Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setzt sich mit dem sogenannten "Spätrücktritt“ auseinander. Das Urteil über dieses Rücktrittsrecht wirkt sich deutlich auf die Brieftasche des Kunden aus. Zwei österreichische Gerichte hatten dem EuGH fünf Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Diese Fragen wurden in insgesamt vier Rechtssachen verbunden. Betroffen waren einige wichtige österreichische Lebensversicherer wie die
- Nürnberger Versicherung AG,
- UNIQA Österreich Versicherung
- Allianz Elementar Lebensversicherung AG
- Donau Versicherung AG
Rücktrittsbelehrung fehlerhaft
Der EuGH entschied nun beim Großteil der offenen Fragen zugunsten der Versicherungsnehmer:
Rücktrittsfrist: Die Rücktrittsfrist beginnt im Fall einer fehlerhaften oder unterlassenen Rücktrittsbelehrung nicht zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer auf einem anderen Weg von seinem Rücktrittsrecht erfahren hat.
Rückkauf: Das Rücktrittsrecht erlischt nicht im Fall eines Rückkaufes (also im Fall einer vorzeitigen Kündigung nach Erklärung des Rücktritts). Dass das Unternehmen nur den meist niedrigen Rückkaufswert zurückzahlt, ist unzulässig.
Drei Jahre: Eine Beschränkung der Vergütungszinsen der nach einem "Spätrücktritt“ zurück zuzahlenden Prämien auf die letzten drei Jahre ist unzulässig. Schließlich könnte dadurch der Versicherungsnehmer abgehalten werden, sein Rücktrittsrecht auszuüben, obwohl der Vertrag nicht seinen Bedürfnissen entspricht. Eine Beschränkung der Vergütungszinsen auf die letzten drei Jahre wird vom EuGH daher als fraglich angesehen.
Formvorschriften: Versicherer hatten dem Kunden vorgeschrieben, wie sie den Rücktritt erklären müssen. Der EuGH entschied hier: Das sei irrezuführend und einer fehlenden Belehrung gleichzusetzen. Nach österreichischem Recht war der Kunde an keine bestimmte Form für die Rücktrittserklärung gebunden. Trotzdem haben manche österreichische Versicherer gesetzwidrig die Schriftform vereinbart, obwohl diese verboten war. Solche Rücktrittsbelehrungen der Versicherer sind daher wahrscheinlich als fehlerhaft anzusehen. Damit war ein Spätrücktritt zulässig.
Unsere Sammelklagen
All diese Faktoren hatten zuvor den Kunden in eine schlechte und die Versicherer in eine günstige Situation gebracht. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat nun große Bedeutung. Wir hatten im Herbst 2019 für rund 850 Personen insgesamt sechzehn Sammelklagen eingebracht - und zwar gegen die
- FWU Life Insurance Austria AG (vormals Skandia Leben AG), die
- Nürnberger Versicherung AG Österreich und die
- Scottish Widows Limited (vormals Clerical Medical Investment Group Ltd. –kurz CMI).