CO2-Kompensation: Anbieter auf dem Prüfstand
Wenn CO2-Kompensation, dann sind die ehrlichsten, ambitioniertesten Klimaschutzprojekte gerade gut genug. Können die Anbieter das garantieren? Wir haben nachgefragt.
Acht CO2-Kompensationsanbieter
Die Informationen unter FAQ Co2 Kompensation 2/2024 mögen einen guten Überblick über den CO2-Kompensationsmarkt geben. Allerdings bringt es nicht zwangsläufig mehr Klarheit, je tiefer man in die Welt der CO2-Zertifikate eintaucht. Das mag daran liegen, dass Transparenz nicht unbedingt die oberste Maxime der Branche ist. Denn der Markt ist kaum reguliert.
Teilweise wird von den Marktteilnehmern gar eine Wildwest-Mentalität an den Tag gelegt – handfeste Skandale inklusive. Das ist umso bedauerlicher, als die CO2-Kompensationsanbieter immerhin die Steigbügelhalter jener Unternehmen sind, die mit Werbeslogans wie "CO2-neutral" oder "klimaneutral" die Verbraucher:innen verwirren.
Vor diesem Hintergrund haben wir den für Österreich relevantesten CO2-Kompensationsanbietern die Möglichkeit gegeben, sich diesem Vorwurf zu stellen und sich im Rahmen eines Tests der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wichtig zu erwähnen: Diese Untersuchung soll nicht dazu dienen, CO2-Kompensation generell als sinnvoll darzustellen, sondern Unterschiede der einzelnen Anbieter herauszuarbeiten.
Enden wollende Bereitschaft
Kernstück unserer Erhebung war ein umfangreicher Fragenbogen, den wir an insgesamt acht Anbieter übermittelt haben. Gerade einmal drei haben ihn beantwortet: Atmosfair, Klima-Kollekte und Myclimate.
Von fünf Anbietern erhielten wir zum Teil sehr fadenscheinige Ausreden. Zum Beispiel von Southpole, dem Unternehmen, das zuletzt wegen des Vorwurfs, fiktive Zertifikate auf den Markt gebracht zu haben, stark in der Kritik stand.
Southpole lehnte die Teilnahme mit der Begründung ab, dass es fast ausschließlich Kompensationen für Unternehmen, nicht aber für Konsument:innen anbiete. Unser Einwand, dass Unternehmen aber auf Basis der von Southpole durchgeführten CO2-Kompensationsprojekte zum Beispiel mit CO2-Neutralität werben, wurde von Southpole ignoriert.
Climate Austria und Climate Partner wiederum lehnten die Beantwortung "aus Ressourcengründen" ab.
Regenwald der Österreicher ging komplett auf Tauchstation.
Die Universität für Bodenkultur (Boku) argumentierte ihre Absage damit, dass ihr CO2-Kompensationsprogramm gerade neu strukturiert werde – die aus unserer Sicht einzige plausible Erklärung aller fünf unwilligen Anbieter.
Zwischenfazit: Wenig Transparenz
Ein Fazit können wir somit schon ziehen. Hinsichtlich der Transparenz der Branche lässt es tief blicken, wenn nur drei der acht angefragten Anbieter an der Erhebung teilnehmen möchten. Und die Absagen mit fadenscheinigen Ausreden begründet werden.
Aufgrund des mauen Rücklaufs mussten wir davon absehen, einen Test zu veröffentlichen. Die Antworten der drei Anbieter, die den Fragebogen ausgefüllt an uns retourniert haben, möchten wir Ihnen aber nicht vorenthalten – Sie finden diese auszugsweise in der Tabelle weiter unten – und vor allem auf die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen eingehen.
CO2 Kompensation - Anbieter im Vergleich
Es gibt auch bei diesen drei Anbietern Transparenz-Unterschiede. Atmosfair hat den Fragebogen am umfassendsten beantwortet und die meisten Anlagen und Anhänge übermittelt, gefolgt von der Klima-Kollekte. Insbesondere bei Myclimate finden sich Lücken oder sehr vage Antworten.
Wichtige Unterscheidungsmerkmale
Folgend einige aus unserer Sicht wichtige Unterscheidungsmerkmale:
Ausschlussliste: Bei Atomsfair und vor allem bei Klima-Kollekte ist positiv zu bewerten, dass nicht jede:r als Kund:in akzeptiert wird – im Gegensatz zu Myclimate. Zwar gibt Myclimate an, bestimmte Ausschlusskriterien anzuwenden, diese sind aber nicht in transparenten Richtlinien festgehalten. Mit anderen Worten: Vom Tankstellenbetreiber bis zur Fluggesellschaft – jede:r kann bei Myclimate vorstellig werden und dort de facto CO2 kompensieren.
Auf Projektebene hingegen haben alle drei Anbieter eine Ausschlussliste, wobei auch hier die Listen von Atmosfair und der Klima-Kollekte umfassender und strukturierter sind als die von Myclimate. Positiv hervorzuheben ist, dass Atmosfair und Klima-Kollekte alle Wald- und Landwirtschaftsprojekte ausschließen – aufgrund von zu vielen Unsicherheiten bei der Emissionsberechnung und der Gewährleistung von Permanenz. Myclimate setzt hingegen auch auf diese Projekttypen.
Zertifikat-Standards: Alle Anbieter verwenden hauptsächlich Gold-Standard-Zertifikate. Da es sich dabei um den höchsten Branchenstandard handelt, ist das positiv zu bewerten – wenngleich sich die generelle Kritik zu Kompensationsprojekten bzw. dem Handel mit CO2-Zertifikaten auch an den Gold Standard richtet.
Zusätzlichkeit: Wäre ein Projekt ohne den Geldfluss aus dem Zertifikatehandel zustande gekommen? Diese Frage der Zusätzlichkeit ist essenziell beim Thema CO2-Kompensation. Insofern ist es positiv zu bewerten, dass Atmosfair durchaus in die Vorfinanzierung von Projekten geht. Zudem werden Kriterien für finanzielle Zusätzlichkeit kommuniziert, was ebenfalls positiv hervorgehoben werden kann. Myclimate hat auf die Frage der finanziellen Zusätzlichkeit vage geantwortet, Klima-Kollekte ausweichend.
Ex-ante-Zertifizierung: Wird eine CO2-Gutschrift schon vor der Realisierung des dahinterstehenden Projekts ausgegeben, muss das kritisch beäugt werden. Denn die versprochene Emissionsminderung ist noch gar nicht passiert, möglicherweise kommt sie nie zustande. Klima-Kollekte und Atmosfair verzichten auf Ex-ante-Zertifikate. Bei Myclimate sind es vier Prozent aller Zertifikate.
Wir bemängeln Ex-ante-Zertifizierungen nicht generell. Bei engmaschiger Kontrolle können sie sogar gewisse Vorteile entfalten (Anschubfinanzierung). Kritischer sehen wir die mangelnde Transparenz gegenüber den Privatkund:innen. Myclimate lässt diese über die Ex-ante-Zertifizierungen im Dunkeln tappen. Wenn ein Unternehmen mit Slogans wie klimaneutral wirbt, obwohl im Hintergrund Ex-ante-Zertifikate stehen, erkennen das Konsument:innen, wenn überhaupt, nur nach langer Recherche.
Stillgelegte Zertifikate: Die mit Abstand meisten stillgelegten, also kompensierten Emissionen, nämlich 3,75 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, weist Myclimate auf. Atmosfair mit seinen strengeren Regeln hat im gleichen Jahr (2022) "nur" 1,55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente kompensiert. Die Klima-Kollekte überhaupt nur 64.000 Tonnen.
Diese Größenunterschiede liegen nicht nur an strengeren oder laxeren Regeln in Bezug auf Kund:innen und Projekte, sondern auch an der Marktstellung, dem Bekanntheitsgrad und den verfügbaren Ressourcen. Dennoch lässt sich ein (nicht streng statistischer) Zusammenhang zwischen Anspruchsniveau und Regelsetzung sowie Kompensationsgrößenordnung feststellen.
Auffällig ist auch, dass Atmosfair mit 38 Prozent aller im Jahr 2022 stillgelegten Emissionen den höchsten Anteil an Kompensationen durch Privatpersonen aufweist, während dieser Anteil bei Myclimate nur fünf Prozent beträgt. Vielleicht liegt es also daran, dass ein Anbieter, der sich stärker an Privatpersonen richtet, auch strengere Regeln und mehr Transparenz aufweist als ein Anbieter, der sich primär an Unternehmen richtet.
Die unwilligen 5
Bei unserer Befragung nicht mitgemacht haben:
- Universität für Bodenkultur (Boku)
- Climate Austria
- Climate Partner
- Regenwald der Österreicher
- Southpole
Die zum Teil fadenscheinigen Begründungen lesen Sie weiter oben.
Anbieter im Vergleich
Im unserem Co2-Kompensations-Vergleich waren:
- Atmosfair
- Klima-Kollekte
- Myclimate
Wir vergleichen u.a. die Parameter:
- Vertriebskanäle
- Projekttypen
- Beratung und Preis
- Zertifikate-Portfolio
Sie können die Tabelle weiter unten auch als PDF herunterladen.
Wir empfehlen auf konsument.at
FAQ CO2-Kompensation 2/2024
https://konsument.at/co2-kompensation-fragen-und-antworten
CO2-Kompensation: Moderner Ablasshandel? 4/2020
https://konsument.at/auto-transport/co2-kompensation
Alles zum Thema Greenwashing
https://konsument.at/search-index?search_api_fulltext=greenwashing&field_domain_access=1
Kommentieren
Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.
Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.
Anmelden0 Kommentare