Alles Natur pur
Ob rechts- oder linksherum: Die nächste Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Käufer zu reduzieren, ist der Frische-Stand mit Obst und Gemüse, der sich immer gleich nach dem Eingang findet. Die Warenpräsentation dort weckt Assoziationen zum ach so schmerzlich vermissten Marktstandl mit seiner großen Auswahl an frischem Obst und Gemüse. Da spielt es keine Rolle, dass genau diese Standln von den Supermärkten gekillt wurden und werden. Die Erinnerung wirkt mächtig nach. Wenn irgend möglich, darf auch das derzeit meiststrapazierte Verkaufsargument „Aus regionalem Anbau“ nicht fehlen, und „bio“ macht sich hier auch besonders gut. Die gewünschte Verlangsamung wird oft durch einen besonderen Bodenbelag (Holz) gesteigert, dekorative Elemente wie Deko-Bäumchen, Obstkörberl, Steigen, Naturnahes schlechthin dürfen nicht fehlen. Selbst wenn man hier nicht zugreift: Ein heimeliges Gefühl entwickelt sich. Einatmen, durchatmen, heile Welt inmitten der durchgeplanten Welt des Lebensmittelkonzerns.
Und erst diese Gerüche!
Weht da nicht von der Gebäckabteilung der Geruch von frischem Brot und reschen Semmerln herüber? Oh ja. Wenngleich hier natürlich nichts gebacken wird, sondern nur aufgebacken. Aber so kleinlich wollen wir nicht sein! Da die meisten Bäcker längst zugesperrt haben und allenfalls Filialisten überleben, verlockt es dennoch. Wer hier hungrig eintrifft, ist schon gefangen.
Um die Mittagszeit weht mitunter auch der Duft des Tagesmenüs herüber, oder es riecht nach Döner. Viele Supermarktfilialen bieten auch das an. Es passt ja so gar nicht zur Maxime der Gewinnmaximierung, dass auch „der Wirt am Eck“ oder der Türke in der nächsten Gasse mit seinem Standl für sich und seine Familie einen kleinen Umsatz macht. Den hat man als Konzern doch viel nötiger. Spitzenreiter in diesem Bereich sind übrigens die Möbel-Märkte, die in ihren Prospekten häufig Gutscheine für Speisen weit unterhalb des Gestehungspreises anbieten, um Kundschaft anzulocken. Argument: Wir haben einen freien Markt. Es bleibt ja jedem Beisl unbenommen, auch Schlafzimmereinrichtungen anzubieten. (Formal stimmt das sogar.)
Alles sieht so appetitlich aus
Weil für die verschiedenen Warengruppen unterschiedliche Beleuchtung eingesetzt wird: Warmes Licht bei Obst, Gemüse und Backwaren; solches mit erhöhtem Anteil an Rottönen beim Fleisch; hartes, weißes Licht beim Fisch – da wirkt er gleich doppelt so frisch.
Mit Musik geht alles besser
Vor allem natürlich das Geschäft der Firmen, die für die Musikberieselung im Supermarkt sorgen. Die ist nie dem Zufall überlassen. Je nachdem, welchen Aufwand die Anbie-ter zu treiben bereit sind, ist deren Aus- wahl vielfältigen Variablen überlassen: der Tageszeit („Pensionisteneinkauf“ versus „gestresster Feierabend-Einkäufer“), der Saison, dem Wetter, ja sogar dem Geräuschpegel im Markt – die Beschallung muss immer gut wahrnehmbar sein, darf in der Lautstärke aber nie als unangenehm empfunden werden.
Ab in die Regalfluchten
Jene Produkte, die dem Markt den größten Gewinn bringen, finden sich immer in der besten Erreichbarkeit für den Kunden: also am Anfang einer Regalflucht; und innerhalb der Regale auf Sichthöhe (eye = buy) oder auf Greifhöhe. Die billigeren Waren darunter (Bück-Zone) oder darüber (Streck-Zone). Spätestens hier wird deutlich, dass das von allen Märkten behauptete Bestreben, den Kunden ein möglichst positives Einkaufserlebnis zu verschaffen, diesbezüglich eine, sagen wir es freundlich, Beschönigung ist. Das Kilogramm Mehl oder Kristallzucker wird sich immer schlecht erreichbar finden. Bis man es gefunden hat, nimmt man gezwungenermaßen zahlreiche andere, für den Markt gewinnträchtigere Waren wahr.
Suchen: ohne Orientierungshilfen
Extrem ist diese so gar nicht kundenfreundliche Produktplatzierung derzeit in Drogeriemärkten wahrnehmbar: Hier verzichtet man zunehmend auf jegliche Orientierungshilfe für Kunden und zwingt sie, den gesamten Markt zu durchstreifen. Dieser hat häufig die Fläche eines halben Fußballfeldes. Wer also etwa ein Zahnbürstel sucht, muss – ob er will oder nicht – die Regalfluchten mit Shampoos, Baby- und Hygieneartikeln, Tiernahrung, Körndlfutter, Rasierschaum etc. ablaufen, um im hintersten Winkel dann seine Zahnbürste zu finden. Auf einfache Orientierungshilfen wie etwa Abhänger an der Decke mit der Aufschrift „Babynahrung“, „Tierfutter“, „Damenkosmetik“ etc. wird bewusst verzichtet.
Kassa: Jetzt aber schnell hinaus!
Das Interesse am Kunden und daran, ihm eine „Wohlfühlatmosphäre“ zu bieten, schwindet bei nahezu allen Märkten an der Kassa. Während der Kunde dort wartet, präsentiert man ihm in der bekannten „Quengelzone“ noch allerlei Kleinigkeiten: die Süßigkeiten für den bettelnden Nachwuchs, das Mini-Flascherl Schnaps gegen das auftretende Magenweh in der Warteschlange, die Illustrierte. Sobald er aber mit dem Bezahlen an die Reihe kommt, ist Schluss mit lustig: Heute kann dank Scanner jeder Lehrling, wofür seinerzeit Hofer-Kassiererinnen berühmt und bewundert waren – das blitzartige Erfassen der gekauften Artikel. Sie werden so schnell vom Laufband in die Entnahmezone geschoben, dass die meisten Kunden mit dem Verstauen im Wagerl oder in der Einkaufstasche, nicht nachkommen. Kaum hat man bezahlt, drängt schon die Ware des nächsten Kunden nach. Hilfe! Hektik! Stress!
Selbst wenn der Markt Tausende Quadratmeter hat – auf den einen zusätzlichen an der Kassa, an dem man seine Ware kurzfristig deponieren kann, um sie anschließend halbwegs in Ruhe zu verstauen, haben die Marketing-Psychologen vergessen? Schwer vorzustellen. Vielleicht soll damit signalisiert werden: Solange du bei uns einkaufst, ist die Welt in Ordnung. Wir machen es dir schön. Wenn du dann bezahlt hast, können wir nichts mehr für dich tun. Komm doch bald zurück in unsere Wohlfühl-Welt. Jenseits der Kassa hat dich das normale Leben wieder.