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Dating-App zeigt Bild einer Frau am Smartphone
Paidwings: Betroffene berichten über die Schweizer Datingplattform "Klassische Abofalle", "Ganz übel", "Finger weg" ... Bild: diy13/Adobe

Paidwings-Dating: Abofalle kündigen - Inkasso durch Auer-Witte-Thiel

Abofalle. Nicht mehr allein sein, Kontakte finden, Abenteuer erleben ... Dating-Plattformen boomen, Beschwerden über sie auch. Wir konnten helfen. 

Karl Wöger hat auf einer von der Paidwings AG betriebenen Webseite im Jahr 2019 ein Konto eröffnet. Auf welcher? Das weiß er nicht mehr so genau, weil die Paidwings AG etliche weitgehend idente Webseiten betreibt: z.B. seitensprungtreff24.at, seitensprung-oesterreich.com, uk-mums.com, justshags.co.uk, justrooting.com, down-under-dates.com, justsex.co.za, irish-milfs.com, milf-zone.com, uva.

Neue Partner kennenlernen

Auf diesen Webseiten finden sich folgende Informationen: „Der Dienst ist eine Kommunikationsplattform, über die den Usern unter anderem die Möglichkeit geboten wird, sich im Internet zu präsentieren, um Interessenten für Partnerschaften, Freundschaften, One-Night-Stands oder Seitensprünge zu finden. Der Dienst bietet unter anderem Kontaktmöglichkeiten zu real existierenden, gleichgesinnten Frauen, Paaren und Männern die unter Umständen neue Partner kennenlernen möchten. Weiterhin bietet der Service eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Kommunizieren, Flirten und zur Darstellung der eigenen Person.“

Kostenlos und Premium

Die Webseiten unterscheiden zwischen kostenloser und kostenpflichtiger Mitgliedschaft (Premium). Bei den kostenlosen heißt es in den Nutzungsbedingungen, dass Kund:innen nur nach anderen Profilen suchen und „eingeschränkt“ mit anderen in Kontakt treten können. Wer sich hingegen für den kostenpflichtigen Dienst anmeldet, soll andere auch tatsächlich kontaktieren und Nachrichten schreiben können. Wen man da aber tatsächlich anschreibt, bleibt ungewiss. Hinter den angeschriebenen Personen könnten sich auch Chat-Bots oder Fake-Profile verstecken. 

Mahnung von deutscher Anwaltskanzlei

Wie User sogenannte Premium-Mitgliedschaften abschließen, unterscheidet sich im Einzelfall. In der Regel wissen Verbraucher:innen aber nichts über ihre wiederkehrende Zahlungspflicht (Abo). User:innen sehen die regelmäßigen Abbuchungen erst auf der Kreditkarte oder erhalten Jahre später Abmahnschreiben von deutschen Rechtsanwaltskanzleien. Bei Herrn Wöger ist es seit Juni 2024 die Münchner Kanzlei Auer-Witte-Thiel. Die Mahnschreiben werden häufiger, die Forderungen höher, der Druck größer. Damit endlich „a Ruh is“, unterzeichnet Herr Wöger Vereinbarungen zur Ratenzahlung. 

Weitere Mahnschreiben

Allerdings hört der Albtraum nicht auf, sondern er erhält weitere Mahnschreiben. Betroffene auf Trustpilot  bestätigen das (siehe Screenshot unten). Gestresst wendet sich Herr Wöger an das Europäische Verbraucherzentrum Österreich (EVZ) mit der Bitte, dagegen vorzugehen. Das tun wir, erfolgreich.

Screenshot zeigt kritische Stimmen Betroffener zur Datingplattform Paidwings
Paidwings-Dating: Betroffene berichten auf auf Trustpilot "Klassische Abofalle", "Ganz übel", "Finger weg" ... Bild: Trustpilot/Screenshot vom 2025-05-19

Knackpunkt 1: der Button

Bei Onlinegeschäften muss der Anbieter zwingend auf die Zahlungspflicht hinweisen. Im Falle von Herrn Wöger fehlte der verpflichtende Button „Jetzt zahlungspflichtig bestellen“. Kein Button, kein kostenpflichtiger Vertrag und damit auch keine Zahlungspflicht. 

Button zur kostenpflichtigen Bestellung
Kund:innen müssen erkennen, dass ein Klick eine kostenpflichtige Bestellung ist. - Kein Button dieser Art? Kein kostenpflichtiger Vertrag und damit auch keine Zahlungspflicht. Bild: photolars/Adobe

Knackpunkt 2: Verlängerung und Hinweispflicht

Aus anderen, ähnlich gelagerten Fällen wissen wir: Die Dating-Website weist zwar auf die Zahlungspflicht hin, wirbt aber mit einer 1-monatigen „Gratis Premiummitgliedschaft“. Mangels Kündigung soll sich der Vertrag dann automatisch verlängern. Dem setzt das österreichische Recht aber entscheidende Schranken in Form von Hinweispflichten. 

Frist für den Widerspruch

Zu einer automatischen Vertragsverlängerung kann es nur dann kommen, wenn bereits im zugrundeliegenden Vertrag auf die Frist für einen möglichen Widerspruch hingewiesen wird. Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, Verbraucher:innen zu Beginn der Frist eigens auf die Bedeutung einer verpassten Kündigung hinzuweisen (§6 Abs.1 Z2 Konsumentenschutzgesetz). Auch dieser Hinweis muss sich bereits bei Vertragsabschluss im Kleingedruckten (AGB) finden. Andernfalls kann es auch bei rechtzeitiger Mitteilung keine Vertragsverlängerung geben. 

Bis zum Obersten Gerichtshof

Das gesetzliche Sicherheitsnetz für Konsument:innen ist also dicht gestrickt. Bei so vielen Pflichten verdient man als Unternehmen allerdings nicht so gut. Daher nehmen es einige nicht so genau, um unwissende Kund:innen zu Zahlungen zu bewegen. Wir haben solche Fälle schon bei Parship und Elitepartner bis zum Obersten Gerichtshof gebracht. Auch sie erfolgreich.

Knackpunkt 3: Ratenzahlung

Herr Wöger hatte eine Vereinbarung zur Ratenzahlung unterzeichnet und damit – scheinbar - seine Zahlungspflicht anerkannt. Es gibt in seinem Fall aber keine Zahlungspflicht, kein gültiges Grundgeschäft. Das Haus ist auf Luft gebaut. Daher bleibt nach österreichischem Recht die Zustimmung zur Ratenzahlung ohne Wirkung.

Wir haben interveniert und die deutsche Kanzlei hat die Abmahnungen eingestellt.

Betreut hat den Fall …

Portrait von VKI-Mitarbeiter Elias Ulrich
Bild: VKI

... Elias Ulrich, LL.M. (WU), Jurist in unserem Europäischen Verbraucherzentrum. 

Sollten Sie ein vergleichbares Problem haben, wenden Sie sich bitte an unsere VKI-Beratung.

"Fälle stark zugenommen"

Ulrich berichtet: „In unserer Beratung sehen wir, dass die Zahl dieser Fälle stark zugenommen hat, auch wenn sie sich im Einzelfall unterscheiden. Es ist nicht nur die Paidwings AG. Es gibt da viele Gesellschaften, die vergleichbare Geschäftspraktiken an den Tag legen und als Webseitenbetreiberin im Impressum stehen. Schauen Sie sich deswegen die Webseite genauer an, möglichst noch bevor Sie ein Konto erstellen.

Gezielt unter Druck

Wir sehen: Rechtsanwaltskanzleien oder Inkassobüros setzen mit Abmahnschreiben Verbraucher:innen gezielt unter Druck, um sie zu Zahlungen zu bewegen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Betreiber der Website Nutzer:innen beim Erstellen des Kontos nicht über die Zahlungspflicht informieren. Wenn diese gesetzlichen Informationspflichten nicht erfüllt werden, kommt in der Regel kein kostenpflichtiger Vertrag zustande. Da besteht dann auch keine Zahlungspflicht.“

Beträge nicht bezahlen

Ulrich weiter: „Ich würde sagen: Verbraucher:innen sind gut damit beraten, auf die Verletzung von Informationspflichten hinzuweisen und die geforderten Beträge nicht zu bezahlen. Falls Unternehmen oder Kanzleien weiterhin auf eine Zahlung drängen, können sich Konsument:innen an das Europäische Verbraucherzentrum wenden. Wir unterstützen Sie gerne.“ 

LINKS

EU Flagge, darunter steht "Mitfinanziert durch die Europäische Union"
Bild: ECC-net

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