Zum Inhalt
Flugzeuge und Kondensstreifen am blauen Himmel
Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Und wird es auch in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Bild: FotoHelin/Shutterstock

Frei wie ein Vogel?

BLOG

ÖKO.LOGISCH

Ein „Umweltkostenzuschlag“ für Flugreisen? Klingt gut. Im Detail betrachtet merkt man aber schnell: Immer schön am Boden bleiben.

Na klar, im Sommer schreiben alle übers Reisen. Liegt ja auf der Hand. Ich also auch. Statusmeldung: Zurück aus dem 10-Tage-Istrien-Familienurlaub. Entsprechend total urlaubsreif. Die Büroarbeit fühlt sich gerade ziemlich entschleunigend an – die kleinen Elternfreuden im Berufsalltag.

Auf der Suche nach einem griffigen Aufhänger für diese Kolumne stieß ich auf eine Aussendung der Lufthansa. Und war sogleich ergriffen. Nein, schlechtes Wortspiel. Ich war vielmehr sauer. Die Lufthansa und alle ihre Töchter, also auch die AUA, las ich da, werden ab Jänner 2025 bei jedem Flug, der in der EU startet, einen „Umweltkostenzuschlag“ einheben. Man sei dazu gezwungen, wegen gestiegener Kosten aufgrund von EU-Umweltvorgaben.

Eine dieser unerhörten Umweltvorgaben, die alles teurer machen: eine verpflichtende Beimischung von nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF). Echt jetzt? Vor zwei Jahren noch johlte die AUA voll grünem Stolz, dass man solche SAF-Kraftstoffe eh schon beimische. Was heißt beimische, wer will, könne mit 100 Prozent SAF von Wien nach Venedig fliegen, hieß es damals in einer Marketingkampagne. Was nicht stimmte, weil technisch gar nicht möglich. Wir klagten wegen irreführendem Greenwashing und bekamen recht.

Zuschlag lächerlich gering

Zurück zum „Umweltkostenzuschlag“ – und was mich daran noch stört. Erstens: Der Zuschlag ist lächerlich gering. Für die Economy-Class auf der Kurz- und Mittelstrecke ein bis fünf Euro, maximal 72 Euro in der Langstrecken-First-Class. Ich zitiere einen Kommentar eines Zeit-Online-Users zum Thema: „Diese Mini-Umweltgebühr ist doch Hohn gemessen an den gewaltigen Umweltschäden, welche durch die Fliegerei erzeugt werden.“ Da kann ich nur beipflichten.

Und zweitens: Die Lufthansa wird diesen „Umweltkostenzuschlag“ nicht direkt auf den Ticketpreis aufschlagen. Nein, der Zuschlag wird separat in den Preisdetails ausgewiesen. Na toll. Was wird dadurch suggeriert, was ist der psychologische Effekt? Mit den paar Euro mehr kann ich jetzt mit reinem Gewissen klimaneutral fliegen! Jippie!

Reisen boomt. Fliegen boomt

Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Und wird es auch in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Um die Vielfliegerei einzudämmen, müssten Flugtickets eklatant teurer werden. „Die Divergenz zwischen der wissenschaftlichen Einsicht, was nötig wäre, und dem, was die Politik macht, ist nach wie vor riesig“, sagte mir Tourismusforscher Stefan Gössling 2021 im „Nachhaltigen Interview“

Daran hat sich wenig geändert. Die eingangs erwähnten EU-Umweltvorgaben sind höchstens ein Anfang. Nicht falsch verstehen: Reisen ist total wichtig. Urlaub tut gut. Aber bitte nicht komplett entkoppelt von der Klimafrage.

Wenn Sie jetzt denken: „Die Flugmeilen-Sammelei der oberen 10.000 würde mit höheren Preisen ohnedies nicht eingebremst“, dann gebe ich Ihnen recht. Laut Gössling verursacht nur ein Prozent der Menschheit 50 Prozent der Flugverkehrsemissionen. Verrückt! Braucht es da so etwas wie ein gedeckeltes Mobilitätskontingent pro Erdenbürger? Einmal ausgeschöpft, muss man am Boden bleiben? 

Was meinen Sie?

Markus Stingl - Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen
Markus Stingl, Bakk. phil. | Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.

Markus Stingl, Redakteur

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Was können die Kompost-Kapseln? BLOG

Was können die Kompost-Kapseln?

Recycling-Systeme hin oder her: Kapsel-Kaffee-Trinker:innen verursachen viel Müll. Seit einiger Zeit gibt es heimkom­postierbare Kapseln zu kaufen. "Zahlt sich das aus?", fragt sich Nachhaltigkeitsredakteur Markus Stingl im Öko.Logisch-Blog.

Winterurlaub in Grönland. Echt jetzt? BLOG

Winterurlaub in Grönland. Echt jetzt?

„Kennen Sie Grönland im Winter?“ Diese Betreffzeile eines Reise-Newsletters hat unseren Nachhaltigkeits-Redakteur Markus Stingl mittelschwer verwirrt. Denn „Grönland“, „Urlaub“ und „Winter“ passen so gar nicht in sein unbedarftes Bild vom hohen Norden. Aber Klimawandel sei Dank ist so eine Reise inzwischen offenbar möglich. Mehr dazu in der aktuellen Öko.Logisch-Kolumne.

Einweg ade! Scheiden tut weh? BLOG

Einweg ade! Scheiden tut weh?

Unser Nachhaltigkeits-Redakteur Markus Stingl greift in seiner „Öko.Logisch“-Kolumne die Bedenken einer Leserin auf: Sie befürchtet, dass der Einwegpfand, der im Jänner eingeführt wird, sowie die kontinuierliche Erhöhung der Mehrwegquoten zu schleichenden Preiserhöhungen führen werden.

Die KI braucht Energie BLOG

Die KI braucht Energie

Rechenzentren sind die „Gehirne“ Künstlicher Intelligenz. Und die verschlingen bereits jetzt Unmengen an Energie. Nachhaltigkeitsredakteur Markus Stingl hat sich in seiner Öko.Logisch-Kolumne Gedanken über den Energiehunger von KI-Anwendungen gemacht.

Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es BLOG

Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es

ÖKO.LOGISCH: Wer im Autopilot-Modus unterwegs ist, gestaltet die Zukunft nicht, sondern lässt sie passieren. Es spricht viel dafür, das Lenkrad wieder selbst in die Hand zu nehmen, meint Nachhaltigkeits-Redakteur Markus Stingl.

Die Fairbuds im Schnell-Check BLOG

Die Fairbuds im Schnell-Check

Die Fairbuds von Fairphone sind ein Unikum am Markt. Es sind die ersten In-Ear-Kopfhörer mit austauschbarem Akku.

Kommentieren

Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.

Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.

Anmelden

1 Kommentar

Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen

zeppenfeld, 20. August 2024, 19:08

Sie behaupten ohne Belege "Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen". Dies kann nicht unwidersprochen bleiben, denn es kommt, wie so oft, auf den Einzelfall an.
Es sei jetzt mal dahingestellt, wie sinnvoll es ist, sich überhaupt von A nach B zu bewegen, aber nennen Sie mir bitte eine sinnvolle, also auch durchführbare, Fortbewegungsart von Wien nach Bangkok, die weniger klimaschädlich ist als der Flug mit einer Fluggesellschaft.

Zu diesem Beispiel gilt: Flugzeit 09:45h, Reisezeit ca 13:00h, Verbrauch bei voller Auslastung einer B777 2,17l/Person/100km Kerosin (entspricht in etwa Diesel).

Wer bietet weniger?

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang