Was mit zwei, drei Minuten Verspätung beginnt, vervielfacht sich rasch. Johann P., leidgeplagter Pendler aus Langenlois, schildert sein Erlebnis im Juni 2022: „Mein Zug hat vier Minuten Verspätung. Umstieg in Hadersdorf Richtung Wien. Ich gehe auf den Zug 2813 zu und möchte die Tür öffnen, da fährt der Zug los! Es ist seit langer Zeit für Langenloiser unberechenbar, ob man pünktlich in die Arbeit kommt.“ Die Antwort der ÖBB auf diese Beschwerde: „Gemäß den Grundsätzen zur Anschlusssicherung wurden automatisierte Prozesse geschaffen, welche ein Abwarten von Anschlusszügen des Nahverkehrs auf maximal drei Minuten begrenzen. Fernverkehrszüge warten keine Verspätungen ab.“ Die ÖBB veröffentlichen regelmäßig Pünktlichkeitswerte, die für August 2022 bei 95 Prozent lagen. Die ÖBB sind nicht zuletzt deshalb so „pünktlich“, weil Züge erst ab 5 Minuten und 30 Sekunden Verspätung als unpünktlich gelten. Wenn die Pünktlichkeitsrate ohnehin schon so geschönt wird – warum wird dann nicht auch auf einen verspäteten Zug bis zu 5 Minuten und 30 Sekunden gewartet? Denn bei Verpassen des Anschlusszuges kommt oft schnell eine halbe Stunde oder mehr bis zum nächsten Anschlusszug dazu.
Doppelter Fahrpreis für Teilstrecken
Für Menschen in kleineren Orten ergibt sich mitunter auch die Situation, dass Teilstrecken doppelt gezahlt werden müssen. Nämlich dann, wenn der Umstiegsbahnhof in der „falschen“ Richtung lieg. Beispiel: Jemand wohnt in Melk und will nach Salzburg fahren. Der nächstgelegene Railjet-Bahnhof ist das 25 Kilometer entfernte, in die andere Richtung gelegene St. Pölten. Um dort in den Railjet Xpress, die schnellste Verbindung nach Salzburg, umsteigen zu können, entstehen 50 Zusatzkilometer (Melk–St. Pölten/St. Pölten–Melk). Das bedeutet einen Preisaufschlag, denn diese Strecke muss auch bezahlt werden. Früher einmal haben die ÖBB eine solche Anreise zum Fernzugbahnhof als kostenfreien Zubringerdienst gesehen, doch das ist lang her.
ÖBB und Postbus: Zusammen und doch getrennt
Im Jahr 2003 übernahmen die ÖBB den Postbus. Bis heute ist es nicht gelungen bzw. ist es nicht gewollt, diese vereinten Unternehmen auch in einem Tarifangebot zusammenzuschließen. Die meisten ÖBB- Vorteilscards reduzieren etwa den Ticketpreis im ÖBB-Postbus nicht (bei der Vorteilscard Senior ist das Thema anders und komplizierter). Das bedeutet: Wird eine Bahnstrecke eingestellt und durch einen Bus ersetzt, wie es in den letzten Jahren immer wieder geschehen ist, gibt es beim Busverkehr auf der gleichen Strecke, wo die ÖBB-Vorteilscard zuvor den Bahnticket-Preis halbiert hat, keine Ermäßigung durch die Vorteilscard mehr – was einer Preiserhöhung für die Strecke gleichkommt. Dasselbe galt für die Österreichcard, die Jahresnetzkarte der ÖBB. Diese wurde – bis auf die Österreichcard Bundesheer, Österreichcard Zivildienst sowie Österreichcard Familie 2. Klasse – im Oktober 2021 durch das Klimaticket Österreich ersetzt, das erfreulicherweise nicht mehr zwischen Bus und Bahn unterscheidet.
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