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Mann sitzt hinter Taschenrechner, auf dem Rechner ein Würfel mit Prozentsatzzeichen, Konzept Zinsen oder Sollzinsen
Höhe der Zinsen in Österreich 2023 - Konditionen und Angebote von sieben Banken im Vergleich. Zwischen Habenzins und Sollzins liegen Welten. Bild: Andrey_Popov / shutterstock.com

Sollzinsen Girokonto - Was kostet die Kontoüberziehung in Österreich?

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Während die Guthabenzinsen mickrig bleiben, langen die Banken bei den Überziehungszinsen am Girokonto kräftig zu. 

Seit Monaten ist die Inflation in ganz Europa, insbesondere aber in Österreich, beunruhigend hoch. Viele müssen den Gürtel enger schnallen, auch der Mittelstand spürt die Teuerung zunehmend, vor allem durch hohe Energie-, Miet- und Lebensmittelpreise. Steigende Kreditzinsen belasten die Haushaltsbudgets zusätzlich.

Die Folgen liegen auf der Hand: Am Konto bleibt gegen Ende des Monats erschreckend wenig übrig. Eine Nachzahlung etwa für Energie oder eine notwendige Ersatzbeschaffung eines Haushaltsgerätes kann das Monatsbudget dann leicht sprengen.

Aktuelle Sollzinsen und historische Entwicklung

Denn nun geht es für die Banken ans Geldverdienen: Wer ins Minus rutscht, zahlt Überziehungszinsen, auch Dispo- oder Sollzinsen genannt. Und das nicht zu knapp. Wir haben uns in der Vergangenheit bereits mehrfach kritisch zu diesen Praktiken der Banken geäußert. 

In Zeiten der Teuerung ist es aus unserer Sicht aber doppelt perfide, die Sollzinsen nach oben zu schrauben. Gerade weil immer mehr Menschen versucht oder gezwungen sind, die Überziehungsmöglichkeit am Girokonto in Anspruch zu nehmen, um bis zur nächsten Gehaltszahlung über die Runden zu kommen.

Was sind Habenzinsen?

Wer einer Bank Geld leiht, also auf ein Konto einzahlt, bekommt im Gegenzug (Gut-)Habenzinsen. Seit einigen Jahren sind das kaum wahrnehmbare Prozentsätze von 0,0x Prozent ("Nullzinslandschaft"). 

Was sind Sollzinsen?

Wer hingegen sein Konto überzieht, also ins Minus rutscht, muss Sollzinsen zahlen. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn man wird in diesem Fall vom Gläubiger zum Schuldner. Doch zwischen Habenzins und Sollzins liegen Welten. Sollzinsen liegen oft deutlich über zehn Prozent.

Vier Würfel mit Prozentzeichen auf unterschiedlicher Höhe, eine Hand die den letzten höchsten roten Würfel nach oben schiebt, Konzept Zinserhöhung oder Zinsvergleich
Die Zinsen für Spareinlagen sind meist mickrig. Bei Überziehung wird es aber teuer. Bei welcher Bank kostet es am meisten oder am wenigsten das Girokonto zu überziehen? Bild: Cagkan-Sayin / shutterstock.com

Zinssatz für Kredite

Um die hohen Inflationsraten zu bekämpfen, hebt die Europäische Zentralbank seit Mitte des Jahres 2022 den Leitzins in regelmäßigen Abständen an. Von null auf mittlerweile 4,25 Prozent. Parallel dazu steigen seit einigen Monaten die Zinsen für Kredite merkbar an - was Häuslbauer:innen unter Druck bringt. 

Und wie sieht es mit den Einlagenzinsen für Spar- und Girokonto aus? Sie steigen, zurückhaltend ausgedrückt, nur sehr moderat. Oft sind sie sogar als Lockangebote getarnt, die nach wenigen Monaten auslaufen.

Konto überziehen - Wieviel Zinsen kostet es?

Wir wollten uns vor dem Hintergrund der Teuerung ein Bild davon machen, wie es die Banken derzeit mit den Sollzinsen halten, inklusive historischer Betrachtung.

In Zusammenarbeit mit der Vergleichsplattform Durchblicker haben wir sieben Banken und ihre Angebote ein Jahr lang beobachtet. Darunter befanden sich Girokonto Angebote von: 

  • Bank99
  • Bank Austria
  • Bawag
  • Dadat
  • Easybank
  • Erste Bank
  • N26
  • Raiffeisen

Wie bereits erwähnt, sind die Leitzinsen in diesem Zeitraum um rund vier Prozent gestiegen. Die dahinterstehende Geldmarktlogik wäre, diese Zinserhöhung brühwarm an die Sollzinskund:innen weiterzugeben. 

Ganz nach dem Motto: Da kann ja keiner was dagegen sagen. Aber wir tun es! Abgesehen davon, dass die Einlagenzinsen bei Weitem nicht in diesem Ausmaß steigen, drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Banken hier mit der Not der Menschen durch die Teuerung ein lukratives Geschäftsmodell schaffen.

Insofern ist es positiv, dass bis zum Ende der Erhebung im August 2023 noch nicht alle Banken mit einer Erhöhung der Sollzinsen reagiert haben. Erste Bank und N26 blieben im Betrachtungszeitraum stabil. 

RLB Steiermark hat beim Steiermark-Konto sogar reduziert. Übertroffen wurde der 4,25-Prozent-Leitzinsanstieg von dem Kontopaket Easy gratis der Easybank (+ 5,6 %) und der Kontobox large der Bawag (+ 4,775 %). Unicredit Bank Austria zog mit Zinsgleitklausel um 3,5 Prozent an.

Von hohem Niveau aus

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sollzinssätze der großen, etablierten Marktteilnehmer ohnehin am oberen Ende der Zinsspanne liegen. Und das hat Tradition. Historisch betrachtet hatten bei den vier Markterhebungen zu den Sollzinssätzen, die wir in den letzten 20 Jahren durchgeführt haben, immer die Großen die Nase vorn.

2003 war es die Unicredit Bank Austria (13,25 %). 2014 teilte sie sich mit unveränderten 13,25 Prozent den unrühmlichen ersten Platz mit der Bawag. 2018 war es die Volksbank Wien (ebenfalls 13,25 %). Und heuer ist es die Bawag mit noch nie erreichten 14,275 Prozent.

Darüber hinaus haben wir untersucht, wie die Sollzinsen in der Vergangenheit auf die Entwicklung der Leitzinsen reagiert haben. Das Ergebnis ist leider wenig überraschend. Sinkende Leitzinsen werden eher zögerlich weitergegeben, auf steigende Leitzinsen wird spontaner reagiert. Insofern bezweifeln wir, dass die Banken die aktuellen Leitzinserhöhungen bereits vollständig weitergegeben haben.

Möglichkeit, Geld zu sparen

Sollzinsen werden in der Bankenlandschaft offensichtlich nicht als wettbewerbsrelevant betrachtet. Anders ist es kaum zu erklären, warum speziell die Platzhirsche so dreist zulangen. Die Überlegung dahinter könnte lauten: Wer nicht mehr anders kann, weil die Haushaltskasse leer ist, nimmt auch zweistellige Zinsen in Kauf. Und je tiefer das Minus, desto geringer die Gefahr, dass die Kundschaft abwandert.

Aber gerade wenn es knapp wird, sollten sich Verbraucher:innen bewusst sein, dass Sollzinsen (und Kontokosten im Allgemeinen) auch eine Möglichkeit sind, Geld einzusparen (siehe dazu "Das Geld wird knapp, was tun?"). Für eine Überziehung von durchschnittlich 1.000 Euro beträgt die Differenz zwischen den niedrigsten und den höchsten Jahreszinsen derzeit mehr als 80 Euro.

Die derzeit günstigsten Angebote findet man vor allem bei den inzwischen rar gewordenen Direktbanken (siehe Grafik "Aktuelle Sollzinssätze"). Bei der Easybank muss man allerdings genauer hinschauen. Die Bawag-Tochter verlangt nämlich nur für das Konto Easy Premium, das stolze 144 Euro pro Jahr an Kontoführungsgebühr kostet, vergleichsweise niedrige Zinsen (5,9 %). Beim Gratiskonto klettern die Sollzinsen auf 12,5 Prozent.

Das Signal ist klar: Wer auf eine günstige Kontoführung achtet, zahlt dann, wenn mal etwas mehr Geld gebraucht wird, kräftig drauf. Das Geschäftsmodell, das ausgerechnet diejenigen bestraft, die auf die Kosten achten müssen, könnte man als „Wir melken, wer sich nicht mehr wehren kann“ bezeichnen.

Grafik: Aktuelle Sollzinssätze im Vergleich

Tabelle mit Sollzinssätze von österreichischen Banken im Vergleich (Stand: August 2023)
Aktuelle Sollzinssätze. Zwischen dem günstigsten und teuersten Angebot liegen mehr als acht Prozentpunkte. Angaben beziehen sich auf vereinbarte Überziehungs-Limits. (Stand: August 2023) Bild: VKI

Das Geld wird knapp, was tun?

Die Teuerung trifft immer mehr Menschen mit voller Wucht. Die Banken hätten die Möglichkeit, soziale bzw. gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Aber alle großen Player halten die Sollzinsen auf einem sehr hohen Niveau oder versuchen - wie die Bawag - mit extremen Erhöhungen ihr Kontoportfolio zu bereinigen oder zumindest Geld zu verdienen.

Faktum ist: Auch wenn das Geld immer knapper wird, Dispokredite, also die Inanspruchnahme von Überziehungszinsen, sind auf Dauer keine Option. Vergleichen und gegebenenfalls die Bank wechseln dagegen schon. Der Aufwand ist dank gesetzlich geregeltem Umzugsservice überschaubar.

Umschuldung oder Streckung

Oft hilft bei Schwierigkeiten auch ein Gespräch mit der Bank, um die Möglichkeiten einer Umschuldung oder Streckung zu besprechen. Umschuldung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kontoüberziehung durch einen Konsumkredit abgedeckt wird.

Um einen Konsumkredit zu erhalten, führt die Bank eine Bonitätsprüfung durch und teilt die Kundschaft einer entsprechenden Bonitätsklasse zu. Je nachdem, ob man schon einmal in Zahlungsverzug geraten ist oder Mahnungen erhalten hat, kann dies zu einer Verschlechterung der Bonität führen. Die Banken lassen hier viele Parameter einfließen.

Bonität

Wem die beste Bonität bescheinigt wird, der bekommt auch den günstigsten Zinssatz. Bekommt man den Kredit gerade so, wird es teurer. Man spricht dann von ausreichender Bonität. Die günstigsten Angebote beginnen bei bester Bonität bei 4,5 Prozent (effektivem Jahreszins), bei ausreichender Bonität muss man mit 7,5 Prozent rechnen (Beispiele aus bankenrechner.at, Laufzeit fünf Jahre). Eine Umschuldung ist aber nur dann eine Lösung, wenn man danach nicht wieder in die Überziehung gerät.

Als letzter Ausweg kann Kontakt mit der Schuldnerberatung aufgenommen werden. Die Faustregel lautet: Je eher man bei finanziellen Problemen handelt, desto leichter sind diese auch zu lösen.

Mehr zum Thema

Die gesetzliche Vergleichsplattform bankenrechner.at bietet die Möglichkeit, die Konditionen aller in Österreich erhältlichen Girokonten miteinander zu vergleichen, somit auch die Sollzinsen. Unter den Banken, die mit ihren Angeboten derzeit (August 2023) unter sieben Prozent Sollzinsen liegen, finden sich dort noch (zusätzlich zu unserer Grafik "Aktuelle Sollzinssätze"): Schelhammer Capital Bank und Bank Direkt der RLB Oberösterreich. Alternativ oder als Ergänzung dazu kann man auch Vergleichsplattformen wie durchblicker.at verwenden.

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2 Kommentare

Bei der BAWAG geht es noch schlimmer!

Fogerty, 29. August 2023, 13:08

Ich müsste bei meinem BAWAG Gehaltskonto 14,885% Überziehungszinsen bezahlen, Habenzinsen 0,01% minus 25% Kest. ergibt 0,0075% reale Habenzinsen. Ich überziehe das Konto natürlich nicht. Diese Differenz zwischen Soll-u. Habenzinsen sind aber eine riesige Gaunerei und Sauerei und gehört sofort abgestellt, sonst werden die Banken noch frecher.

Naja

blex4, 8. September 2023, 09:09

Ja, ein maximal erlaubter Faktor wie 100 könnte da ein wenig die absurde Differenz geringer halten. Vielleicht gibt's dann sagenhafte 0,15% bei 15% Sollzinsen.

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