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Brustoperation - Ungeklärte Haftung

Nach einer OP zur Brustkorrektur kommt es zu schwerwiegenden Komplikationen und mehreren Nachoperationen. Der Eingriff wurde von einem privaten Facharzt in einem öffentlichen Spital vorgenommen. Die Haftung ist ungeklärt.

Der Fall

Der Hausarzt rät einer Patientin aufgrund der enormen Größe und des Gewichts der stark asymmetrischen Brüste, einen Facharzt für Plastische Chirurgie aufzusuchen. Die Patientin leidet auch unter starken Kopfschmerzen, Spannungen im Schulterbereich sowie Kreuzschmerzen, ihre Lebensqualität ist stark eingeschränkt. Der in einer Privatklinik ordinierende Facharzt rät zur operativen Reduktion der Brüste und vereinbart einen OP-Termin in einem allgemeinen Bezirkskrankenhaus. Die Nachbehandlung soll ambulant in der privaten Krankenanstalt des niedergelassenen Facharztes erfolgen.

Erste Operation: mit erhöhter Temperatur entlassen

Nach Zusage der Kostenübernahme durch die Krankenkasse wird der Eingriff von diesem Arzt im Bezirkskrankenhaus vorgenommen. Die Drainagen werden drei Tage nach der OP entfernt, dabei erfolgt auch ein Verbandwechsel. Die Wunden sind nicht entzündet, die Durchblutung der Brüste ist gut. Die Patientin wird – allerdings mit erhöhter Körpertemperatur – aus dem Spital entlassen. Die Entlassung erfolgt nicht durch den Plastischen Chirurgen, sondern durch einen diensthabenden Frauenarzt.

Zweite Operation: Wunde heilt schlecht, Not-OP

Bei der Kontrolle nach fünf Tagen weist der Chirurg die Patientin aufgrund der schlechten Wundheilung mit absterbendem Brustgewebe sofort in das Bezirkskrankenhaus zur Not-OP ein. Danach erfolgen bei stationärem Aufenthalt tägliche Verbandwechsel mit Wundkontrollen und Spülungen.

Dritte Operation: noch immer keine Besserung

Bevor die Patientin einige Wochen später aus dem Spital entlassen werden kann, wird ein weiterer Eingriff notwendig. Doch die Situation verbessert sich nicht. Die Patientin ist völlig verunsichert und wendet sich an die Tiroler Patientenvertretung.

Vierte Operation: plastische Rekonstruktion scheitert

Im Jahr darauf wird in der Spezialabteilung eines Zentralkrankenhauses eine plastische Rekonstruktion der Brust versucht, die jedoch scheitert. Der Patientin wird schließlich angeboten, einen Teil der Brust zu entfernen und gänzlich neu herzustellen.

Ein Arzt, drei Anstalten: keine Verantwortung

Intervention bei der Tiroler Ärztekammer

Die Patientenvertretung Tirol leitet ein Verfahren vor der Schiedsstelle in Arzthaftpflichtfragen der Tiroler Ärztekammer ein. Es bestehen Zweifel, ob die Behandlung im Bezirkskrankenhaus überhaupt hätte vorgenommen werden dürfen. Ebenso kritisiert wird die medizinische Qualität der Wundversorgung sowie der Nachbehandlung. Dazu holt die Schiedsstelle ein Gutachten ein. Dieses wird nach Anträgen der Patientenvertretung mehrfach ergänzt, dennoch will der Sachverständige keinen Behandlungsfehler erkennen.

Ergebnis: Schadenersatzforderung abgewiesen

Die Schiedskommission weist deshalb und weil die Frage der Verantwortlichkeit letztlich nicht beantwortet werden kann sämtliche Ansprüche zurück. Der Patientin bleibt als letzte Möglichkeit nur der Patientenentschädigungsfonds. Mit Unterstützung der Patientenvertretung erhält sie dort schließlich einen vierstelligen Eurobetrag als Ausgleich für die erlittenen Behandlungsfolgen zugesprochen.

Ein Arzt, drei Anstalten, keine Verantwortung

Für die Patientenvertretung Tirol zeigt der Fall, dass dringend geklärt werden muss, auf welcher Rechtsgrundlage ein niedergelassener Facharzt, der zudem eine private Krankenanstalt führt, in einem öffentlichen Fondskrankenhaus operieren darf und wie die Verantwortlichkeiten geregelt sind. Infrage zu stellen sei zudem, ob eine derart komplexe Operation und Nachbehandlung überhaupt in einem Bezirkskrankenhaus vorgenommen werden darf und ob die Patientin nicht sofort an eine Fachabteilung in einem Zentralkrankenhaus hätte verwiesen werden müssen.

Fazit: Keiner will zuständig sein

Im vorliegenden Fall ist bis heute ungeklärt, wer Verhandlungspartner und somit Adressat von Schadensersatzansprüchen ist. Die ausgestellten Rechnungen tragen Name und Adresse der privaten Krankenanstalt. Im Schriftverkehr während des Schiedsverfahrens verwendet der Facharzt jedoch den Briefkopf des Bezirkskrankenhauses, das ihn als Konsiliararzt anführt. Bei der Anhörung vor der Schiedsstelle erklärt er, dass er als niedergelassener Arzt tätig geworden sei.


 Lesen Sie auch unseren Test: Beratung bei Schönheitschirurgen 1/2010

VKI-Kooperation mit der Patientenanwaltschaft

In unserer Rubrik "Patientenanwaltschaft" berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte konfrontiert werden.

Die Tiroler Patientenvertretung setzt sich für eine bessere Dotierung der Patientenentschädigungsfonds durch die Einbeziehung von Gesundheitsdienstleistern ein. Die Zuständigkeit der Fonds soll zudem auf private Krankenanstalten ausgedehnt werden.

 

Patientenvertretung Tirol
Meraner Straße 5,
6020 Innsbruck,
Tel. 0512 508-7702,
Fax 0512 508-7705
E-Mail: patientenvertretung@tirol.gv.at  
www.tirol.gv.at/patientenvertretung

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

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