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Community Nursing: erweiterte Hauskrankenpflege und Pflege-Management Bild: evrymmnt/Shutterstock

Community Nursing: erweiterte Hauskrankenpflege und Pflege-Management

Interview. In Österreich werden rund 80 Prozent der pflege­bedürftigen Personen zu Hause betreut. Vieles läuft über sogenannte Community Nurses. Interview mit Heidelinde Zapletal-Janevski.

Die Etablierung von Community-Nursing-Pilotprojekten soll einen Beitrag leisten, um die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere von Risikogruppen und älteren bzw. chronisch kranken ­Personen, zu verbessern. Für den Begriff „Community Nursing“ existiert keine deutsche Übersetzung, man kann am ehesten von Pflege-Management ­sprechen.

Aus EU-Mitteln finanziert

Finanziert wird das Projekt aus Mitteln der EU, genauer aus dem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ mit einem Budget von 54,2 Mil­lionen Euro. Die Pilotphase dauert von 2022 bis Ende 2024. Alle neun Bun­desländer beteiligen sich mit mehr als 120 Pilotprojekten. Im KONSUMENT-­Interview berichtet Community Nurse Heide­linde Zapletal-Janevski aus ihrem Arbeits­alltag.

Interview mit Heidelinde ­Zapletal-Janevski

Community Nurse Heidelinde Zapletal-Janevski im Gespräch
Community Nurse DGKP Heidelinde Zapletal-Janevski im Gespräch Bild: Johanniter

Frau DGKP Heidelinde ­Zapletal-Janevski ist für die Johanniter NÖ Wien Gesundheits- und soziale Dienste mildtätige GmbH als Com­munity Nurse für die Marktgemeinden Orth/Donau und Eckartsau sowie die Gemeinden Andlersdorf, Kopfstetten, Wagram/Donau, Pframa, Mannsdorf und Witzelsdorf tätig.

Was ist Community Nursing?

Zapletal-Janevski: Community Nurses sind diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, die älteren, zu Hause lebenden Menschen und deren An- und Zugehörigen für Fragen und Aktivitäten in Bezug auf Pflege und Gesundheit zur Verfügung stehen – wohnortnah und nieder­schwellig. Bereits bestehende Dienstleistungen wie die Hauskrankenpflege sollen ergänzt werden. Der präventive Hausbesuch gehört zu den zentralen Aufgaben von Community Nursing.

Wie läuft so ein Hausbesuch ab?­

Für eine individuelle Beratung sind ­Informationen über bestehende Erkrankungen und/oder Einschränkungen z. B. in der Bewegung, Ernährung, sozialen Interaktion, Körperpflege, Atmung, etc. wichtig. Community Nurses verwenden einerseits standardisierte Skalen, Fragestellungen oder Checklisten, die sogenannten Assessmentinstrumente (Assess­ment = Beurteilung), andererseits stützen sie sich auf ihre Beobachtungen.

Sie betrachten z. B. das Gangbild bei der Begrüßung, sehen, ob ein Hilfsmittel wie ein Rollator oder Gehstock verwendet wird, ob ein freies Bewegen in der Wohnung möglich ist oder ob für den sicheren Gang die Einrichtungsgegenstände benutzt werden. Sie achten auf Gefahrenquellen in der Wohnung.

Sie beobachten, ob die Bewegung mit Schmerzen verbunden ist, fragen nach der Mobilität außerhalb des Wohnbereichs und können so die ­Fähigkeiten und Fertigkeiten in wei­teren Bereichen, beispielsweise bei der Ver­sorgung mit Nahrungsmitteln oder ­Medikamenten oder dem Kontakt zu den Mitmenschen, einschätzen. Sie können Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen, die helfen, den Alltag auch mit den ­vorhandenen Einschränkungen zu bewältigen.

Wie sieht die Unterstützung im Pflegebereich aus?

Neben der Befragung und der Beobachtung ist die körperliche Beur­teilung wichtig, die in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt erfolgt. Dazu gehört die Messung der Vitalwerte, das Erfragen der Körpermaße etc. Die Community Nurses erstellen auf Basis der gesammelten ­Informationen, der erhobenen Anam­nese, der Analyse und Interpretation relevanter Pflegedaten eine Pflegediagnose. Anschließend planen sie mit der Person ein Ziel, die dafür erforderlichen Maßnahmen und deren Durchführung. Gemeinsam wird festgelegt, wann die Einschätzung, ob das Ziel erreicht wurde oder eine Anpassung notwendig ist, stattfinden soll.

Community Nursing bedeutet auch auf Gemeindeebene, sich den aktuellen gesundheitlichen Themen zu widmen. Hier wird mit Vernetzungstreffen regionaler Gesundheitsdienstleister ein gemeinsamer Ausgangspunkt geschaffen. Fehlende Angebote werden erhoben. Die Gesundheitskompetenz der Menschen kann mit Vortragsreihen gefördert werden. Gesundheitsvorsorge zur Vorbeugung von früher Pflege­bedürftigkeit und Hintanstellung von Krankheiten sind große Themen von Community Nursing.

Wie findet man eine Community Nurse?

Ob in der jeweiligen Heimatgemeinde das Angebot besteht, kann auf der Webseite von Community Nursing des Sozialministeriums nachgesehen werden. Dort findet sich eine Liste der Pilotprojekte Community Nursing in ganz Österreich: cn-oesterreich.at/das-projekt/pilot projekte-oesterreich. Die Community Nurses können telefonisch oder persönlich kontaktiert werden.

Wie viel kostet eine Beratung?

Das Angebot der Community Nurses steht derzeit kostenlos zur Verfügung.

Wie können Community ­Nurses betreuende Angehörige unterstützen, ...

... auf ihre Gesundheit zu achten?

In präventiven Beratungsgesprächen mit den Menschen vor Ort kann ganz individuell auf die jeweilige gesundheitliche Situation eingegangen werden. Beispielsweise kann über Unterstützungs- oder Entlastungsangebote oder Hilfsmittel informiert werden oder aber es können auch praktische Hinweise zur Entlastung des Rückens ­gegeben und Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur gezeigt werden. Oder aber man bekommt mentale Tipps oder Empfehlungen zur Aromapflege.

Viele pflegende Angehörige fühlen sich alleingelassen. Mit dem Community Nursing ...

... soll auch die Selbsthilfefähigkeit von Pflegebedürftigen und deren An- und Zugehörigen gesteigert werden. Wie ist das zu verstehen?

Die Hilfe zur Selbsthilfe stärkt die körperliche, geistige und mentale Gesundheit. Wenn Angehörige entlastet sind, ist das auch für die zu betreuenden Menschen hilfreich. Durch die gemeindenahe Arbeit kennen die Community Nurses Betrof­fene und/oder deren pflegende Ange­hörige, ihre derzeitige Situation und die damit verbundenen Herausforderungen. Sie können z. B. an der Entstehung von Selbsthilfegruppen mitarbeiten. Der Austausch in diesen Gruppen wiederum vermittelt das Gefühl, nicht allein zu sein, und ermöglicht den Austausch ­untereinander.

Stehen Sie in jeder Phase des Alters beratend zur Seite?

... – auch in der Sterbephase?

Die Community Nurses stehen in allen Phasen des Erwachsenenlebens zur Seite und vermitteln zu den jeweiligen Expertendiensten bis zu Palliativ- und Hospizdiensten. In einer im Jahr 2018 durch­geführten Untersuchung lautete das ­Ergebnis, dass für zehn von elf Personen, die gegen ihren Willen in einem Heim lebten, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu Hause eine mögliche Alternative gewesen wäre, vom Erwachsenenvertreter (und dem Gericht) aber aus finanziellen und/oder baulichen Gründen verworfen werden musste.

Mit einer Alterspension in durchschnittlicher Höhe, dem Pflegegeld und der Förderung allein lässt sich die 24-Stunden-Betreuung nicht finanzieren.

 

Kann das Community Nursing an dieser Situation etwas ändern?

Bestehende Gesetze sind vorerst als Grundlage des Zusammenlebens zu ­akzeptieren und haben Gültigkeit. Die Verbesserung der Pflege- und Betreuungssituation sowohl räumlich als auch finanziell kann aber mit Beratung durch Community Nursing auf individueller Ebene verbessert werden. In Folge kann auch auf Gemeindeebene (z. B. Schaffung von betreuten Wohneinheiten, Barrierefreiheiten im Ort) und dann weiter auf politischer Ebene an einer Verbesserung der bestehenden Gesetze gearbeitet werden.

Ziel des Community- Nursing-Projekts ist es, Menschen den Verbleib im eigenen Zuhause so gut und so lange wie möglich zu ermöglichen.

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