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Balkonkraftwerk
Mitmachen bei der Energiewende: Mit Balkonkraftwerken auch im urbanen Bereich möglich. Leicht wird es den Solarstrom-Pionier:innen aber nicht gemacht. Bild: Shutterstock/JSchott

Ärger um Balkonkraftwerk-Bürokratie

Kleinsolar­anlagen zum Einstecken sind eine einfache Möglichkeit, Strom selbst zu erzeugen. Wäre da nicht der Behördendschungel.

Die Photovoltaikpanele an der Balkonbrüstung montieren, Stecker in die Steckdose und fertig. Schon fließt der selbst produzierte Sonnenstrom und wird in den eigenen vier Wänden verbraucht. So einfach könnte es sein, ein Balkonkraftwerk zu installieren. In der Realität schaut es vielerorts leider anders aus.

Uns erreichen laufend Erfahrungs­berichte von leidgeprüften Solarstrom-Pionier:innen, denen die Lust an der Energiewende verdorben wird: von den undurchsich­tigen rot-weiß-roten Rahmenbedingungen bei Balkonkraftwerken.

„Ich schraube ja kein Atomkraftwerk an meine Balkonbrüstung“

Eine solche Solar-Pionierin ist Heide ­Vorauer. Frau Vorauer heißt eigentlich anders. Da sich die streitbare Konsumentin aber mit Behörden und Politik „anlegt“, möchte sie ihre leidigen Erfahrungen hier lieber anonymisiert wiedergeben. Ihr ist es aus Gründen des Klimaschutzes ein Anliegen, dass Balkonkraftwerke angebracht werden können, ­ohne einen Bewilligungs- und Gerichtsmarathon durchstehen zu müssen: „Ich schraube ja kein Atomkraftwerk an meine Balkonbrüstung“, spottet Frau Vorauer.

Was ist passiert?

Die Vorarlbergerin möchte an ihrem ­Südbalkon (Eigentumswohnung in einer kleinen Wohnanlage) ein handelsübliches 800-Watt-Balkonkraftwerk anbringen. Und dabei die rechtlichen Rahmen­bedingungen einhalten. Verschiedenste Anfragen ergaben ein sehr widersprüchliches Bild, um es zurückhaltend zu ­for­mulieren. Frau Vorauer formuliert es ­lieber so: „Die gesamte Angelegenheit ist an Absurdität nicht zu über­bieten.“

Von allen angefragten Stellen, u. a. Gemeindeamt, Hausverwaltung, Landesregierung, Vorarlberger Eigentümerverband, Bundesministerium für Umwelt bzw. Justiz, wurde ihr lediglich mitgeteilt, was alles nicht geht – oder, dass man nicht zuständig sei. „Ich wurde im Kreis geschickt.“ Die Aussagen widersprachen sich zum Teil deutlich.

Verwirrende Gesetzeslage

Frau Vorauer erhielt nicht einmal die simple Auskunft, ob sie die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer:innen benötigt oder ob sie mit einfacher Mehrheit ein Balkonkraftwerk an ihrer Balkonbrüstung anbringen darf. „Die Gesetzeslage in Bezug auf das Wohnungseigentumsgesetz WEG scheint verwirrend zu sein; und wird unterschiedlich inter­pretiert.“ Frau Vorauer empfindet es als Zumutung, sich wegen eines an und für sich bewilligungsfreien 800-Watt-Balkonkraftwerks auf den Gerichtsweg machen zu müssen (etwaige Ablehnungen von Miteigentümer:innen können in einem sogenannten Außerstreitverfahren vom Gericht revidiert werden). Nichtsdestotrotz wird sie diesen Weg gehen.

Auch der uns vorliegende Schriftverkehr mit den Vorarlberger Behörden ist wenig erhellend. Im Gegenteil. Von ihrem Gemeindeamt erhielt sie gar die Auskunft, dass die Anbringung eines Balkonkraftwerks in Vorarlberg de facto baurechtlich nicht möglich ist.

Balkonkraftwerk Nahaufnahme
Bis zu einer Maximalleistung von 800 Watt sind steckerfertige Solaranlagen bewilligungsfrei. Theoretisch. Bild: Shutterstock/beanimages

Sind Guerillakraftwerke ein Problem?

Die Konsumentin steht mit ihren Erfahrungen stellvertretend für viele andere, die sich von der Genehmigungs-Willkür drangsaliert fühlen. Wen wundert es, wenn Konsument:innen aufgrund dieser rechtlichen Blackbox-Situation ihr Balkon­kraftwerk ohne Genehmigung in Betrieb nehmen?

Guerillakraftwerke, also Balkonkraftwerke, die dem Netzbetreiber nicht gemeldet werden und daher nicht in die Berechnungen zur Netzstabilität einfließen können, seien mittlerweile zum Problem geworden, kritisierte Netz Niederösterreich kürzlich in einer Aussendung.

Ob das Problem wirklich so groß ist, soll hier nicht kommentiert werden. Der Salzburger Netzbetreiber zum Beispiel sieht das laut Zeitungsbericht anders. Die Smart Meter würden ohnehin melden, wenn jemand ins Netz einspeist. Dieser würde dann mit der Bitte um Meldung kontaktiert.

Rechts- und Planungssicherheit gefordert

Zurück zu Frau Vorauer. Was will die ­klimabewusste Verbraucherin? Nachvollziehbare, transparente Rahmen­bedingungen, die die Anbringung eines Balkonkraftwerks ermöglichen. Frau Vorauer will Rechts- und Planungs­sicherheit und entsprechend „unverzügliche Veränderungen der gesetz­lichen Vorgaben“.

Was sagt die Politik?

Wir haben beim Justizministerium nachgefragt. Und die Antwort erhalten, dass derzeit in einer Arbeitsgruppe mögliche Anpassungen erörtert werden, „um klima­schützende Maßnahmen im Wohnrecht zu erleichtern“. Darin ­inkludiert seien auch die Balkonkraftwerke. Ein konkreter Zeithorizont für gesetzliche Änderungen konnte allerdings nicht ­genannt werden.

Was sagen die Regierungsparteien? ­Tanja Graf, Energiesprecherin der ÖVP, teilt uns mit, dass ihr diese Problematik rund um Balkonkraftwerke bekannt sei. Man sei zuversichtlich, noch in dieser ­Legislaturperiode eine Lösung zu finden. 

Diese Hoffnung teilt auch Lukas ­ Hammer, Energiesprecher der Grünen. Er geht aber weiter ins Detail. Eine Änderung des Mietrechts hält er auf absehbare Zeit für unrealistisch. Anders im ­Eigentumsbereich, wo er „akuten Änderungsbedarf“ sieht. Auf einem anderen Blatt stehe das Verhalten der zustän­digen Behörden – „das ist zum großen Teil Sache der Länder“. Es sei extrem ­ärgerlich, „dass hier auf lokaler Ebene, aus welchen Gründen auch immer, so blockiert wird“. Dort, wo man auf Bundesebene tätig werden könne, ­werde man sich mit dem Koalitionspartner ­abstimmen.

Kompetenz-Hick-Hack

Als gelernte:r Österreicher:in weiß man, dass sich die Länder nur ungern Kompetenzen vom Bund wegnehmen lassen. Deshalb ist eine bundesweite Harmonisierung der behördlichen Auflagen für Balkonkraftwerke wohl eher Wunschdenken – zumindest in dieser Legislaturperiode.

Kommt Einspeisevergütung?

Hammer: „Wir versuchen an so vielen Schrauben wie möglich zu drehen.“ Er erwähnt einen weiteren Punkt. Wenn das Elektrizitätswirtschaftsgesetz ELWG so wie geplant im Juli beschlossen werde, können auch Balkonkraftbetreiber künftig einen zusätzlichen Zählpunkt beantragen. So stehe es zumindest im Begutachtungsentwurf des ELWG. Das ist ­ die Grundvoraussetzung, um den überschüssigen, nicht selbst verbrauchten Strom wie bei „normalen“ Photovoltaikanlagen vergütet zu bekommen.

Leserbrief vom 18. Juni 2024

Als Reaktion auf obigen Artikel bzw. den zeitgleich erschienenen Blogbeitrag zu den Flex-Modulen hat uns folgender Leserbrief erreicht:

„Ich habe, wie im Blog beschrieben, schon länger mit dem Gedanken gespielt, eine Balkonsolaranlage zu installieren. Dazu habe ich als Mieter einer Genossenschaftswohnung in Wien von Beginn an den Kontakt zur Hausverwaltung gesucht, um alles Allgemeine und Allfällige abzuklären, so etwa die Genehmigung durch die Baupolizei MA37. Zitat: „PV-Anlagen dieser Größenordnung sind bewilligungsfrei.“ Eine Genehmigung seitens der Baupolizei MA 37 ist daher nicht notwendig bzw. nicht möglich. Aus stadtgestalterischer Sicht wird seitens der MA 19 kein Einwand im Sinne des § 85 BO erhoben.

Die Hausverwaltung hat mir dann aber mitgeteilt, dass eine PV-Anlage mit herkömmlichen Modulen die Holmlast des Balkongeländers beeinträchtigen würde (Anm.: Das Haus ist mit einem soliden Stahlgeländer ausgerüstet, Baujahr 2021), worauf ich auf die besagten Flex-Module  ausgewichen bin, um auch diesem Argument gerecht zu werden.

Um das Balkongeländer nicht zu belasten, habe ich auf der Innenseite eine stabile und hochwertige Hohlständerwand (bis unterhalb der Geländerhöhe) installiert, die das gesamte Gewicht der Module aufnimmt und dies der Hausverwaltung auch mitgeteilt. Daraufhin wurde mir wiederum der Auftrag gegeben, dies von einem Statiker (auf eigene Kosten) prüfen zu lassen, mit dem nun neuen Argument der Sicherheit.

Wiederum habe ich die Hausverwaltung darüber informiert und sie eingeladen, meine Flex-Module doch einmal zu suchten/überprüfen, um etwaige Zweifel auszuräumen bzw. beiBedarf Adaptionen zu veranlassen. Auch mit dem Hinweis, dass es in der Anlage und innerhalb der Genossenschaft weitere PV-Anlagen gibt bzw. das Sicherheitsrisiko etwa durch Pflanzenkisten oder Windschutzkonstruktionen weitaus höher ist. Im Übrigen habe ich, wie in Ihrem Blog beschrieben, die Module mit Edelstahlkabelbindern befestigt!

Nun ja, die Reaktion ließ leider nicht lange auf sich warten und mir werden nun gerichtliche Schritte angedroht, komme ich nicht nach, die Module binnen einer Woche zu entfernen. So weit einmal in aller Kürze meine Erfahrungen zum Thema nachhaltige Investition in den Klimaschutz am Beispiel Balkonsolar.

Im Übrigen ist keiner der angesprochenen Punkte in der Hausordnung und dem Benutzerhandbuch für Mieter:innen der Hausverwaltung aufgelistet. Ich sehe hier also weder einen Rechtsbruch (was mir ja mit der Drohung gerichtlicher Schritte explizit vorgeworfen wird), noch ein fahrlässiges Verhalten, noch ein bewusst von meiner Seite aus veranlasstes Sicherheitsrisiko.“

Timo Finkbeiner

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