Angefangen hat meine Intervallfastenreise im März 2018. Berufsbedingt sensibilisiert auf meine Risikofaktoren und letztendlich auch hervorgerufen durch eine schwere, wahrscheinlich wohlstandsbedingte Erkrankung eines engen Familienmitglieds, war ich schon seit Monaten dabei, meinen Lebensstil noch gesünder zu gestalten. Das hieß mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte zu essen, mich mehr zu bewegen und vor allem zu versuchen, mein Gewicht wieder in einen gesunden Bereich zu bringen. Fasten kam mir damals nicht in den Sinn, galt es doch in der Ernährungswissenschaft als verpönt. Auch in den Konsument-Diätbücherbeurteilungen seit 1995 (!) kamen Fastenkuren schlecht weg – sie fielen allesamt durch, weil sie nach dem damaligen Stand der Wissenschaft nicht für eine nachhaltige Gewichtsreduktion geeignet waren. Damals galt, dass das Risiko, in der Jo-Jo-Falle zu landen, zu groß sei und dass man einen gefährlichen Abbau der Muskelmasse riskiere.
Deshalb versuchte ich, mit einer energiereduzierten Mischkost mein Gewicht nach unten zu bringen, was nur sehr zäh und mühsam voranging. Jeder, der das schon mal versucht hat, weiß, dass das harte Arbeit ist, auch wenn man, wie ich, berufsbedingt einen gewaltigen Wissensvorsprung hat.
Autophagie – was ist das?
Im März 2018, genauer gesagt am 14. März, hörte ich auf Ö1 im Salzburger Nachtstudio ein Interview von Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Frank Madeo. "Die molekulare Kraft des Fastens" hieß der Beitrag. Frank Madeo ist Altersforscher an der Universität Graz und beschäftigt sich mit der Regulation unterschiedlicher Zelltodmechanismen. In dem Beitrag beschrieb er für mich recht anschaulich, wie über Intervallfasten die Autophagie in Gang kommt. Bei der Autophagie wird in jeder Zelle des Körpers aufgeräumt: schadhaft gefaltete Eiweißmoleküle oder Zellorganellen, die nicht mehr richtig funktionieren, werden in ihre Einzelbestandteile zerlegt, verarbeitet und anschließend wieder genutzt – sei es zur Energiegewinnung oder zum Aufbau von neuen Strukturen. Autophagie ist ein Recyclingprozess im Körper, der immer dann startet, wenn die Nährstoffzufuhr stockt. In der Forschung beschäftigt man sich intensiv mit der Autophagie, da Hoffnung besteht, dass durch sie das Risiko, an bestimmten altersabhängigen Krankheiten wie Demenz oder Krebs zu erkranken, gesenkt werden kann.
Also doch fasten?
Für mich war dieses Interview ein absolutes Aha-Erlebnis: Alles, was in der Ernährungswissenschaft bisher als „böse“ galt, soll plötzlich laut Altersforscher „gut“ sein? Das war der Ansporn, mich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Relativ schnell in diesem Prozess kam ich mit der Intervallfastenmethode 16:8 in Berührung. Im Prinzip ist das eine Variante des altbekannten Dinner Cancelling, nur dass man hierbei das Frühstück anstatt dem Abendessen weglässt. Dinner Cancelling hätte ich mir nie vorstellen können. Am Abend etwas Frisches zu kochen und im Anschluss mit meiner Familie gemeinsam zu essen, ist mir einfach zu wichtig. Aber das Frühstück weglassen, das schaffe ich locker. Hatte ich doch nie Hunger in der Früh. Meist trank ich zwei Milchkaffees und habe mich dann im Laufe des Vormittags gezwungen, ein Weckerl oder ein Müsli zu essen. Letztendlich habe ich nur gefrühstückt, weil auch das laut Ernährungswissenschaft empfohlen wurde…
Frühstück, die wichtigste Mahlzeit des Tages?
Aber auch hier findet langsam ein Paradigmenwechsel statt. In einer Übersichtsstudie, veröffentlicht im British Medical Journal, kam man zu einem interessanten Ergebnis. Entgegen der Annahme, dass ein Frühstück vor späteren Heißhungerattacken schützt und so bei einer Gewichtsreduktion hilft, scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein. Nicht-Frühstücker (sowohl Normal- als auch Übergewichtige) nahmen pro Tag rund 260 kcal weniger auf und hatten ein im Schnitt um 0,44 kg geringeres Gewicht. Die Conclusio der Forscher war damit, dass der Verzicht aufs Frühstück vermutlich bei der Gewichtsreduktion hilft.
Der Start des Selbstversuches
Parallel zu meinen Nachforschungen rund ums Fasten und um Alterungsprozesse habe ich im März 2018 relativ schnell nach der Ö1-Sendung meinen Selbstversuch gestartet. Natürlich nicht, ohne mich vorher genau zu vermessen, damit ich am Ende für die Beurteilung des Selbstversuches objektive Daten zur Verfügung habe. Ich benutzte dazu eine Körperfettwage, und zwar eine, die durch zusätzliche Handelektroden mehr Daten liefert. Generell sollte man allerdings diese Körperfettmessgeräte primär für Verlaufsmessungen heranziehen, Absolutwerte darf man sich davon nicht erwarten, wie unsere Tests von Körperfettmessgeräten und Personenwaagen zeigten. Mit meiner Waage kann ich mir die Monatsdurchschnittswerte anzeigen lassen, so bin ich nicht der täglichen Schwankungsbreite durch Sport, Zyklus etc. ausgesetzt. Die Durchschnittswerte vom Februar 2018, also vor Start des Selbstversuches, waren wenig erfreulich. Mein BMI lag mit 25,9 im Übergewichtsbereich, sowohl Körpergewicht als auch Fettanteil waren zu hoch.
Kein Frühstück mehr
Unter diesen Voraussetzungen startete ich. Am Anfang war es, obwohl ich ein Frühstücksmuffel bin, gar nicht so einfach, die 16 Stunden Fasten einzuhalten. Am Abend hatte ich ordentlich Hunger, war ich es doch gewohnt, noch nach dem Abendessen zu snacken. Und auch am späten Vormittag kam der Hunger. Deshalb habe ich mich schrittweise angenähert – zuerst 14 Stunden, dann 15 Stunden, bis ich schließlich 16 Stunden (und mehr) schaffte. Meine stärkste Waffe gegen den Hunger: viel schwarzer Kaffee am Vormittag, denn dieser ist erlaubt und soll laut Frank Madeo sogar die Autophagie unterstützen.
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