Na klar, im Sommer schreiben alle übers Reisen. Liegt ja auf der Hand. Ich also auch. Statusmeldung: Zurück aus dem 10-Tage-Istrien-Familienurlaub. Entsprechend total urlaubsreif. Die Büroarbeit fühlt sich gerade ziemlich entschleunigend an – die kleinen Elternfreuden im Berufsalltag.
Auf der Suche nach einem griffigen Aufhänger für diese Kolumne stieß ich auf eine Aussendung der Lufthansa. Und war sogleich ergriffen. Nein, schlechtes Wortspiel. Ich war vielmehr sauer. Die Lufthansa und alle ihre Töchter, also auch die AUA, las ich da, werden ab Jänner 2025 bei jedem Flug, der in der EU startet, einen „Umweltkostenzuschlag“ einheben. Man sei dazu gezwungen, wegen gestiegener Kosten aufgrund von EU-Umweltvorgaben.
Eine dieser unerhörten Umweltvorgaben, die alles teurer machen: eine verpflichtende Beimischung von nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF). Echt jetzt? Vor zwei Jahren noch johlte die AUA voll grünem Stolz, dass man solche SAF-Kraftstoffe eh schon beimische. Was heißt beimische, wer will, könne mit 100 Prozent SAF von Wien nach Venedig fliegen, hieß es damals in einer Marketingkampagne. Was nicht stimmte, weil technisch gar nicht möglich. Wir klagten wegen irreführendem Greenwashing und bekamen recht.
Zuschlag lächerlich gering
Zurück zum „Umweltkostenzuschlag“ – und was mich daran noch stört. Erstens: Der Zuschlag ist lächerlich gering. Für die Economy-Class auf der Kurz- und Mittelstrecke ein bis fünf Euro, maximal 72 Euro in der Langstrecken-First-Class. Ich zitiere einen Kommentar eines Zeit-Online-Users zum Thema: „Diese Mini-Umweltgebühr ist doch Hohn gemessen an den gewaltigen Umweltschäden, welche durch die Fliegerei erzeugt werden.“ Da kann ich nur beipflichten.
Und zweitens: Die Lufthansa wird diesen „Umweltkostenzuschlag“ nicht direkt auf den Ticketpreis aufschlagen. Nein, der Zuschlag wird separat in den Preisdetails ausgewiesen. Na toll. Was wird dadurch suggeriert, was ist der psychologische Effekt? Mit den paar Euro mehr kann ich jetzt mit reinem Gewissen klimaneutral fliegen! Jippie!
Reisen boomt. Fliegen boomt
Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Und wird es auch in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Um die Vielfliegerei einzudämmen, müssten Flugtickets eklatant teurer werden. „Die Divergenz zwischen der wissenschaftlichen Einsicht, was nötig wäre, und dem, was die Politik macht, ist nach wie vor riesig“, sagte mir Tourismusforscher Stefan Gössling 2021 im „Nachhaltigen Interview“.
Daran hat sich wenig geändert. Die eingangs erwähnten EU-Umweltvorgaben sind höchstens ein Anfang. Nicht falsch verstehen: Reisen ist total wichtig. Urlaub tut gut. Aber bitte nicht komplett entkoppelt von der Klimafrage.
Wenn Sie jetzt denken: „Die Flugmeilen-Sammelei der oberen 10.000 würde mit höheren Preisen ohnedies nicht eingebremst“, dann gebe ich Ihnen recht. Laut Gössling verursacht nur ein Prozent der Menschheit 50 Prozent der Flugverkehrsemissionen. Verrückt! Braucht es da so etwas wie ein gedeckeltes Mobilitätskontingent pro Erdenbürger? Einmal ausgeschöpft, muss man am Boden bleiben?
Was meinen Sie?
Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.
Markus Stingl, Redakteur
Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen
zeppenfeld, 20. August 2024, 19:08
Es sei jetzt mal dahingestellt, wie sinnvoll es ist, sich überhaupt von A nach B zu bewegen, aber nennen Sie mir bitte eine sinnvolle, also auch durchführbare, Fortbewegungsart von Wien nach Bangkok, die weniger klimaschädlich ist als der Flug mit einer Fluggesellschaft.
Zu diesem Beispiel gilt: Flugzeit 09:45h, Reisezeit ca 13:00h, Verbrauch bei voller Auslastung einer B777 2,17l/Person/100km Kerosin (entspricht in etwa Diesel).
Wer bietet weniger?