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Digitaler Nachlass - Für immer offline

Sterben war im Internet lange kein Thema, denn trotz seiner Schnelllebigkeit ist das Medium für die Ewigkeit ausgelegt. Bis heute ist nicht klar geregelt, was mit unseren Online-Daten geschieht.

Computer und die darauf befindlichen Daten sind in der Regel ein Teil der Verlassenschaft. Die Erben dürfen somit erst nach dem Ende des Verlassenschaftsverfahrens darüber verfügen. Aber wie schaut es bei den Online­-Daten aus? Mit der Entscheidung, dass Facebook-­Konten samt digitalem Inhalt auf die Erben übergehen, hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein richtungsweisendes Urteil gefällt, das freilich nur für Deutschland gilt.

Und selbst dort bleiben weiterhin viele Fragen offen. Genau genommen ist nicht einmal der immer öfter genannte Begriff „digitaler Nachlass“ klar definiert. Im Zweifelsfall handelt es sich um sämtliche Daten, die nach unserem Tod im Internet weiterbestehen.

Der digitale Datenschatten

Schließlich haben wir Benutzerkonten bei Onlineshops, sozialen Medien und E-­Mail-­Anbietern, verwenden Bezahldienste wie PayPal, beziehen Abos von Streaming­-Angeboten, lagern Daten in diverse Cloud-­Dienste aus, nutzen Onlinebanking und Handysignatur, kaufen digitale Medien wie E­-Books, Musik und Filme und betreuen vielleicht einen eigenen Blog oder eine Website. Wenn man eine Zeitlang im Internet aktiv war, fällt es einem schwer, aufzuzählen, wo man sich schon überall registriert hat. 

Es geht auch ums Geld 

Für uns selbst und unsere Erben relevant sind zumindest jene Konten, bei denen es um Persönliches wie Fotos und Chatverläufe geht oder ums Geld; Geld, das einem in bar oder in Form von Leistungen zusteht, oder Geld, das man dem Anbieter aufgrund eines aufrechten Vertragsverhältnisses schuldet. Aber auch abseits davon möchte man vielleicht gar nicht oder nur auf ausgewählten Plattformen virtuell weiterleben. Gründe genug, um selbst rechtzeitig aufzuräumen und nach einem nicht die digitale Sintflut hereinbrechen zu lassen.

Grundsätzliches und Hindernisse

AGB lesen

Was Hinterbliebene im Einzelnen tun müssen, um das Ableben des Kontoinhabers zu belegen, ist im Optimalfall in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Anbieters geregelt (was aber noch nicht heißt, dass die betreffenden Punkte auf der Website auch leicht auffindbar sind).

Oft ist wie in der analogen Welt die Übermittlung der Sterbeurkunde, des Personalausweises oder Reisepasses sowie der Einantwortungsurkunde (= Nachweis der gerichtlichen Übergabe der Verlassenschaft an die Erben) erforderlich. Fehlen entsprechende Festlegungen, muss man sich wohl oder übel mit dem jeweiligen Kundensupport herumschlagen.  

Hürden nicht ausgeschlossen 

​Selbst wenn alle Unterlagen beisammen sind, können allerdings Hindernisse auftauchen. Von allfälligen sprachlichen und bürokratischen Barrieren, weil die Anbieter im Ausland sitzen, reden wir gleich gar nicht. Auch in Deutschland war es beispielsweise vor dem eingangs genannten Urteil nicht selbstverständlich, dass Erben tatsächlich Zugriff auf das Konto bekamen, geschweige denn es übernehmen durften  – einfach deshalb, weil viele Anbieter eine andere Meinung vertraten.

In Österreich gibt es dazu bisher nur Einschätzungen einiger Juristen, die darauf hinweisen, dass die AGB eines Unternehmens gesetzliche Bestimmungen, die im Einzelfall anwendbar wären (z.B. aus dem Telekommunikationsgesetz), zwar einschränken, aber keinesfalls vollständig aushebeln könnten. Mangels eindeutiger gerichtlicher Entscheidungen bleibt die ganze Angelegenheit freilich vage.

Vertrauensperson

Eine Handvoll Anbieter ist mittlerweile von sich aus aktiv geworden und hat vergleichsweise kundenfreundliche Optionen zur Regelung des Nachlasses geschaffen, darunter Facebook und Google. Bei Facebook kann man über die Einstellungen jederzeit festlegen, ob das eigene Konto vollständig gelöscht oder in den sogenannten Gedenkzustand versetzt werden soll, wodurch es in eine Kondolenz­ und Erinnerungsseite umgewandelt wird.

Dazu benennt man dann einen Nachlasskontakt, also eine Person seines Vertrauens, die beschränkte Zugriffsrechte auf das Konto erhält. Den Zugriff auf gespeicherte Dateien kann man zusätzlich erlauben. Das Löschen von Inhalten oder die Einsichtnahme in private Chatverläufe ist hingegen nicht vorgesehen, was ja der Hintergrund für die eingangs erwähnte Klage gegen Facebook war. Bei Google wiederum leistet der sogenannte Kontoinaktivität­Manager Ähnliches. Auch hier kann man zu Lebzeiten eine Vertrauensperson benennen.

Bestandsaufnahme

Es empfiehlt sich auf jeden Fall das Führen einer Liste mit allen Diensten, bei denen man ein Konto angelegt hat. Die Namen allein sind schon eine gewisse Hilfe, weil sie den Hinterbliebenen einen Teil der mühsamen Nachforschungen ersparen. Weiters sollte man anmerken, was mit den einzelnen Konten und deren Inhalt passieren soll. 

 

Unterstützung in der Abwicklung

Noch mehr Sinn ergibt es natürlich, wenn die Aufstellung auch die dazugehörigen Benutzernamen und Passwörter enthält. Dann wird aus der Liste allerdings ein heikles Dokument, das nicht in falsche Hände gelangen sollte – egal ob vor oder nach dem eigenen Ableben. Man sollte sie daher an einem sicheren Ort aufbewahren und eine oder mehrere Vertrauenspersonen einweihen. Man kann die Liste auch dem Testament beilegen, was andererseits ihre Aktualisierung erschwert. Man muss nämlich mitbedenken, dass neue Dienste dazukommen können.

Masterpasswort

Auch die Passwörter können sich im Laufe der Zeit ändern, ja sollten aus Sicherheitsgründen sogar in gewissen Abständen erneuert werden. Ein Passwortmanager am Computer oder Smartphone ist eine Alternative zur (hand­)schriftlichen Liste, doch der zentrale Zugangsschlüssel dazu, das Masterpasswort, muss auch hier einer Vertrauensperson bekannt sein (inklusive Passwort oder PIN-­Code für Computer oder Smartphone). Ähnliches gilt auch für eine Lösung mit verschlüsseltem USB-­Stick.

Zusatzleistung der Bestatter

Aus dem bisher Geschilderten wird deutlich, welche Herausforderung es darstellt, den eigenen digitalen Nachlass sinnvoll zu regeln. Man kann sich vorstellen, wie überfordert Hinterbliebene sein können, wenn sie keine Informationen zur Hand haben und obendrein wenig sattelfest im Umgang mit den neuen Medien sind. Externe Dienstleister haben den Bedarf geortet und bieten als kostenpflichtige Serviceleistung das Auffinden und Löschen der Benutzerkonten von Verstorbenen an.

In Österreich ist seit zwei Jahren die deutsche Firma Columba aktiv, wobei der zur Wiener Städtischen Versicherung gehörende Wiener Verein hierzulande die Lizenzrechte hält. Kooperiert wird landesweit mit derzeit rund 110 Bestattungsunternehmen, bei denen die Hinterbliebenen (oder die das eigene Begräbnis im Voraus planende Person) den Nachlass­Service (auch: Abmelde-­Service) als kostenpflichtige Leistung dazubuchen können. Die Preisgestaltung ist den einzelnen Bestattern überlassen.

 

Ärgernis DRM

Wer Musik, Filme, E-­Books oder Spiele online erwirbt, begegnet dem Digitalen Rechtemanagement (DRM). Es handelt sich vereinfacht gesagt um einen Kopierschutz, der verhindern soll, dass die Person, welche die Nutzungsrechte an einem Werk erworben hat, Kopien davon weitergibt. Der Begriff „Nutzungsrechte“ weist schon darauf hin, dass  digitale Werke, anders als etwa DVDs oder gedruckte Bücher, nicht ins Eigentum des Käufers übergehen und zugleich an dessen persönliches Konto gebunden sind. Das ist in den AGB der Anbieter so geregelt und rechtlich zulässig. Pech für die Erben also, die immer dann leer ausgehen, wenn es keine (legale) Möglichkeit gibt, die Dateien auf eine Computerfestplatte zu kopieren oder auf CD zu brennen. 

VKI-Tipps

  • Übersicht. Erstellen Sie eine Liste mit allen Ihren Online­-Aktivitäten und legen Sie fest, was mit den einzelnen Konten und den darauf befindlichen Daten geschehen soll (sofern es der Anbieter zulässt).
  • Zugangsdaten. Überlegen Sie, wo und in welcher Form Sie Benutzernamen und Passwörter sicher aufbewahren und einer Person Ihres Vertrauens zugänglich machen können.
  • Geräte-Zugang. Schließen Sie in die Liste auch Passwörter und PINs von Computer, Smartphone etc. mit ein.
  • Aktualisierung. Vergessen Sie nicht, die oben genannte Liste auf aktuellem Stand zu halten.
  • Lokale Sicherung. Manche Online-Anbieter sehen im Todesfall ausschließlich die Löschung des Kontos vor. Sichern Sie Dateien, die Sie für Ihre Nachkommen bewahren möchten, zusätzlich lokal auf einer (externen) Festplatte.

Leserreaktionen

Digitales Testament

Ich bin schon lange Leser Ihres sehr interessanten Testmagazins. Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag zum Thema „Digitaler Nachlass“ gelesen. Ich habe dabei festgestellt, dass leider das sehr interessante Produkt, das die österreichische Notariatskammer dazu entwickelt hat, nicht angeführt ist.

Dr. Richard Forster
Notar
Feldkirch
(aus KONSUMENT 1/2019)

Als neutrale Information und Ergänzung zu unserem Artikel weisen wir gerne darauf hin, dass die Österreichische Notariatskammer laut einer Presseaussendung vom November 2017 das „digitale Testament“ zur Regelung des digitalen Nachlasses sowie die Möglichkeit der Hinterlegung von Zugangsdaten und Passwörtern beim Notar anbietet. Näheres dazu erfährt man bei den in Österreich tätigen Notarinnen und Notaren, eine erste Rechtsauskunft ist kostenlos.

Die Redaktion

SecureSafe

Wenn man dem Unternehmen grundsätzlich vertraut, bietet SecureSafe eine sichere Passwort- und Datenvererbung an.

Franz Spindler
E-Mail
(aus KONSUMENT 1/2019)

Zu dem Schweizer Cloud-Anbieter SecureSafe liegen uns keine eigenen Testergebnisse vor. Das Schweizer TV-Magazin „Kassensturz“ und die belgische Konsumentenorganisation „Test Achats“ haben in einem gemeinsamen Test im Jahr 2017 für das kostenpflichtige Angebot von SecureSafe ein „sehr gut“ bei der Sicherheit vergeben, zugleich aber die geringe Nutzerfreundlichkeit und Angebotsvielfalt bemängelt.

Die Redaktion

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