Zum Inhalt
Stefan Gössling
Tourismusforscher Prof. Stefan Gössling. Bild: Meike Rinsche

"Fliegen ist elitär" - Nachhaltiges Interview mit Prof. Stefan Gössling

premium

1% der Menschen verursacht 50% der Flugemissionen. Der deutsche Tourismusforscher und Universitätsprofessor Stefan Gössling gilt als einer der renommiertesten Experten zum Thema Fliegen und Klimawandel.

KONSUMENT: Herr Professor Gössling, Reisen bzw. die Planung einer Reise in Pandemiezeiten ist, gelinde gesagt, kompliziert. Wie lange, denken Sie, müssen wir uns noch gedulden, um wieder so reisen zu können, wie wir wollen?

Prof. Stefan Gössling: Ich würde mir wünschen, dass wir schon wieder zum Sommer in Gang kommen mit dem Reisen. Denn insbesondere für Tourismusländer wäre es sehr wichtig, dass Tourismus wieder stattfinden kann.

KONSUMENT: Sie stehen vielen Aspekten des Reisens kritisch gegenüber. Ins­besondere jenen, die den Klimawandel befeuern. Aber gegen das Reisen per se haben Sie offenbar nichts einzuwenden?

Gössling: Nein, im Gegenteil. Reisen kann ein phantastisches Erlebnis sein. Tourismus, wenn er richtig organisiert ist, kann die Wirtschaft fördern, mit sehr geringen negativen ­Umwelt-Implikationen. Meine Aufgabe als Forscher ist es, auf Probleme hinzuweisen, die sich aus bestimmten Reise-Formen ergeben. Und das betrifft eigentlich nur einen kleinen Teil der Reisen. Und das Verhalten einer lediglich kleinen Gruppe von Menschen.

Wie passt das mit der Armada an vollgepackten Billigfliegern zu­sammen, die seit circa 20 Jahren den Himmel durchkreuzen?

Ein Großteil der Weltbevölkerung fliegt nicht. Global gesehen fliegen auf ein Jahr gerechnet nur 11 Prozent der Menschen. Und es sind, weil ein Großteil des Flugaufkommens innerhalb der USA stattfindet, überhaupt nur 4 Prozent, die in einem Jahr über eine Landesgrenze hinweg fliegen. Fliegen ist elitär. Nur 1 Prozent der Menschheit verursacht 50 Prozent der Flugverkehrs­emissionen: die super-frequenten Flugreisenden. Was wir in den Industrieländern als Standard ansehen, also häufiges Fliegen, ist global betrachtet überhaupt nicht so. Aber selbst für die Industrieländer stimmt es nicht wirklich, denn nur maximal die Hälfte der westlichen Bevölkerung fliegt innerhalb eines Jahres. Also auch da haben wir diesen elitären Effekt, trotz Billigflieger.

Manche Experten sprachen in den vergangenen Monaten von einer Zäsur im Fremdenverkehr, vom Anfang vom Ende des Billigtourismus. Andererseits explodierten in England Ende Februar die Buchungen bei der Billigairline Easyjet, als die Politik zu erkennen gab, dass Auslandsurlaub ab dem Spätfrühling wieder möglich sei. Schwingt das Pendel wieder zurück?

In der Krise ist ein Riesen-Wunsch ent­standen, wieder verreisen zu können. Und ich gehe davon aus, dass es einen Riesen- Rebound geben wird, sobald es wieder möglich sein wird. Die Leute werden die Billigfluglinien erst mal nicht meiden. Aber unsere Studien zeigen auch, dass die Menschen seit 2018, seit Fridays for Future, viel kritischer geworden sind – gerade was den Flugverkehr anbelangt.

Premium

Weiterlesen mit KONSUMENT-Abo:

  • 24-Stunden-Ticket
    oder
  • Online-Flatrate

Zugriff auf alle Artikel und Testergebnisse schon ab 3,75 Euro/Monat

Jetzt weiterlesen

Bereits registriert? Hier anmelden.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Greenwashing unter Anklage

Greenwashing unter Anklage

Vor Gericht. Gösser war erst der Anfang: Wir vom VKI wollen mehr Greenwashing-Rechtsprechung in Gang setzen! Was möglich ist, zeigt der Blick nach Deutschland.

AUA: wegen Greenwashing verurteilt

AUA: wegen Greenwashing verurteilt

Ein „CO2-neutraler Flug“ nach Venedig mit 100 % nachhaltigem Treibstoff: Ein Gericht verurteilte die AUA wegen Irreführung.

ARGE Heumilch: Arge Täuschung

ARGE Heumilch: Arge Täuschung

Ist Heumilchtrinken ein Beitrag zum Klimaschutz? Ein Werbespot behauptet das. Greenwashing oder nicht? Die ARGE Heumilch hat die Frage nach Veröffentlichung unseres Checks selbst beantwortet: Der Werbespot ist im Internet nicht mehr zu finden.

Grüne Erde Reportage: Handwerk zum Zuschauen

Grüne Erde Reportage: Handwerk zum Zuschauen

Zu Besuch bei einem Möbel- und Textilproduzenten, der in Scharnstein im Almtal biozertifizierte Matratzen, Heimtextilien und Naturkosmetik herstellt. Der Anspruch dabei: eine Produktion im Einklang mit der Natur und nur aus nachwachsenden Rohstoffen zu schaffen.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums

Sozialministerium
Zum Seitenanfang