VW-Sammelklagen: 10.000 Geschädigte - Größte Klagswelle der Zweiten Republik
Wir vom VKI haben für rund 10.000 geschädigte Pkw-Besitzer Sammelklagen an allen österreichischen Landesgerichten eingebracht. Der Streitwert beträgt 60 Millionen Euro.
Video: VW-Geschädigte am Wort
Wen betrifft es? Wie läuft das ab?
VW verweigerte
Mehr als drei Jahre ist es her, dass die Abgasmanipulationen an vielen VW, Audi, Škoda und Seat-Modellen aufgeflogen sind. Der VKI hat mehrmals versucht, den VW-Konzern zu einer außergerichtlichen Entschädigung zu bewegen. Doch der größte europäische Autohersteller verweigerte sich und war auch nicht bereit, die Verjährungsfrist für die geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher zu verlängern.
Kein Risiko für Konsumenten
Der VKI hat deshalb im Auftrag der Bundesarbeitskammer (BAK) und des Sozialministeriums (BMASGK) Sammelklagen eingebracht. Die Roland ProzessFinanz AG aus Köln hat die Finanzierung und damit das Prozesskostenrisiko aller 16 Sammelklagen übernommen. Die Verbraucher tragen daher keinerlei Prozesskostenrisiko, müssen aber – ausschließlich im Erfolgsfall – eine Erlösbeteiligung an Roland abführen.
16 Gruppenklagen
Da in Österreich das Instrument einer gesetzlichen Gruppenklage fehlt und eine einzige Sammelklage an einem Gericht rechtlich nicht möglich war (weil VW im Ausland sitzt), mussten die Klagen für die 9.872 Geschädigten an allen 16 österreichischen Landesgerichten gebündelt eingebracht werden.
Gesetzliche Grundlagen schaffen
Anlässlich einer Pressekonferenz zu den VKI-Sammelklagen, die am 18. September 2018 im Sozialministerium stattfand, forderte der Direktor der Bundesarbeitskammer, Christoph Klein, die Bundesregierung denn auch auf, die gesetzlichen Grundlagen für eine Verbrauchergruppenklage in Österreich zu schaffen. Diese würde das Rechtssystem entlasten und Prozesskostenrisiken verhindern. Zudem könnten die Ansprüche dann nicht mehr verjähren.
Software-Update: Wertminderung
Die mit Abstand größten Verfahren im Rahmen der VW-Sammelklagen werden am Handelsgericht Wien (1.491 Fälle) und am Landesgericht Graz (1.205) geführt.
Der Gesamtstreitwert aller Klagen beträgt rund 60 Millionen Euro. Damit handelt es sich um die größte jemals in Österreich eingebrachte Sammelklagswelle.
"Aufgrund umfangreicher Erhebungen und unter Beiziehung von Sachverständigen haben wir einen Schaden von 20 Prozent des Kaufpreises eingeklagt. Pro Fall ergibt sich ein durch schnittlicher Streitwert von 6.000 Euro“, sagt die Leiterin der Abteilung Sammelaktionen beim VKI, Ulrike Wolf.
Problematisches Software-Update
Der Schaden für die betroffenen Verbraucher bestehe darin, dass sie für ihre Fahrzeuge zu viel bezahlt hätten bzw. dass ihre Fahrzeuge von einer Wertminderung betroffen seien. Daneben werde bei jenen Fahrzeugen, die sich noch im Besitz der Betroffenen befinden, eine Haftung von VW für Folgeschäden geltend gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit dem Software-Update.
Die Juristin stützt sich dabei auch auf eine Umfrage des VKI, an der rund 9.000 Fahrzeughalter teilnahmen. „Dabei zeigte sich, dass das von VW vorgenommene Software-Update zu negativen Veränderungen am Auto führt. So berichten viele Konsumenten unter anderem von erhöhtem Kraftstoffverbrauch und Leistungseinbrüchen bzw. bemerken sie ein Ruckeln des Motors. Ähnliche Resultate ergaben auch Umfragen in anderen europäischen Ländern“, so Ulrike Wolf.
Erweiterte Klage und Fahrverbote
Aus technischer Sicht sind die Probleme erklärbar. Vereinfacht gesagt kommt es nach dem Update zu erhöhter Rußbildung, was Probleme mit dem Abgasrückführungssystem wie das schnellere Verrußen des Partikelfilters nach sich zieht. Das schnellere Verrußen bedingt ein häufiger erforderliches Regenerieren, was wiederum zu einem höheren Kraftstoffverbrauch führt. Mittlerweile hat sich der Verdacht, dass es durch das Software-Update zu nachteiligen Veränderungen beim Drehmoment kommt, weiter erhärtet.
Klage ausgedehnt
Wir vom VKI haben deshalb unsere Klage gegen VW ausgedehnt. „Die Irreführung von Konsumenten rund um das Software-Update muss endlich ein Ende haben. Wie sich zuletzt gezeigt hat, können nur Gerichtsentscheidungen Autokonzerne dazu bewegen, zu ihrer Verantwortung im Dieselskandal zu stehen. Wirksame Rechtsdurchsetzungsmechanismen für Verbraucher sind damit alternativlos“, sagt Thomas Hirmke, Leiter des Bereiches Recht im VKI.
Schadenersatz und Hardware-Nachrüstung
Für die 10.000 geschädigten Konsumenten, die sich am VKI-Verfahren beteiligt haben,
ergibt sich nun die Chance, neben Schadenersatz auch Ersatz für notwendige Hardware-Nachrüstungen zu erhalten. Die VKI-Juristen rechnen mit einem jahrelangen Rechtsstreit – Vergleichsverhandlungen mit VW stehe man jedoch offen gegenüber.
Fahrverbote drohen
Die hohen Abgaswerte der betroffenen Fahrzeuge haben auch negative Auswirkungen auf den Schadstoffgehalt der Luft und damit auf die Gesundheit der Bevölkerung. Es liegt in der Kompetenz der Landeshauptleute, geeignete Maßnahmen zu setzen, um die vorgegebenen Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuhalten. Fahrverbote für Fahrzeuge mit zu hohen Abgaswerten sind dabei nicht auszuschließen. In Deutschland wurden solche Fahrverbote bereits in mehreren Städten ausgesprochen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch in österreichischen Städten zu Fahrverboten kommt.
Strafanzeige: 7.000 Beteiligte
Bereits im Juli 2016 hat der VKI auch eine Strafanzeige gegen VW eingebracht. Mittlerweile haben sich mit Unterstützung des VKI rund 7.000 Personen als Privatbeteiligte angeschlossen. Die Wirtschafts und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat im August 2018 die Ermittlungstätigkeit auf mögliche Straftaten von Mitarbeitern des VW Konzerns im Zeitraum 2008 bis 2015 ausgeweitet.
Bildergalerie: 16 Sammelklagen - Infografiken
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