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Ein Regionalzug der ÖBB steht am Wiener Westbahnhof zur Abfahrt bereit.
Je nach Wohnort können Sie die österreichischen Öffis besser oder schlechter nützen. Bild: Martyn Jandula/Shutterstock.com

Öffi-Angebot: Auf dem Abstellgleis

Bahn- und Busfahren mit den Öffis ist in Österreich sehr unterschiedlich attraktiv und nutzbar – je nachdem, wo man wohnt. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern kostet auch Zeit und Geld.

Wer in Städten zu Hause ist, in denen Fernzüge wie Railjet, ICE oder Westbahn halten, kann aus dem Vollen schöpfen – sei es, um zur Arbeit zu pendeln, Ausflüge zu machen oder zu verreisen. Lebt man hingegen in Gemeinden, wo diese Züge nicht halten, hat man das Nachsehen – in mehrfacher Hinsicht.

Weniger Züge abseits der Hauptstrecken

Wer an sogenannten Nebenbahnen wohnt, hat ein geringeres Angebot an Zügen. Ebenso, wer sich in kleineren Orten entlang der West- oder Südbahnstrecke niedergelassen hat. Solche „nachgelagerten“ Bahnhöfe haben seltener direkte Verbindungen in die nächste größere Stadt. Wer etwa nach Graz, Salzburg oder Innsbruck fahren will, muss dann zuerst mit einem Regionalzug zu einem Bahnhof, wo ein Umsteigen in den Railjet möglich ist. Da heißt es oft, Zeitreserven einzuplanen, um bei Verspätung nicht den Fernzug zu verpassen.

Verspätungen kumulieren sich

Was mit zwei, drei Minuten Verspätung beginnt, vervielfacht sich rasch. Johann P., leidgeplagter Pendler aus Langenlois, schildert sein Erlebnis im Juni 2022: „Mein Zug hat vier Minuten Verspätung. Umstieg in Haders­dorf Richtung Wien. Ich gehe auf den Zug 2813 zu und möchte die Tür öffnen, da fährt der Zug los! Es ist seit langer Zeit für Langenloiser unberechenbar, ob man pünktlich in die Arbeit kommt.“ Die Antwort der ÖBB auf diese Beschwerde: „Gemäß den Grundsätzen zur Anschlusssicherung wurden automatisierte Prozesse geschaffen, welche ein Abwarten von Anschlusszügen des Nahverkehrs auf maximal drei Minuten begrenzen. Fernverkehrszüge warten keine Verspätungen ab.“ Die ÖBB veröffentlichen regelmäßig Pünktlichkeitswerte, die für August 2022 bei 95 Prozent lagen. Die ÖBB sind nicht zuletzt deshalb so „pünktlich“, weil Züge erst ab 5 Minuten und 30 Sekunden Verspätung als unpünktlich gelten. Wenn die Pünktlichkeitsrate ohnehin schon so geschönt wird – warum wird dann nicht auch auf einen verspäteten Zug bis zu 5 Minuten und 30 Sekunden gewartet? Denn bei Verpassen des ­Anschlusszuges kommt oft schnell eine ­halbe Stunde oder mehr bis zum nächsten Anschlusszug dazu.

Doppelter Fahrpreis für Teilstrecken

Für Menschen in kleineren Orten ergibt sich mitunter auch die Situation, dass Teil­strecken doppelt gezahlt werden müssen. Nämlich dann, wenn der Umstiegsbahnhof in der „falschen“ Richtung lieg. Beispiel: Jemand wohnt in Melk und will nach Salzburg fahren. Der nächstgelegene Railjet-Bahnhof ist das 25 Kilometer entfernte, in die andere Richtung gelegene St. Pölten. Um dort in den Railjet Xpress, die schnellste Verbindung nach Salzburg, umsteigen zu können, entstehen 50 Zusatzkilometer (Melk–St. Pölten/St. Pölten–Melk). Das bedeutet einen Preisaufschlag, denn diese Strecke muss auch bezahlt werden. Früher einmal haben die ÖBB eine solche Anreise zum Fernzugbahnhof als kostenfreien Zubringerdienst gesehen, doch das ist lang her.

ÖBB und Postbus: Zusammen und doch getrennt

Im Jahr 2003 übernahmen die ÖBB den Postbus. Bis heute ist es nicht gelungen bzw. ist es nicht gewollt, diese vereinten Unternehmen auch in einem Tarifangebot zusammenzuschließen. Die meisten ÖBB- Vorteilscards reduzieren etwa den Ticketpreis im ÖBB-Postbus nicht (bei der Vorteilscard Senior ist das Thema anders und komplizierter). Das bedeutet: Wird eine Bahnstrecke eingestellt und durch einen Bus ersetzt, wie es in den letzten Jahren immer wieder geschehen ist, gibt es beim Busverkehr auf der gleichen Strecke, wo die ÖBB-Vorteilscard zuvor den Bahnticket-Preis halbiert hat, keine Ermäßigung durch die Vorteilscard mehr – was einer Preiserhöhung für die Strecke gleichkommt. Dasselbe galt für die Österreichcard, die Jahresnetzkarte der ÖBB. Diese wurde – bis auf die Österreichcard Bundesheer, Österreichcard Zivildienst sowie Österreichcard Familie 2. Klasse – im Oktober 2021 durch das Klimaticket Österreich ersetzt, das erfreulicherweise nicht mehr zwischen Bus und Bahn unterscheidet.

Keine Bahnschalter mehr

Auf vielen Bahnhöfen gibt es längst keinen besetzten Bahnschalter mehr. Die Fahr­gäste haben sich mangels Alternative an Ticketautomaten und Online-Ticketkauf gewöhnt. Machen die ÖBB nun Angebote, die an einen offenen Ticketschalter geknüpft sind, wird das Manko plötzlich schmerzlich bewusst. So schilderte Veronika T. im Jahr 2020 in einem Mail an die KONSUMENT-­Redaktion ihre Enttäuschung: „Auf der Homepage der ÖBB ist nachzulesen, dass jeder, der in diesem Jahr seinen 18.Geburtstag feiert, eine Vorteilscard Jugend gratis bekommt. Dies wollte ich für unseren Jüngsten nutzen. Doch das war online nicht möglich. Die ÖBB-Hotline bestätigte das, ich solle mit meinem Sohn zu einem Schalter kommen. Nachdem wir gut 50 Kilometer vom nächsten Schalter entfernt wohnen, weil es bis Linz keinen mehr gibt, wäre das ein Verlustgeschäft geworden, da eine Fahrt nach Linz für einen Erwachsenen teurer ist als die geschenkte Vorteilscard Jugend um 19 Euro. Somit konnten viele Menschen, die auf dem Land wohnen, das tolle Angebot der Gratis-Vorteilscard gar nicht nutzen!“

Carsharing und Gepäck

Die Besserstellung größerer Bahnhöfe trifft auch auf Zusatzangebote der ÖBB zu. Rail & Drive, das ÖBB-Carsharing, ein Angebot, um die letzten Meilen vom Bahnhof zum eigentlichen Ziel zu überbrücken, bieten etwa 40 größere von den etwas über 1.000 Bahnhöfen und Haltestellen in Österreich an. Einerseits nachvollziehbar, weil dort mehr potenzielle Kunden zu erwarten sind. Anderseits auch wieder nicht, denn hier gibt es oft ohnehin einen guten lokalen öffentlichen Stadtverkehr, um vom Bahnhof zum Ziel zu kommen.

Rückgang an Gepäckschließfächern

Noch unverständlicher: Das Service von Gepäckschließfächer gibt es gar nur noch an 25 Bahnhöfen. Auf vielen anderen wurden in den letzten Jahren vorhandene Schließfächer ersatzlos abgebaut. Selbst an Tourismushotspots wie Bad Ischl, Hallstatt oder Melk ist es mit dem Zug Anreisenden nicht mehr möglich, Gepäckstücke am Bahnhof verschlossen zu verwahren – da heißt es dann das Gepäck mitschleppen.

Zum Bahnhof kommen

Um das Angebotsgefälle stärker auszugleichen, müsste das große Ganze noch stärker bedacht werden – was Auskunftssystem, was Tarife, was Angebote betrifft. Etwa durch Integration von Mikro-ÖV- und Sharing-Angeboten in die gängigen Auskunftssysteme von ÖBB, Verkehrsverbünden etc.

Die ÖBB verweisen auf die App „Wegfinder“, eine multimodale Informations- und Buchungsplattform, die Sharing-Dienste, Taxi und Nextbike-Radverleih teilweise ­bereits integriert, und arbeiten an der weiteren Optimierung der App.

Wunschdenken: multimodal und barrierefrei

Auch Pauschaltickets wie das Klimaticket nivellieren das Angebotsgefälle in vielen Punkten. Eine Integration von öffentlich zugänglichen Angeboten wie Mikro-ÖV, Car- und Bike-Sharing wäre auch hier ein weiterer wichtiger Schritt.

Allerdings können längst nicht alle Menschen mit digitalen Informations- und Ticket­angeboten gut umgehen, sodass als eine Form der Barrierefreiheit immer auch eine analoge Variante nötig wäre, um Bahn- und Busangebote zugänglich zu machen.

Lösungsansätze

Die Zubringerangebote zur Bahn sind sehr unterschiedlich. Wer in Wien, Linz oder Graz eine Zugreise antreten will, steigt in den passenden Bus oder die Straßenbahn des lokalen Stadtverkehrs und fährt zum Bahnhof. In kleineren ­Ortschaften ist es schon nicht mehr so einfach, ohne eigenes Fahrzeug zum Bahnhof zu kommen, oder vom Bahnhof zum eigentlichen Ziel vor Ort. Schon gar nicht spät abends oder am Wochenende.

Bedarfsverkehr oft nicht von Apps berücksichtigt

Erfreulicherweise gibt es mittlerweile immer öfter sogenannte Mikro-ÖV-­Angebote, meist Bedarfsverkehr, wo der Bedarf eine Stunde vorher ange­meldet werden kann. Aber das muss man wissen – in Auskunftssystemen wie Scotty der ÖBB sind solche Angebote meist noch nicht integriert. Hilfreich ist hier die ­Website bedarfsverkehr.at, die eine Übersicht solcher Bedarfsverkehrsangebote für ganz Österreich bietet. Hier kann nachgesehen werden, ob es in der angepeilten Zielregion so etwas gibt. Zuletzt waren hier bereits 267 aktive österreichische Bedarfsverkehre in 754 Gemeinden gelistet.

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