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Marabu-Sneaker
Noch wird der Turnschuh in Portugal gefertigt. Das Fernziel: Die Produktion komplett nach Afrika zu verlagern. Bild: Lorenz Jeric für Flip

Recycling-Sneaker: Auf nachhaltigen Sohlen

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ÖKO.LOGISCH

Ich schenke mir heuer selbst etwas zu Weihnachten, Turnschuhe. Das Besondere daran? Die Basis für diese Sneaker wurde in Kenia gelegt. 

Ich muss ein wenig ausholen. Turnschuhe sind beliebt. Und wenn sie nicht mehr so beliebt sind, werden sie weggeschmissen. Millionenfach, und zwar jedes Jahr. Aber was passiert mit den Sneakern, wenn man sie fachgerecht, also mit halbwegs gutem Gewissen entsorgt? Landen sie im Secondhandladen um die Ecke? Oder werden sie penibel recycelt, wie die Modeindustrie gerne mit in grüne Watte gebauschten Formulierungen verspricht?

Sneakerjagd gestartet

Um dem auf die Spur zu kommen, hat das deutsche Medien-Start-up Flip vor rund eineinhalb Jahren die „Sneakerjagd“ initiiert: Alte Turnschuhe wurden mit GPS-Trackern verwanzt, in Altkleidercontainern oder bei offiziellen Rückgabestellen von großen Händlern bzw. Herstellern entsorgt, und ihr Weg dann zum Teil monatelang nachverfolgt. Die Ergebnisse der investigativen Recherche sind gelinde gesagt ernüchternd. Echtes Recycling findet nicht statt. Selbst Retouren, also einwandfreie Neuware, werden bisweilen geschreddert. Und nicht selten landen alte Sneaker in Afrika. Endstation sind dann illegale Müllhalden mit meterhohen Bergen aus Elektroschrott, Textilien und Unrat. Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen flüchteten sich die betroffenen Unternehmen in fadenscheinige Ausreden. Unterm Stich blieb die Erkenntnis: Es kümmert eigentlich niemanden, was mit alten Sneakern wirklich passiert.

Geschredderte Sohlen 

Besonders nahe ging den Kollegen von Flip die Recherche vor Ort auf einer Müllhalde in Kenia. Wenn der Modeindustrie das Entsorgungsproblem einerlei ist, dann müsse man selbst tätig werden, so die Überlegung der Journalisten. „Die Idee“, sagt Flip-Mitgründer Dominik Sothmann, „war relativ schnell klar: Wir wollten einen Sneaker entwickeln, der dazu beiträgt, Textilmüll in Afrika aufzuräumen.“ Gemeinsam mit dem Münchner Schuhhersteller Monaco Ducks und der Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen wurde daran getüftelt. Das Ergebnis: Bevor sie auf Müllhalden landen, werden nicht mehr nutzbare Sneaker in Kenia gesammelt und die Sohlen geschreddert. Partner vor Ort ist das Recycling-Start-up Africa Collect Textiles. Aus dem Granulat entstehen neue Sohlen. Dadurch sollen alte Sneaker am Ende ihres Lebenszyklus nicht in der Umwelt oder auf illegalen Mülldeponien landen, sondern Teil eines neuen Schuhs werden.

Ein Turnschuh Made in Afrika?

Müllhalde in Kenia: Ein Marabu-Vogel fliegt darüber
Der Marabu, ein aasfressender Storchenvogel, ist namensgebend für den Recycling-Sneaker. Bild: Flip

Den Sneaker gab man den Namen „Marabu“, benannt nach den aasfressenden Storchenvögeln, die häufig auf Kenias Müllhalden anzutreffen sind. Auch die übrigen Komponenten des Schuhs bestehen übrigens größtenteils aus recycelten Materialien. Gefertigt wird er in einer familiengeführten Schuhfabrik in Portugal. Schritt für Schritt soll möglichst viel Wertschöpfung nach Afrika verlagert werden. Das Fernziel: Der gesamte Sneaker soll dort produziert werden.

Crowdfunding als Anschub

Mich hat ja schon die Sneakerjagd ziemlich begeistert. Und nun ein Projekt, mit dem man das Problem direkt an der Wurzel packt? Chapeau! Schuhhersteller, die ihre Treter möglichst nachhaltig produzieren, gibt es inzwischen schon einige – und das ist gut so. Aber dieses Projekt ist doch ziemlich einzigartig, wie ich finde. Um für das Vorhaben Startkapital aufzustellen, initiierte Flip ein Crowdfunding. Da habe ich gerne mitgemacht. Und bin schon gespannt auf meinen Marabu-Sneaker.

Markus Stingl - Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen
Markus Stingl, Bakk. phil. | Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.

Markus Stingl, Redakteur

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