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Community nursing: ältere Person im hellgrünen Pulli stützt Hände auf Stock, über ihren Händen jüngere helfende Hand
Community nursing: Bedarfsorientiertes Arbeiten in der Gesundheits- und Krankenpflege. Bild: evrymmnt/Shutterstock.com

Community Nursing in Österreich

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Bis ins hohe Alter im eigenen Zuhause bleiben – das ist der Wunsch vieler Menschen. Die Etablierung eines Community Nursing Systems in Österreich soll das durch niederschwellige und bedarfsorientierte Versorgung sowie Präventionsarbeit in den Gemeinden unterstützen. Ein Pilotprojekt dazu ist bereits in vollem Gange.

Pflege in Österreich

  • Community Nursing - was ist das?
  • Welche ähnlichen Konzepte gibt es in anderen Ländern und welchen Aufgaben kommen die Community Nurses dort nach?
  • Welches Pflegepersonal kommt in Österreich für diesen Spezialbereich der Gesundheits- und Krankenpflege in Frage?
  • Welche unterschiedlichen Aufgaben erfüllen Community Nurses?
  • Finanzierung des Pilotprojekts in Österreich: Umsetzung erfolgt durch Mittel der Europäischen Kommission. Bis wann stehen uns die Mittel für dieses Konzept zur Verfügung?
  • Wie sieht es mit dem Personal aus? Wie viele Pflege- und Betreuungspersonen benötigen wir bis zum Jahr 2030?
  • Was bringt das Community-Nursing-Konzept? 

Wie soll den Herausforderungen im Bereich Pflege in Österreich begegnet werden? Immer wieder ist dieses Thema im Zentrum des öffentlichen Diskurses. Die demographische Entwicklung unserer Bevölkerung und die durch die Pandemie zusätzlich entstandenen Herausforderungen für das Gesundheitspersonal führen deutlich vor Augen, das dringender Handlungsbedarf herrscht. Ein Beitrag zu einer besseren Gesundheitsversorgung der Bevölkerung soll die Etablierung von Community Nursing in Österreich sein.

Community Nursing – was ist das?

Community Nursing ist ein Spezialbereich der Gesundheits- und Krankenpflege. Dabei wird Wissen aus der Pflegewissenschaft, aus Sozialwissenschaften und Public Health verbunden, um einen Beitrag zum Schutz und zur Förderung der Gesundheit von Individuen und Familien sowie Gruppen und Gemeinschaften zu leisten. Community Nurses arbeiten niederschwellig und bedarfsorientiert direkt in den Gemeinden, also im unmittelbaren Lebensbereich der Bevölkerung. Als Verbindungsglied zwischen der Bevölkerung und den lokalen Leistungserbringern übernehmen sie außerdem Aufgaben in der Vernetzung und Koordinierung.

Anderswo nichts Neues

In anderen Ländern werden ähnliche Konzepte schon länger als Bestandteil der Gesundheitsversorgung erfolgreich angewendet. Dabei sind die genauen Bezeichnungen des Berufsfeldes und der Umfang der Aufgaben nicht überall gleich. In Schweden sind District Nurses in Gesundheitszentren, der Hausarztpraxis, einer eigenen Praxis oder per Hausbesuch für Menschen in allen Altersgruppen tätig.

In Finnland wird zwischen Home Health Nurses und Practice Nurses unterschieden: Erstere betreuen Personen jeden Alters im Rahmen von Hausbesuchen, Letztere tun dies in Gesundheitszentren.

Auch in Norwegen kommen sogenannte Home Care Nurses bei der Betreuung aller Altersgruppen in Form von Hausbesuchen zum Einsatz.

In Großbritannien können Kinder bis zum fünften Lebensjahr sowie andere Altersgruppen nach eigenem Ermessen die Dienstleistungen von Health Visitors in Form von Hausbesuchen oder dem Aufsuchen einer Hausarztpraxis in Anspruch nehmen.

Und in Irland arbeiten Public Health Nurses in bestimmten, zugeordneten Bezirken mit Menschen jeden Alters. In vielen dieser Länder gibt es darüber hinaus noch zusätzliche Anlaufstellen für Kinder und deren Familien oder für Schwangere. Diese Tätigkeitsbereiche werden als Maternity and Child Health Nursing oder Family Health Nursing bezeichnet.

Wer wird zur Community Nurse?

Für das Projekt in Österreich wird als Community Nurses diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal mit zumindest zwei Jahren Berufserfahrung gesucht. Zusätzlich wünschenswert sind weitere Qualifizierungen wie Studiengänge zu Community Nursing, Family Health Nursing oder Public Health Nursing und Kenntnisse der regionalen Versorgungslandschaft.

Vielfältige Aufgabengebiete

Community Nursing wird von Individuen, Familien, Gruppen und Gemeinschaften in Anspruch genommen. Je nach Zielgruppe sind auch die Aufgaben unterschiedlich. Bei Personen vor Eintreten eines Pflegebedarfs gehen Community Nurses aktiv auf diese zu. Das kann etwa im Rahmen eines präventiven Hausbesuchs der Fall sein.

Besteht bereits ein Pflegebedarf, erheben Community Nurses bestehende Versorgungsarrangements und vermitteln wo notwendig auch weitere Dienstleistungen. Zudem führen sie spezifische Erhebungen durch – etwa, um Risikofaktoren zu identifizieren. Pflegende Angehörige werden durch Community Nurses unterstützt, indem diese in den Familien beraten, informieren, schulen und anleiten. Sie verweisen an die richtigen Stellen, zeigen Angebote auf und helfen den Angehörigen, trotz Pflegeaufgabe selbst gesund zu bleiben.

Community Nurses erstellen darüber hinaus auch ein Angebot an Seminarreihen, Gesundheitsförderungsprogrammen, Workshops oder Vorträgen in den Gemeinden. Besteht Bedarf in den Gemeinden, können sie auch Selbsthilfegruppen initiieren und leiten. Auch die Interessenvertretung der Zielgruppen gegenüber der Politik zählt zu den Aufgaben der Community Nurses.

Das Pilotprojekt in Österreich

Die Umsetzung des Projektes in Österreich wird durch Mittel der Europäischen Kommission ermöglicht. 54,2 Millionen Euro stehen für die gesamte Projektlaufzeit, also bis zum vierten Quartal 2024, gemäß dem österreichischen Aufbau- und Resilienzplan zur Verfügung. Geleitet wird das Pilotprojekt auf nationaler Ebene vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) begleitet darüber hinaus das Projekt. Der Förderungs-Call resultierte in 145 Anträgen aus allen Bundesländern, die anschließend von der GÖG und dem Fonds Gesundes Österreich geprüft wurden.

Laufzeit bis 2024

123 davon bekamen einen Fördervertrag mit einer Laufzeit von 2022 bis 2024. Neben den Personalkosten sollen die Fördergelder auch die Kosten von etwa 93 E-Autos und 40 E-Bikes abdecken. Damit soll eine umweltfreundliche Mobilität der Community Nurses unterstützt werden.

Die Sache mit dem Personal

Die Etablierung von Community Nursing in Österreich wirft aber auch einige Fragen auf. Das beginnt bereits beim Personal, denn an diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal mangelt es zurzeit ohnehin schon bei uns. Schätzungen der letzten Pflegepersonal-Bedarfsprognose der Gesundheit Österreich GmbH zufolge werden allein zur Abdeckung von Pensionierungen derzeitig tätiger Pflegekräfte bis zum Jahr 2030 42.000 Pflege- und Betreuungspersonen benötigt. Dazu kommt durch die demografische Entwicklung ein zusätzlicher Bedarf von 34.000 Pflegerinnen und Pflegern. Gesamt braucht es laut diesen Schätzungen also 76.000 neue Pflegekräfte bis zum Jahr 2030. Dabei ist auch anzumerken, dass diese Prognose aus dem Jahr 2019, also der Zeit vor Beginn der Coronapandemie, stammt. Die Arbeitsbedingungen von Gesundheits- und Krankenpflegepersonal haben sich durch die Pandemie allerdings nicht gerade verbessert.

Community Nursing: neues, attraktives Berufsfeld

Laut einer repräsentativen Umfrage des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes aus dem Jahr 2021 denken 45 Prozent der Angestellten in diesem Bereich immer wieder an einen Jobwechsel. Fünf Prozent der Befragten gaben zum Zeitpunkt der Umfrage an, gerade ihren Jobwechsel zu planen und umzusetzen. Aus diesen beiden Gruppen nannten 59 Prozent der Befragten die Pandemie als Verstärker ihres Wunsches nach einer neuen beruflichen Ausrichtung. Wir haben bei der GÖG nachgefragt, wie ausreichend Personal an allen Stellen gesichert werden kann.

Die Antwort: „Unserer Erfahrung nach sind jene Personen, die nun als Community Nurse tätig werden, häufig solche, die grundsätzlich über einen Ausstieg aus dem Berufsfeld nachgedacht haben und so für den Beruf verloren gewesen wären. Mit Community Nursing erschließt sich für sie ein attraktives und wichtiges Tätigkeitsfeld. Community Nursing ist ein Beitrag zur Attraktivierung des Berufsfeldes des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege, begleitend müssen jedenfalls weitere Maßnahmen zur Sicherung des Personalbedarfs getroffen werden.“

Autonomes Arbeiten, keine Wochenenddienste

Auch das BMSGPK teilt uns mit, im Community Nursing eine Attraktivierung des Pflegeberufes zu sehen: „Die Arbeitsbedingungen sind sehr attraktiv, etwa aufgrund des Wegfalls von Wochenenddiensten, die Leistungserbringung erfolgt weitgehend autonom und durch die Gemeindeorientierung können pflegerische Kernkompetenzen angeboten und gelebt werden. All dies trägt zur Attraktivitätssteigerung und Professionsentwicklung der Pflegeberufe bei, was sowohl potentielle Neueinsteiger:innen ansprechen als auch bereits ausgebildete Fachkräfte im Pflegeberuf halten soll.“ Zusätzliche Maßnahmen zur Bewältigung des Personalmangels seien außerdem erst kürzlich im Rahmen der Pflegereform angekündigt worden.

Wie viel bringt’s?

Je mehr Menschen so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause verbleiben können, desto mehr werden stationäre Einrichtungen entlastet. Wie groß diese Entlastung konkret sein wird, lässt sich sowohl laut GÖG als auch seitens des Ministeriums zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festlegen. Es werde aber begleitende Evaluierungen geben, die diese Aspekte beleuchten. Auch die Umsetzung von Maßnahmen durch die Betroffenen selbst ist laut GÖG dabei wichtig: „Das Hauptziel der Pilotprojekte ist die Förderung der Gesundheit, der Erhalt der Lebensqualität und Autonomie der Bevölkerung. Präventive Maßnahmen können natürlich nur begleitet werden, die Betroffenen müssen es selbst dauerhaft umsetzen – das kann nicht verordnet werden; zudem müssen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Menschen auch tatsächlich befähigt werden, gute Entscheidungen zu treffen.“

Langfristige Umsetzung

Das Pilotprojekt wird durch Mittel der EU-Kommission bis Ende 2024 finanziert. Doch wie soll es danach weitergehen? Auch hier ist die Auskunft der Gesundheit Österreich GmbH zur weiteren Finanzierung von Community Nursing nach Ablauf des Projektes noch vage: „Nach Beendigung der Pilotprojekte und somit auch der ersten Ausbaustufe des Projekts erfolgt eine umfassende Abschlussevaluierung.

In Abhängigkeit von den Evaluierungsergebnissen ist angedacht, die Ausrollung von Community Nursing und die genannte Weiterentwicklung des Aufgaben- und Rollenprofils zu prüfen sowie eine Weiterführung von Community Nursing in den regulären Finanzausgleichsverhandlungen zu thematisieren.“ Es bleibt also zu hoffen, dass ein langfristiger Einsatz der Community Nurses, sofern dieser am Ende des Pilotprojektes sinnvoll erscheint, letztlich nicht an einer mangelnden Finanzierung scheitert.

 

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