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ÖBB - Der anspruchslose Bahnkunde

Bahnreisende haben bei Pannen schlechte Karten: Die ÖBB halten die Rechte ihrer Kunden klein. Änderung ist in Sicht.

Nach drei Stunden war es warm

Die Abfahrt in Wien erfolgte plangemäß. Allerdings war unser Wagon eiskalt und erst nach etwa drei Stunden, in Salzburg, einigermaßen warm“, beschreibt Frau Margarete K. ihre wenig erfreuliche Bahnreise. Herr Markus H. wiederum stand nach einer Verspätung ohne Anschlusszug da: „Es fuhr gerade der verspätete IC aus Wien in Linz ein, als sich der Anschlusszug für diese Verbindung im selben Moment auf den Weg machte. Betroffen waren mehr als ein Dutzend Personen, die an diesem Abend über Attnang-Puchheim hinaus keinen Anschluss mehr hatten.“

Bahnreisen zum Abgewöhnen

Immer wieder berichten uns Bahnkunden über Bahnreisen zum Abgewöhnen und fragen empört, welcher Anspruch auf Entschädigung besteht – immerhin haben sie teures Geld bezahlt, im Vertrauen darauf, entsprechend den Fahrplanversprechungen mit zeitgemäßen Qualitätsstandards befördert zu werden.

Kein Recht auf ordnungsgemäße Beförderung

Die überwiegende Zahl der Bahnfahrten verläuft ja problemlos. Doch wenn etwas schief geht, dann stellt man rasch fest: Ein Recht auf ordnungsgemäße Beförderung verkaufen die ÖBB mit dem Fahrschein nicht. Das bestätigt ein Blättern im „Österreichischen Eisenbahn-, Personen- und Reisegepäcktarif“ ÖPT ebenso wie ÖBB-Antworten auf Beschwerdebriefe sowie Gespräche mit Verantwortlichen in der ÖBB-Zentrale.

Kundenrechte klein geschrieben

Der ÖPT ist gespickt mit Formulierungen, die die Rechte der Bahnkunden klein halten, wie „Die Eisenbahn kann bei besonderen kaufmännischen, betrieblichen oder örtlichen Umständen die Beförderung von Reisenden sowie die Annahme und die Beförderung von Reisegepäck vorübergehend aussetzen“. Auch die Nichtbeförderung von Reisenden wird gerechtfertigt, „sofern die Beförderung durch Umstände verhindert wird, die die Eisenbahn nicht abzuwenden und denen sie auch nicht abzuhelfen vermag“ – unwillkürlich denkt man an den Streik im November 2003.

Fahrschein: leicht verderbliche Ware

Fällt eine geplante Reise ins Wasser, möchte natürlich jeder seine bereits gekaufte und aufgrund der meist knapp bemessenen Gültigkeitsdauer leicht verderbliche Ware Fahrschein zurückgeben und sein Geld wiederhaben. Diese Stornomöglichkeit sehen die ÖBB grundsätzlich vor, allerdings mit nicht unwesentlichen Einschränkungen. Pech hat, wer ganz im Trend der Zeit sein Ticket via Internet oder Handy gekauft hat: Für solche Tickets gibt es nämlich in keinem Fall Ersatz. Für ermäßigte Fahrscheine gibt es nur vor dem ersten Geltungstag Geld zurück. Bei anderen Fahrscheinen gibt es vor dem ersten Geltungstag den vollen Preis zurück, danach wird eine Bearbeitungsgebühr einbehalten: 10 Euro, wenn man Bargeld zurückhaben will; 5 Euro, wenn man mit ÖBB-Gutscheinen zufrieden ist.

Zehn Euro Bearbeitungsgebühr

Gültig sind Fahrscheine bis einschließlich 100 km nur einen Tag; ab 101 km bei einfacher Fahrt 3 Tage, bei Hin- und Rückfahrt einen Monat, wobei die Hinfahrt bis zum 3. Geltungstag angetreten werden muss. Vielfach unbekannt: Mit einem Fahrausweis für Hin- und Rückfahrt – eine Preisermäßigung gibt es dafür nicht – handelt man sich eine weitere Benutzungsbeschränkung ein. Kommt der Fahrgast auf die Idee, den Fahrschein zuerst für die „Rückfahrt“ zu nützen, so verfällt die „Hinfahrt“ ersatzlos.

Kein Recht auf Sitzplatz

Auch wer glaubt, mit seinem Fahrschein das Recht auf einen Sitzplatz zu kaufen, irrt. Grundsätzlich hat niemand – trotz gültiger Fahrkarte – ein Recht darauf. So dezidiert formulieren das die ÖBB in ihrem ÖPT nur für Kinder: „In Begleitung reisende Kinder, für die kein Sitzplatz beansprucht wird, werden bis 5 Jahre ohne Fahrausweis unentgeltlich befördert …

Wird ein Sitzplatz beansprucht, ist für Kinder bis zum 14. Lebensjahr der halbe Preis zu bezahlen.“ Wer daraus ableitet, diese außertourlich den halben Preis zahlenden Kinder hätten dann ein Anrecht auf einen Sitzplatz, selbst wenn alle Plätze bereits besetzt sind, irrt laut ÖBB-Eigeninterpretation wiederum. Und wer aus dieser Bestimmung gar juristisch spitzfindig das Recht auf einen Sitzplatz bei Bezahlung einer Fahrkarte ableiten will, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Da gäbe es nichts abzuleiten, meinen die ÖBB.

Reservieren nicht immer möglich

Wer meint, eine drohende Stehpartie durch eine Sitzplatzreservierung abwenden zu können, hat das System ÖBB bloß teilweise durchschaut: Nur für Fernzüge, die im Elektronischen Platzanweisungssystem „epa“ (mit Sitz in Frankfurt) erfasst sind, kann reserviert werden. Im Kursbuch signalisiert ein „(R)“ die Reservierbarkeit, in der Internet-Fahrplanauskunft lässt bloß der Hinweis „Reservierung empfohlen“ bei vielen Zügen darauf schließen.

Ausweichen in 1. Klasse nur mit Aufpreis

In Eil- und Regionalzügen gibt es keine Einzelplatzreservierung, sondern nur eine für Gruppen ab sechs Personen. Ist übrigens der Zug wieder einmal bummvoll: Mit einem Fahrausweis für die 2. Klasse darf man sich – entgegen einem hartnäckigen Gerücht – ohne Aufzahlung nur dann in die 1. Klasse setzen, wenn der Zugbegleiter einem einen solchen Platz anweist.

Wenn der Zug zu spät kommt

Der Fahrplan schreibt Abfahrts- und Ankunftszeit auf die Minute genau fest und macht das Bahnfahren berechenbar. Doch damit wird auch jede Verspätung zum Ärgernis, weil als Verschlechterung der versprochenen Leistung erkennbar. Auch hier sichern sich die ÖBB in ihrem ÖPT ab: „Fährt ein Zug verspätet ab, kommt er verspätet an oder fällt er ganz oder auf einer Teilstrecke aus, so hat der Reisende keinen Anspruch auf Entschädigung.“

Kein Recht auf Wiedergutmachung

Ein Recht auf Wiedergutmachung für entstandenen Schaden, etwa weil ein wichtiger Termin mit allen Konsequenzen versäumt wurde, schließen die ÖBB damit dezidiert aus. Rührend liest sich in diesem Zusammenhang die Bestimmung: „Die Eisenbahn gibt Zugsverspätungen von mehr als 10 Minuten, den Ausfall von Zügen und sonstige Betriebsstörungen bekannt.“ – Wann und wo, das lässt die Bestimmung offen.

Selbst die bloße Fahrpreiserstattung gestehen die ÖBB im Verspätungsfall nur bei Versäumen eines Anschlusses an einen anderen Zug oder bei Ausfall eines Zuges zu, und wenn gleichzeitig auf die Weiterfahrt verzichtet wird. Bei einem solchen Verzicht kann auch die unentgeltliche Rückbeförderung zum Ausgangsbahnhof beansprucht werden.

Die Regeln für Haus-Haus-Gepäck

Wer sich während der Bahnreise nicht mit seinen Gepäckstücken belasten will oder kann, hat nur die Möglichkeit, es als Haus-Haus-Gepäck zustellen zu lassen – vorhandene Anschrift am Zielort vorausgesetzt. Der gewünschte Abhol- bzw. Zustellzeitpunkt wird bei der Buchung vereinbart.

Zeichnet sich ab, dass es mit der geplanten Reise doch nichts wird, kann der Beförderungsvertrag bis spätestens 17 Uhr des Werktags, der der vereinbarten Abholung vorangeht (ausgenommen Samstag) „zur Erstattung eingereicht“ werden. Dann wird der bezahlte Betrag ohne Abzug erstattet. Laut telefonischer Präzisierung der ÖBB heißt das, man kann bis zu diesem Zeitpunkt auch nur telefonisch stornieren und dann das entsprechende Formular ausgefüllt möglichst rasch am Bahnhof abgeben.

Keine Entschädigung fürs bloße Warten

Mit der Bezahlung ist das Haus-Haus-Gepäck „gegen Beschädigung, Verlust und gegen verspätete Anlieferung beziehungsweise sich daraus ergebende finanzielle Nachteile bis zu einem Höchstbetrag von 800 Euro je Gepäckstück versichert“. „Verspätung“ wird im Versicherungsvertrag sogar präzisiert: (mindestens) eine Stunde nach der vereinbarten Ablieferung in Großstädten bzw. zwei Stunden am Land. Bei verspäteter Anlieferung wird Schadenersatz allerdings nur geleistet, wenn ein finanzieller Schaden entstanden ist, etwa durch unumgänglich notwendig gewordene Neuanschaffung von Dingen des persönlichen Bedarfs wie Kleider etc. Für bloßes Wartenmüssen gibt es keine finanzielle Entschädigung.

Grundsatz:unverbindlich kulant

Der inhaltliche Tenor des ÖPT ist klar: Es wird weitgehend vermieden, Ansprüche und Rechte der Bahnkunden zu definieren – es wird vor allem festgeschrieben, welche Rechte sie nicht haben. In der Praxis handhaben die ÖBB die Bestimmungen nicht immer ganz so harsch, wie sie formuliert sind, sondern lassen oft Gnade vor Recht ergehen und gewähren am Kulanzweg Entschädigungen für gröbere Unannehmlichkeiten wie eine nicht funktionierende Klimaanlage im Hochsommer, einen unbeheizten Wagon im Winter oder einen völlig überfüllten Zug; meist in Form von Gutscheinen über einen Teilbetrag des Fahrpreises.

Es gibt keine Regeln für ÖBB-Kulanz

Doch verbindliche Regeln kann man daraus nicht ableiten, und im Gespräch weigern sich ÖBB-Verantwortliche auch beharrlich, solche für ihre Kulanzentscheidungen zu formulieren.

Für den Fahrgast eine unbefriedigende Lösung, bleibt er doch stets in die Bittstellerrolle gedrängt. Man sollte sich aber in jedem Fall beschweren, wenn einem gröbere Unannehmlichkeiten widerfahren sind. Eine Liste aller ÖBB-Beschwerdestellen finden Sie in unserer Online-Ausgabe.

Mehr Rechte für Bahnkunden - Die EU drängt auf Entschädigung

Die EU will die Unverbindlichkeit der europäischen Bahnen bei der Erbringung ihrer Leistungen nicht länger dulden und hat ihnen die Rute ins Fenster gestellt: Wenn sie sich nicht bald auf ein freiwilliges Modell einigen, wie sie ihre Fahrgäste bei Verspätungen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr entschädigen, will die EU-Kommission den europäischen Bahngesellschaften Ersatzleistungen vorschreiben.

Entschädigung für Verspätung. Ende des Jahres 2002 hat sie in einem Konsultationspapier skizziert, wie sie sich eine solche Vorschrift vorstellt: 50 Prozent Fahrpreiserstattung, wenn ein Schnellzug bei einer zweistündigen Reise mehr als eine halbe Stunde Verspätung hat, voller Fahrtkostenersatz ab einer Stunde Verspätung. Und Haftung für Folgekosten (etwa Übernachtung wegen Verspätung) bis zu 5500 Euro. Und die Behauptung, dass der jeweilige ausländische Partner Schuld sei, soll auch nicht länger als Entschuldigung gelten. Die freiwillige „Charta für Bahnkunden“, die solche konkreten Entschädigungsregeln festschreiben soll, wird derzeit von der Gemeinschaft der Europäischen Eisenbahnen CER verhandelt. Sie soll bis April 2004 vorliegen. Man darf gespannt sein, wie streng diese selbst auferlegten Regeln tatsächlich ausfallen werden. Und darf wohl auch davon ausgehen, dass eine solche internationale Selbstverpflichtung auch für den innerösterreichischen Bahnverkehr nicht ohne Folgen bleiben wird.

Mehr zum Thema

Wer sich über seine Rechte als Bahnfahrgast informieren will, kann den „Österreichischen Eisenbahn-, Personen- und Reisegepäcktarif“ ÖPT sowie den „Personentarif der Österreichischen Bundesbahnen“ in jedem besetzten Bahnhof einsehen oder auch aus dem Internet ( www.oebb.at > Angebote & Reisen > Preise & Tarif) herunterladen.

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