In einem von der EU-Kommission präsentierten Reformvorschlag gibt es deutliche Verbesserungen zur Stärkung der Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher. „Die Kommission hat einen beachtlichen Wurf vorgelegt, der die Konsequenzen aus dem VW-Skandal zieht und den Zugang zum Recht für Verbraucher klar verbessert“, resümiert Dr. Petra Leupold, Leiterin der VKI Akademie. Dem sogenannten New Deal for Consumers war eine umfangreiche Analyse des geltenden Verbraucherrechts vorausgegangen.
Resultat der Analyse: Bei der Rechtsdurchsetzung besteht akuter Handlungsbedarf, da in den meisten Mitgliedstaaten bei Massenschäden entweder keine oder keine wirksamen Instrumente zur Verfügung stehen. Diese Analyse deckt sich mit den Erfahrungen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).
Eklatante Rechtsschutzdefizite
Zurzeit bestehen eklatante Rechtsschutzdefizite für Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa, die nicht nur im Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal neuerlich klar zutage treten, sondern etwa auch einer effizienten Rechtsdurchsetzung bei Datenschutzverstößen entgegenstehen. „Ein kollektives Vorgehen gegen internationale Konzerne wie Facebook, Google oder Amazon ist bislang in Österreich schlicht nicht möglich“, so Leupold. Dies trifft nicht nur die geschädigten Verbraucher, sondern führt auch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zulasten österreichischer Unternehmer, weil ausländische Konzerne nicht mit effizienten Sanktionen rechnen müssen. Der VKI fordert daher – gemeinsam mit der Bundesarbeitskammer – bereits seit Langem die Einführung eines Gruppenverfahrens und einer prozessökonomischen Musterklage in Österreich.
EU-Entwurf beinhaltet Verschärfung von Sanktionen
Der Entwurf der EU-Kommission enthält ferner eine deutliche Verschärfung der Sanktionen bei unlauteren Geschäftspraktiken, bei Verwendung unzulässiger AGB-Klauseln und Verstößen gegen die Verbraucherrechte-Richtlinie. Bei weitreichenden Rechtsverletzungen drohen Geldbußen mit einem Strafrahmen von mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes.
Abzuwarten bleibt, wie es im EU-Gesetzgebungsverfahren mit dem Entwurf weitergeht. „Aus Verbrauchersicht ist zu hoffen, dass die Reform möglichst rasch umgesetzt wird. Österreich wird dazu hoffentlich einen wesentlichen Beitrag leisten können“, so Leupold unter Verweis auf die im Juli beginnende österreichische Ratspräsidentschaft.
20 Jahre VKI-Sammelklagen
Der VKI führt seit rund 20 Jahren Sammelklagen und -aktionen zu Massenschäden. Spätestens seit dem Massenverfahren gegen WEB hat die Praxis die massiven Defizite bei der Durchsetzung von Massenschäden aufgezeigt. Wenn Verbraucherrechte nicht nur auf dem Papier bestehen sollen, ist eine Reform überfällig. Das zeigt sich bei Massenschäden gegen ausländische Gegner ebenso wie bei Bagatell- und Streuschäden und bei den Defiziten der bestehenden Krücke einer Sammelklage österreichischer Prägung.
Ausbau des Rechtsschutzes in Richtung Sammelklage
Die Kommission ist nun entschlossen, diese Defizite zu beseitigen und den kollektiven Rechtsschutz in Richtung Sammelklage auszubauen. Die Reformvorschläge gehen deutlich über die Regelungen der derzeitigen Unterlassungsklagen-Richtlinie hinaus und sehen ein Bündel von Maßnahmen vor:
- Der Kreis der klagsbefugten Verbände wird um extra dafür gegründete Non-Profit-Organisationen (NPOs) erweitert und der Anwendungsbereich der Verbandsklage auf zahlreiche weitere EU-Rechtsakte ausgedehnt. Anders als derzeit soll zukünftig etwa auch gegen Verstöße gegen Versicherungs- und Datenschutzrecht mittels Verbandsklage vorgegangen werden können.
- Geklagt werden kann nicht nur auf Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen, sondern auch auf Beseitigung der anhaltenden Folgen eines Gesetzesverstoßes. Damit können durch eine Verbandsklage etwa auch Rückzahlungsansprüche der Verbraucher bei unzulässig verrechneten Gebühren oder überhöhten Zinsen gebündelt durchgesetzt werden.
Der Vorschlag enthält ferner eine „Sammelklage“, wonach Verbrauchverbände auf Schadenersatz für Geschädigte klagen können. Dies allerdings eingeschränkt auf Fälle, in denen die Zahl der Betroffenen bekannt ist und sie einen vergleichbaren Schaden erlitten haben. In komplexeren Fällen oder bei individuell verschiedenen Schäden ist eine Sammelklage dagegen nur bedingt möglich; Verbände können von den Mitgliedstaaten hier auf Feststellungsklagen beschränkt werden. Entsprechende Urteile haben zwar bindende Wirkung für die Geltendmachung von Ansprüchen durch betroffene Verbraucher; eingeklagt werden müssten dann aber wiederum die einzelnen Verbraucher. Für Bagatell- und Streuschäden ist eine Abschöpfung vorgesehen. - Die Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern wird mit Einbringung der Klage durch den Verband unterbrochen. Anders als nach jetziger Rechtslage könnte die musterprozessartige Klärung strittiger Rechtsfragen durch den Verband somit nicht dazu führen, dass zwischenzeitig Betroffenen-Ansprüche verjähren.
Details zum New Deal for Consumers finden Sie auf EU-Sammelklage: VKI begrüßt Vorstoß