Zum Inhalt
Jahres-Stromabrechnung
Strom: Erfreulicherweise gibt es beim Anbieterwechsel wieder mehr Auswahl. Bild: Gopixa Shutterstock

Stromkostenbremse: Wie sie wirklich berechnet wird

| 4 Kommentare

... und was das für Auswirkungen bei der Suche nach einem neuen Stromlieferanten hat.

Derzeit kommt es vermehrt zu Kündigungen von Strombezugs-Verträgen. Die EVN ist hier als prominentestes Beispiel zu nennen, auch die Klagenfurter Stadtwerke stellen Bestandskund:innen vor vollendete Tatsachen. 

Gern wird von den Energielieferanten argumentiert, dass die angebotenen neuen Tarifmodelle durchaus attraktiv seien bzw. viel durch die Strompreisbremse des Bundes abgefedert würde.

Dass die Strompreisbremse viel komplizierter konstruiert ist, als gemeinhin kommuniziert, wird gern verschwiegen.

Zur Erinnerung: Die Strompreisbremse beginnt ab einem Energiepreis von 10 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zu greifen. Die obere Förderschwelle liegt bei 40 Cent/kWh. Und der Maximalverbrauch darf 2.900 kWh pro Jahr nicht überschreiten. Wer mehr als diese Strommenge verbraucht, zahlt für die Differenz den vollen Marktpreis.

 Beispiele entnehmen Sie dieser Grafik:

Strompreisbremse Beispiel Stromkostenzuschussgesetz
Bild: VKI/RO

Steuer zahlen Kund:innen

In der medialen Berichterstattung wird vielfach ausgespart, dass die genannten Preisschwellen Nettobeträge sind. Die Umsatzsteuer, die freilich auch zu bezahlen ist, müssen die Verbraucher:innen berappen. Berechnet wird sie ausgehend vom vollen Energiepreis-Betrag – ohne die Abfederung des Zuschusses. Nehmen wir das mittlere Beispiel aus der Grafik oben: Wer einen Energiepreis von netto (!) 40 Cent/kWh vom Energieversorger in Rechnung gestellt bekommt, erhält, bis zu einem Jahresverbrauch von 2.900 kWh, 30 Cent vom Bund. Man müsste also 10 Cent selbst bezahlen. Netto wohlgemerkt. Die Umsatzsteuer wird allerdings nicht ausgehend von diesen 10 Cent berechnet, sondern von den vollen 40 Cent. Sie beträgt somit 8 Cent/kWh. Der eigentliche Betrag (brutto), der nun berappt werden muss, beträgt somit nicht 10, sondern 18 Cent/kWh. Ein eklatanter Unterschied.

Was ist der „Energiepreis“ überhaupt?

Aber wo finde ich denn überhaupt diesen „Energiepreis“? Am Stromliefervertag, den man abgeschlossen hat? Würde man zumindest gemeinhin vermuten. Aber dem ist nicht so. Was man dort findet, ist der sogenannte Arbeitspreis in Cent/kWh. Der ist aber nur ein Berechnungsbestandteil des „Energiepreises“, so wie er im Stromkostenzuschussgesetz genannt wird. Hinzugerechnet werden muss auch noch der Grundpreis – oft in Euro/Monat, bisweilen auch in Euro/Jahr in den Stromlieferverträgen ausgewiesen. Um den Grundpreis in Cent/kWh umzurechnen,  muss man ihn durch den Jahresstromverbrauch dividieren. Beispiel: Bei einem Grundpreis von 30 Euro/Jahr und einem Verbrauch von 3.000 kWh wäre es 1 Cent/kWh. Wenn man nun Arbeits- und Grundpreis addiert, kommt man dem „Energiepreis“ ein Stück näher (wohlgemerkt: Immer die Nettopreise heranziehen,  also ohne Umsatzsteuer).

Rabatte fließen in Berechnung ein

Der Komplexität aber noch nicht genug. Für die Berechnung des Energiepreises muss man alle Energiepreisbestandteile heranziehen, die vom Stromlieferanten selbst ausgestaltet werden können. In anderen Worten: auch allfällige Rabatte. Also zum Beispiel Gratistage, prozentuelle Rabatte vom Arbeitspreis (ev. auch vom Grundpreis), Pauschalrabatte oder Mengenrabatte.

Wie die in die Gesamtrechnung inkludiert werden? Das würde den Rahmen sprengen. Rabatte haben aber zuweilen starke Auswirkungen auf die konkrete Höhe der Strompreisbremse. Die Energieregulierungsbehörde E-Control hat dankenswerterweise einen Stromkostenrechner programmiert (ein Excel-Sheet), mit dem man näherungsweise errechnen kann, welchen Beitrag der Bund als Stromkostenbremse zur Stromrechnung beisteuert. Ab April soll auch im Tarifkalkulator der E-Control die zu erwartende Höhe der Stromkostenbremse ausgewiesen werden. Momentan fehlt diese Information dort leider noch.

Anbieterwechsel: wieder mehr Auswahl

Erfreulicherweise können Wechselwillige (oder jene, die durch die Aufkündigung ihrer Altverträge zum Anbieterwechsel genötigt werden) derzeit wieder auf einen größeren Pool von unterschiedlichen Angeboten zurückgreifen – zumindest im Vergleich von vor zwei, drei Monaten. Auffällig ist allerdings, dass die Arbeitspreise vielfach sehr hoch sind und die Kundschaft insbesondere mit zum Teil sehr üppigen Rabatten angelockt wird. Für Johannes Mayer, der in der E-Control die Abteilung Volkswirtschaft leitet, ist das „bedauerlich“, wie er im Gespräch mit KONSUMENT sagt. Arbeitspreise für Neukunden in der Größenordnung von 30 Cent seien aktuell nicht angebracht, weil zu hoch. „Das stimmt mit den Großhandelspreisen eigentlich nicht überein.“  Mayer hält aktuell 20 Cent und weniger für angemessen.

Gesamtpreise ähnlich

Ob man nun einen Tarif mit oder ohne Rabatt wählt, ist in der derzeitigen Situation fast schon Geschmackssache. Denn die sehr unterschiedlichen Tarif-Ausgestaltungen in den Verträgen gepaart mit den (komplexen) Berechnungsgrundlagen der Stromkostenbremse haben das Resultat, dass sich die Gesamtpreise tendenziell annähern. So haben Tarife, die mit im Vergleich niedrigeren Arbeits- bzw. Grundpreisen agieren, aktuell den „Vorteil“, dass die Stromkostenbremse höher zu Buche schlägt. Wer ein Angebot mit hohen Rabatten (und entsprechend höheren Arbeits- bzw. Grundpreisen) wählt, der wird von der Stromkostenbremse weniger profitieren. Unterm Strich bleibt, wie gesagt, vielfach wenig Unterschied. Aber Obacht: Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Insofern ist es jedenfalls anzuraten, Tarifkalkulator und auch den Stromkostenrechner der E-Control  konkret zu Rate zu ziehen und gegenzurechnen.

Tipp: aktiv bleiben

Nach dem Anbieterwechsel ist vor dem Anbieterwechsel: Bei Tarifen mit Mindestvertragsdauer sollten Sie vor Ablaufen dieser Frist (meist ein Jahr) aktiv werden. Checken Sie z.B. via Tarifkalkulator, ob es nicht bessere Angebote am Markt gibt. Ein Einmalrabatt, der das Angebot ursprünglich attraktiv gemacht hat, fällt im Folgejahr weg. Übrig bleiben hohe Arbeits- und Grundpreise – und man zahlt unnötig drauf.

Sind Float-Tarife eine Option?

Mit Float-Tarifen bezeichnet man Preismodelle, bei denen der Arbeitspreis nicht fixiert ist, sondern (in der Regel) monatlich angepasst wird. Basis der Anpassung ist die Entwicklung an den Großhandelsmärkten (Strombörsen). Bei Float-Tarifen liegen die Arbeitspreise momentan im Bereich von 15 Cent/kWh, was durchaus attraktiv ist. Aber wie gesagt, das kann sich natürlich wieder ändern. Verschärfen sich die wirtschafs-politischen Rahmenbedingungen, hat das Auswirkungen auf die Energiemärkte. Wer sich also für einen Float-Tarif entscheidet, muss laufend (jedenfalls monatlich) die Preisentwicklung im Auge behalten. Abschließen und zurücklehnen ist bei Floatern nicht ratsam.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Stromkostenbremse: Läuft Ende 2024 aus

Stromkostenbremse: Läuft Ende 2024 aus

Um die hohen Energiepreise während der Teuerungskrise abzufedern, wurde die Stromkostenbremse Ende 2021 vom Bund eingeführt. Nun läuft sie mit 31.12.2024 aus.

Kommentieren

Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.

Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.

Anmelden

4 Kommentare

Stromkostenbremse bei Float-Tarifen

ProfAn, 16. Mai 2023, 19:05

Ich habe einen Float-Tarif mit stündlicher Preisanpassung (Hourly). Teilweise sinkt der Preis unter 10 Cent/kWh (manchmal geht der Preis sogar ins Negative). Zu diesen Zeiten lade ich z.B. das Elektroauto.

Frage 1: Wird dieser Verbrauch vom jährlich geförderten Kontingent von 2900 kWh trotzdem abgezogen, obwohl ja gar keine Förderung zur Anwendung kam?

Frage 2: Noch komplizierter wird es, wenn die geförderte Menge von 2900 kWh überschritten wird. Dann muss man ja den vollen Preis bezahlen, nur welcher wäre das bei einer stündlichen Änderung? Auch die Aliquotierung der Förderung auf Tage (7,95 kWh/Tag) würde das Abrechnungsproblem nicht lösen. Zudem gibt es auch Schwankungen im Tagesverbrauch, mal mehr wie 7,95 kWh mal weniger.

Stromkostenbremse bei Float-Tarifen

Redaktion, 17. Mai 2023, 13:05

Bitte wenden Sie sich an die E-Control:
www.e-control.at/konsumenten/service-und-beratung

Floating-Tarif

Tassilo, 27. März 2023, 11:03

Was kann man tun, wenn der Energielieferant seinen Tarif nicht anpasst? Habe ich dann ein Sonderkündigungsrecht? Z.B. verrechnet die EVN über 40 Cent (netto) pro kWh und Sie schreiben, dass der Preis bei Floating bei 20 Cent liegt. Normalerweise nennt man so etwas Preistreiberei und dagegen gibt es sogar Gesetze ...

Sonderkündigungsrecht

Redaktion, 30. März 2023, 09:03

Um konkrete Einschätzung geben zu können, müssten die Anpassungsklausel im Vertrag geprüft werden. Sollte der Energieanbieter tatsächlich nicht korrekt anpassen, kann eine entsprechende Preiskorrektur, sowohl rückwirkend als auch für die Zukunft, gefordert werden. Wenn Sie genauere Informationen zu Ihrer Anpassungsklausel oder zu Kündigungsmöglichkeiten benötigen, wenden Sie sich bitte an unsere Beratung: https://vki.at/beratung

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang