„AWD, Ihr persönlicher Finanzoptimierer“ heißt es im Firmenlogo. Gegenüber möglichen Kunden präsentierten sich AWD-Berater als unabhängig. Sie verkauften jedoch bevorzugt bestimmte Produkte. In den Beratungs- bzw. Verkaufsgesprächen mit Kleinanlegern wurden Immobilienaktien (Immofinanz- und Immoeast-Aktien) immer wieder als „mündelsicher“ und „so sicher wie ein Sparbuch“ angepriesen. Diesen Anspruch kann allerdings keine Aktie erfüllen. Und anders als Kleinanleger müssen Berater das wohl wissen.
Erbteil der Kinder angelegt
Ein Beispiel von vielen: Nachdem ihr Mann gestorben war, musste Frau H., die in Bezug auf Finanzanlagen völlig unerfahren war, das Erbteil ihrer beiden minderjährigen Kinder anlegen. Der AWD-Berater empfahl, es in „mündelsichere“ Immofinanzaktien zu investieren. Fazit: Ende 2008 war das Erbteil der Kinder infolge von Kursabstürzen fast komplett verloren.
In unserer Rechtsabteilung langten von Ende 2008 bis zum Frühjahr 2009 Tausende Beschwerden von Konsumenten ein, die sich vom AWD falsch beraten fühlten. Vielen war gar nicht bewusst, in welche Art von Anlage sie ihr Erspartes investiert hatten.
Immobilienaktien von Immoeast und Immofinanz
Unser Vorwurf lautet: Die Vorgangsweise, forciert Immobilienaktien von Immoeast und Immofinanz zu verkaufen, hatte System. Umso mehr, als nicht nur die einzelnen Berater für den Verkauf dieser Wertpapiere saftige Abschlussprovisionen lukrierten (die Provisionen für die Vermittlung von Immobilienaktien waren wesentlich höher als beispielsweise die Provisionen für die Vermittlung eines Bausparvertrags), sondern das Unternehmen AWD obendrein Bestandsprovisionen erhielt.
Fünf Sammelklagen mit 2.500 Geschädigten
Der VKI hat insgesamt fünf Sammelklagen mit 2.500 Geschädigten vor Gericht eingebracht und zusätzlich im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums und der Arbeiterkammer Oberösterreich Musterprozesse geführt. Von den Musterprozessen sind mittlerweile einige durch Schadenersatzzahlungen des AWD verglichen und somit beendet.
Bei den Sammelklagen war durch Verzögerungstaktiken des AWD in Form formeller Einwände Sand ins Getriebe geraten. Inzwischen haben die Gerichte aber alle Sammelklagen als zulässig erklärt. Nun soll allerdings auch noch die Vorfrage geklärt werden, ob in Österreich eine Prozessfinanzierung gegen Erfolgsquote und Abtretung der Ansprüche an den VKI zulässig ist. Dazu wird im Dezember verhandelt. Bis der Oberste Gerichtshof als letzte Instanz Klarheit schafft, wird es noch einige Zeit dauern. Erst dann kann mit der Prüfung des Vorwurfes der „systematischen Fehlberatung“ begonnen werden.
Vergleichsangebote unter dem Siegel der Verschwiegenheit
Viele Geschädigte haben auch eigenständig, über Rechtsschutzversicherungen, Klage eingebracht. Hier hat der AWD unter dem Siegel der Verschwiegenheit Vergleichsangebote gemacht. In separaten Gerichtsverfahren wird darüber hinaus geprüft, ob Immofinanz, Immoeast und die Privatbank Constantia (Depotbank) ebenfalls für die verursachten Schäden zu haften haben.
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Aktie als Fonds bezeichnet: Nachtrag zur Immofinanz
Die Tageszeitung "Wirtschaftsblatt" berichtete am 17.10.2011, dass selbst im (zentral geführten) "AWD-Finance-Manager" die Immofinanz als "Fonds" bezeichnet wurde - siehe Download. Ein Ex-AWD-Berater sagte als Zeuge vor Gericht auch aus, dass man in Schulungen gelernt habe, das Wort "Aktie" zu vermeiden und statt dessen von einem "Wertpapier" reden sollte. Kein Wunder, dass eine Reihe von Geschädigten nicht verstanden hatten, dass sie in Einzelaktien investiert haben.