolle der Behörden ist unzulänglich, und selbst aktive Angehörige konnten gegen die Missstände nichts unternehmen. Der Heimvertrag sah zwar mitunter vor, dass der Patient oder seine Angehörigen monatlich 2000 bis 3000 Euro bezahlen müssen, aber es war nirgends geregelt, was der Heimträger dafür an Leistungen zu erbringen hat.

Verpflichtend schriftliche Heimverträge

60.000 Konsumenten haben seit 1. Juli 2004 neue Rechte. Das Heimvertragsgesetz – im Wesentlichen eine Novelle des Konsumentenschutzgesetzes – ist in Kraft getreten. Damit hat jeder Heimbewohner aufgrund eines Bundesgesetzes einen Rechtsanspruch auf eine schriftliche Ausfertigung seines Heimvertrages. Die Ausfolgung eines solchen Vertrages kann notfalls bei Gericht durchgesetzt werden. Neue Verträge regeln die Rechte und Pflichten nicht nur der Heimbewohner, sondern auch der Heimträger.

Rechte und Pflichten des Heimträgers

Es muss festgelegt sein, wie lange der Vertrag gilt – in der Regel unbefristet –, und es gibt einen weitgehenden Kündigungsschutz. Kein Heimbewohner – auch wenn er unbescheiden und unbotmäßig ist – kann auf die Straße gesetzt werden, ohne dass eine Ersatzunterbringung gesichert ist. Nicht nur die Zahlungsverpflichtung des Heimbewohners, sondern auch die Leistungsverpflichtungen des Heimträgers müssen im Detail geregelt sein.

Es ist ausdrücklich angeführt, welche Leistungen der Heimträger auf jeden Fall zu erbringen hat, und die Liste dieser Leistungen ist umfangreich und beinhaltet praktisch alle Rechte, die einem Heimbewohner in einem geordneten Heimbetrieb zustehen.

Räume, Möbel, Service, Mahlzeiten

Dies schließt nicht nur medizinische Betreuung und Rehabilitation in Pflegeheimen, sondern auch alle Leistungen ein, die ein Wohnheim zu erbringen hat. Welche Räume stehen zur Verfügung? Können eigene Möbel und Gegenstände mitgebracht werden? Welche Serviceleistungen wie Wäschereinigung etc. werden geboten? Welche Mahlzeiten gibt es, und wo sind sie einzunehmen? Eine Heimordnung, die auch einem künftigen Heimbewohner vor Vertragsabschluss zur Kenntnis zu bringen ist, regelt alle diese Fragen.

Transparenz bei den Kosten

Besonders zu regeln ist auch, welche Leistungen mit dem Heimbeitrag nicht bezahlt sind und gesondert verrechnet werden. In vielen  Fällen wird vor der Neuaufnahme eines Heimbewohners von der Heimverwaltung eine Kaution verlangt. Die zulässige Höhe der Kaution ist im Gesetz festgelegt, und der einbezahlte Betrag geht nicht in das Vermögen des Heims über, sondern steht in einem gesonderten Fonds zur Bezahlung bestimmter im Vertrag angeführter Leistungen zur Verfügung.

Frist für die Räumung

Beim Ableben eines Patienten werden dessen Habseligkeiten in Zukunft nicht kurzerhand in Müllsäcken verstaut und die Möbel ins Depot geräumt, sondern den Angehörigen wird eine angemessene Frist für die Räumung zugestanden.

Rechte durchsetzen

Nicht alle Heimverträge werden den neuen Rechtsvorschriften entsprechen. Bestimmte dem Konsumentenschutz widersprechende Vertragsklauseln sind jedoch unwirksam, der Heimträger kann sie im Ernstfall bei Gericht nicht durchsetzen. Einem Heimbewohner, der als Patient hilflos in seinem Bett liegt, werden die neuen Rechte zunächst nicht viel helfen. Hier können Angehörige eingreifen, und wenn es diese nicht gibt oder sie sich um den Patienten nicht kümmern, kann sich eine Vertrauensperson – auch deren Stellung ist im Gesetz geregelt – des Falles annehmen.

Pensionistenverbände beraten und helfen

Die Pensionistenverbände, die gewissermaßen eine Interessenvertretung der Heimbewohner darstellen, stehen in derartigen Fällen gerne und hilfsbereit zur Verfügung. Sind Vertragsbestimmungen im Widerspruch zum neuen Gesetz, also rechts- oder sittenwidrig, so können sie durch Verbandsklage angefochten werden. Der Heimträger muss sich – bei Strafandrohung – verpflichten, die betreffenden Vertragsstellen zu beseitigen beziehungsweise nicht anzuwenden.

Per Gericht zwingen

Er kann, wenn er dies nicht tut, durch Gerichtsurteil dazu gezwungen werden. Klagslegitimiert für solche Fälle sind der Verein für Konsumenteninformation, aber auch der Seniorenrat, die Arbeiterkammer und die übrigen Interessenvertretungen.

Das Gesetz gilt für alle nach dem 1. Juli 2004 abgeschlossenen Verträge, aber es gibt auch eine Fülle von Möglichkeiten, in bereits geltende Verträge korrigierend einzugreifen.

Freiheitsbeschränkung  nur aus medizinischen Gründen

Der Gesetzgeber hat auch ein weiteres Gesetz beschlossen, das die Fälle von Freiheitsentzug in Pflegeheimen regelt. Nicht aus pflegerischen, sondern nur aus medizinischen Gründen dürfen Patienten in ihrer Freiheit beschränkt werden. Dies darf nur in der geringsten zur Erreichung des Zwecks notwendigen Form geschehen. Die Freiheitsbeschränkung muss von der Pflegeleitung oder einem Arzt angeordnet werden. Sie unterliegt einer Kontrolle durch das Gericht, und es ist genau geregelt, wann der Verein für Sachwalterschaft beziehungsweise welche anderen Stellen diese gerichtliche Kontrolle anfordern können.

Heimaufenthaltsgesetz gilt erst ab 1.7.2005

Das Gesetz wird viele strittige Fragen lösen, denn alle Freiheitsbeschränkungen in Heimen spielen sich derzeit im rechtsfreien Raum ab. Da dieses Gesetz aber erst am 1. Juli 2005 in Kraft treten wird, hat es derzeit bestenfalls moralische  Wirkung.

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