Das Gackerl mit dem Sackerl
Mit dem österreichweiten Plastiksackerlverbot im Handel ab 2020 wurde ein erster Schritt zur Reduktion von Kunststoffen gesetzt. Um Umwelt- und Gesundheitsschäden zu minimieren, braucht es aber mehr.
Wo ist das Problem?
Vor kurzem hat die österreichische Regierung ein Plastiksackerlverbot im Handel ab 2020 erlassen. Das ist dringend notwendig und ein erster Schritt – aber angesichts der ökologischen Herausforderungen infolge der Plastikproduktion und –entsorgung definitiv noch zu wenig. Kunststoff stellt die Menschheit vor eine gewaltige Herausforderung:
- Ressourcenverbrauch: Der fossile Ressourcenverbrauch von Kunststoffen ist hoch, so besteht z.B. eine 250ml-Shampooflasche aus Polyethylen in etwa aus 1,1 Litern Erdöl. Bei der Verbrennung werden dementsprechend den Klimawandel beschleunigende Treibhausgase freigesetzt, bei Deponierung ist die mangelnde Abbaubarkeit vieler Kunststoffe problematisch - denn diese beträgt, je nach Kunststoffart, zwischen einigen wenigen Jahren bis zu mehreren Jahrhunderten.
- Plastik im Meer: Unmengen Plastikmüll gelangen in die Umwelt, insbesondere in die Ozeane, die dort gewaltige Plastikmüllstrudel bilden. Jährlich verenden am Plastik in etwa 100.000 Meeressäuger und circa 1 Million Meeresvögel (nabu.de). Es klingt mehr als bedenklich, dass bei gleichbleibender Entwicklung ab 2050 mehr Kunststoff als Fisch im Meer vorhanden sein wird (Weltmeere, KONSUMENT 4/2016) – und sich derzeit schon 150 Millionen Tonnen Kunststoff in den Ozeanen befinden. (Auch andere Gewässer sind betroffen: über die Donau werden jährlich z.B. ca. 40 Tonnen Kunststoffmüll abgeführt).
- Mikroplastik-Problematik: Mikroplastik wird als spezielles Granulat verschiedenen Produkten wie etwa Kosmetika oder Reinigungsmitteln entweder eigens zugesetzt (z.B. Glaskeramikreiniger, KONSUMENT 10/2018) und gelangt z.B. über die Kanalisation in die Gewässer (so übrigens auch wenn wir synthetische Textilien waschen). Oder es entsteht durch physikalische Einwirkung, z.B. indem Plastikmüll in den Meeren durch Witterung zerfällt. Auf jeden Fall werden die kleinen Kunststoffteilchen bereits in Nahrungsmitteln nachgewiesen (z.B. in Meersalz, KONSUMENT 6/2018). Zuletzt fand sich Mikroplastik in ausnahmslos allen vor Großbritannien gestrandeten Meeressäugern (Der Standard). Immerhin wurde zeitgleich mit dem Plastiksackerlverbot auch ein Verbot vonseiten der Bundesregierung erlassen, das die Beimengung von Mikroplastikpartikeln in Reinigern und Kosmetika ab 2020 untersagt.
- Gesundheitsproblem: Es handelt sich daher bei weitem nicht „nur“ um ein Umwelt- und Naturschutzproblem. Über die Nahrungskette können die in Kunststoffen enthaltenen Stoffe wieder zurück in den menschlichen Körper gelangen. Was bei giftigen oder hormonell wirksamen Stoffen wie z.B. Weichmachern oder Flammschutzmitteln, die erbgutverändernd oder krebserregend wirken können, äußerst problematisch ist (Umweltbundesamt Deutschland). Teils ist die Wirkung verschiedener mikroplastikähnlicher Polymere auch noch nicht ausreichend erforscht – in die Umwelt gelangen sie indes trotzdem (Haargele, KONSUMENT 11/2018). Die Langlebigkeit und mangelnde Abbaubarkeit vieler Kunststoffe erleichtern diese Schwierigkeiten nicht unbedingt.
Vermeidung hat Vorrang
Eine Reduktion des Kunststoffverbrauchs ist also dringend notwendig. Laut Profil (Nr. 3/2019) hat jedoch allein der Plastikverpackungsmüll pro Kopf und Jahr seit 2005 um knapp ein Viertel zugenommen. Pro Kopf werfen wir ÖsterreicherInnen somit mittlerweile 34,1kg Plastikverpackungsmüll pro Jahr weg.
Klar kann auf Recycling oder auf sogenannte (mit eigenen Herausforderungen verbundene) Biokunststoffe gesetzt werden - aber Vermeidung hat definitiv Vorrang vor der Rezyklierung oder der Verschiebung von Problemen durch andere Materialien. Zudem fördert beides weiterhin die Einweg- und Wegwerfkultur. Es braucht also politische, wirtschaftliche und auch individuelle Strategien, um eine Reduktion des Kunststoffeinsatzes zu erreichen.
Exemplarisch vorweg: Die Verwendung einer Papiertasche anstatt eines Plastiksackerls ist keine intelligente Lösung. Die Herstellung eines Papiersackerls ist energie-, rohstoff- und wasserintensiv - damit sich das ökologisch auszahlt, müsste man ein solches mindestens drei Mal verwenden (DIE ZEIT).
Besser ist es diesbezüglich auf eine Mehrwegtasche zu setzen, die zum Beispiel aus rezykliertem Kunststoff besteht. Wie zum Beispiel die coole „KONSUMENT“-Mehrwegtragetasche: diese wird zu 100 % aus rezyklierten PET-Flaschen erzeugt, sie ist leicht, platzsparend in der Tasche zu transportieren, dabei trotzdem sehr belastbar und langlebig. Eine super Sache. Hier gibt es die Tasche (bzw. ihre minimal anders aussehende Vorgängerversion) übrigens für 1€ (zzgl. Versand) zu kaufen.
Möglichkeiten im Alltag
Aber das ist natürlich nicht die einzige Möglichkeit in diesem Bereich Plastik zu vermeiden – hier ein paar Beispiele, wie ich persönlich versuche meinen Kunststoffverpackungsabfall zu reduzieren:
- To-Go: Viele To-Go-Produkte werden in Einwegplastikverpackungen verkauft. Hier kann zum Beispiel ein mitgeführter Mehrwegbecher oder eine Frischhaltebox ökologische Abhilfe schaffen.
- Lebensmitteleinkauf: Im Lebensmitteleinzelhandel am besten, wenn möglich, zu unverpacktem Obst und Gemüse greifen. Alternativen sind zum Beispiel Biokisten oder verpackungsfreie Supermärkte – wobei insbesondere letzteres eher (noch) ein Minderheitenprogramm ist.
- Kleinverpackungen: Kleinverpackungen sollten so gut als möglich vermieden werden - sowohl beim Einkauf als auch in der Gastronomie.
- Mehrweg: Wenn etwas verpackt ist, dann versuchen, auf Mehrwegverpackungen zurückzugreifen. Also z.B. besser Mineralwasser aus Mehrwegglasflaschen anstatt aus PET-Flaschen. (Eine noch bessere Ökobilanz hat natürlich Leitungswasser, auch Sodastream und Co (Sodawasseraufbereiter, KONSUMENT 8/2001) bieten eine Alternative.)
- Plastikfreie Körperhygiene: Im Bereich der persönlichen Hygiene (palmölfreie) Seife anstatt Duschgel verwenden. Dergleichen kann Haarseife anstatt Shampoo verwendet werden – auch wenn das nicht jedermanns Sache ist.
- Getränkeverpackungen: Um Getränke mit sich zu führen, bieten sich statt PET-Flaschen Metalltrinkflaschen (KONSUMENT 4/2017) oder noch besser Glasflaschen an.
- Um Speisen zu transportieren, eignen sich formstabile Frischhaltedosen aus Glas oder Kunststoff bestens – anstatt diese z.B. in Frischhalte- oder Aluminiumfolie einzuwickeln.
Was es braucht
Was man bei alldem nicht übersehen darf: wir KonsumentInnen können manches bewirken, indem wir unsere Verhaltensweise ändern und bewusst auf manche Dinge achten. Das heißt aber nicht, dass es keine entsprechenden politischen Rahmenbedingungen braucht (z.B. für ein sinnvolles Mehrwegsystem) - ganz im Gegenteil sind hier entsprechende Gesetze und Mindestmehrwegquoten dringend erforderlich. Auch sollte der Handel in Zusammenarbeit mit Produzenten bereits auf Produktebene ansetzen, um Verpackungen zu vermeiden. Hier gilt es, das Verhältnis von Verpackungs- zu Produktmenge zu verbessern, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und generell so viel Verpackungsmaterial als möglich einzusparen. Besonders problematisch ist Kunststoff klarerweise dort, wo die Nutzungsdauer sehr kurz ist (und zusätzlich einer sehr langen Zeit zum Abbau gegenübersteht).
Eine Möglichkeit im Obst- und Gemüsebereich könnte z.B. das Lasern von Obst und Gemüse sein. Außerdem geht es nicht nur um Produktverpackungen, die KundInnen sehen (Verpackungen: Zugemüllt, KONSUMENT 11/2017), sondern auch selbstverständlich um in der Logistik verwendete mehrwegbasierte Transportverpackungen (hier vorrangig, um Kartonverpackungen zu vermeiden: siehe Bild).
Zu bemängeln sind offenbar einheitliche Standards bei Produktverpackungen. Hier bestehen gerade im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels große Unterschiede: Schweißt der eine Lebensmittelhändler seine Bio-Gurke in Kunststoff ein, verwendet der zweite eine auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Folie und beim dritten liegen sie lose und nicht verpackt in der Kiste. Aus Konsumentensicht verwirrend. Eine Verpackung soll primär dazu dienen, das Produkt vor Verfall und Verschmutzung zu schützen. Es ist allerdings laut einer Studie von ZERO WASTE EUROPE nicht so, dass bei gestiegenem Einsatz von Einwegkunststoffverpackungen die Menge an Lebensmittelabfällen zurückgegangen wäre. Im Gegenteil. Das stellt die Sinnhaftigkeit vieler Verpackungen in Frage.
Oft bleibt daher der Eindruck, dass es mehr um Marketing als um Zweckmäßigkeit geht. Weil sich mittels unverpacktem Obst und Gemüse nur schwer eine Werbebotschaft vermitteln lässt. Und die Verpackungsindustrie (Umsatzplus 2017: 3,5%), (Kunststoffverarbeitung, KONSUMENT 4/2018) natürlich nichts an einer Vermeidung von Verpackungen verdient. (Sehr wohl aber an einer Umstellung der Verpackungen auf solche aus sogenannten Biokunststoffen).
Trauriges Fazit
Innerhalb von etwa siebzig Jahren hat der Mensch es geschafft, unseren Planeten zu plastifizieren. Wurden 1950 zwei Millionen Tonnen Kunststoffe erzeugt, sind es heute jährlich rund 380 Millionen Tonnen - eine Steigerung um 18.900%. Über 6,3 Milliarden Tonnen Kunststoffmüll wurden bisher erzeugt - nur 9% wurden wiederverwertet, 12% wurden verbrannt - die restlichen 79 % wurden deponiert oder befinden sich in der Umwelt (bioökonomie.de).
Kunststoffe finden sich in allen geologischen Ablagerungsräumen, vom Schweizer Hochgebirge bis hin zum Marianengraben. Plastik wird eines der wichtigsten Fossilien unserer nicht nur rühmlichen Ära werden (wissenschaft.de). Und noch in einer sehr fernen Zeit zeigen, dass der Mensch innerhalb kürzester Zeit eine planetare Kraft geworden ist (Neue Zürcher Zeitung) - und mit seiner Lebens- und Wirtschaftsweise maßgeblich auch die Atmosphäre verändert, langfristig in den Stickstoff- und Phosphorkreislauf eingegriffen und zu einem massiven Artensterben beigetragen hat (ORF.at).
Was sehr positiv ist: Viele Menschen erkennen, dass etwas getan werden muss. Und erzählen in ihren Kommentaren, z.B. unter dem Facebook-Video zur Konsument-Mehrwegtasche, wie sie ganz persönlich Plastik vermeiden: z.B. indem sie Stofftaschen und Mehrwegboxen verwenden oder von der Kapselmaschine auf eine French Press zur Kaffeezubereitung umgestiegen sind. Sehr kritisch wird vor allem der Verpackungsmüll bei Lebensmittel und technischen Geräten gesehen....Was sind denn eure schlimmsten Erfahrungen in diesem Bereich?
Im VKI-Blog schreibe ich über verschiedene Themen rund um Nachhaltigkeit. Außerdem betreue ich das Österreichische Umweltzeichen und bin Projektleiter des VKI Greenwashing-Checks.
Raphael Fink, Nachhaltigkeitsexperte
Kommentieren
Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.
Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.
Anmelden0 Kommentare