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Regional steht nicht automatisch für Qualität - Interview mit Hannes Royer (Land schafft Leben)

Transparent und ohne zu werten will der Verein „Land schafft Leben“ den Konsumenten zeigen, wie in Österreich Lebensmittel produziert werden. Wir trafen den Obmann und Bio-Bauern Hannes Royer zum Interview. 

KONSUMENT: Können Bauern in Österreich von der Landwirtschaft alleine leben?

"Wir sind nur kurze Zeit Gäste auf Erden und haben eine riesige Verantwortung für die nächste Generation. Bio denkt hier weiter als konventionelle Landwirtschaft." - Hannes Royer im Interview mit KONSUMENT.Royer: Das geht sich heute in vielen Fällen nicht mehr aus, daher gibt es immer mehr Nebenerwerbslandwirte mit Zusatzeinkommen. Die Weltmarktbedingungen sind brutal, der freie Markt macht mit niedrigen Preisen Druck, die Strukturen müssen immer noch größer werden. Ein Beispiel: Der durchschnittliche österreichische Bauer besitzt 18 Milchkühe. Um als Nicht-Bio-Bauer von der Milchwirtschaft leben zu können, braucht man je nach Betriebsstruktur jedoch 40 Kühe oder mehr. Das ist nicht nur bei uns so, sondern auch in Deutschland oder Frankreich.

KONSUMENT: Die herkömmliche Landwirtschaft steht in
der Kritik: Turbokühe, männliche Küken, die einfach entsorgt werden, Pestizide, zu hohe CO2-Emissionen.

Royer: Der Begriff „regional“, der als wertvoll und nachhaltig transportiert wird, verliert dadurch seine Glaubwürdigkeit. Der Begriff „regional“ steht nicht automatisch für gute Qualität. Optimal sind regionale Lebensmittel aus Bio-Landwirtschaft. Zu viele Menschen lassen sich von der Werbung beeinflussen, die ihnen glückliche Kühe auf der Wiese vorgaukelt, und sind dann über die Realität entsetzt, wie wir in Umfragen festgestellt haben. Hier braucht es sicherlich noch mehr Bewusstseinsbildung durch Vereine wie den VKI, aber auch durch Schulen. In Österreich liegt der Anteil der Bio-Landwirtschaft bei 20 %.

KONSUMENT: Geht da noch mehr?

Royer: Das Problem ist: Es werden mehr Bio-Produkte produziert, als gekauft werden. 50 % der Bio-Milch werden nach Deutschland und Italien exportiert. Der Anteil an Bio-Hendl beträgt nur 3,5 % und trotzdem werden Bio-Hühner weggeworfen, weil sie nicht genug Absatz finden. 

KONSUMENT: Liegt das an den höheren Preisen?

Royer: Davon kann man ausgehen, da Bio-Hühnerfleisch doppelt bis dreimal so teuer ist wie herkömmliches. Da Kosten und Aufwand für bio größer sind als in der konventionellen Landwirtschaft, sind auch die Preise höher. In der Bio-Tiermast beispielsweise sind die Ställe teurer, sie brauchen mehr Platz und sind arbeitsaufwendiger. Auch das Bio-Futter ist deutlich teurer, vor allem wegen geringerer Erträge. 

Umdenkprozess: Wert von Lebensmitteln

KONSUMENT: Welche Förderungen für Bio-Bauern gibt es in Österreich?

Royer: Es gibt eigene Förderungen für Bio-Bauern und für Maßnahmen, die für bio erforderlich sind, zum Beispiel Tierschutzverpflichtungen. Für die Umstellung auf bio an sich gibt es keine Zahlung, sehr wohl aber für Maßnahmen, die für eine Bio-Umstellung notwendig sind, wie etwa den Bau eines besonders tiergerechten Stalles. Fachliche Unterstützung bekommen Bauern bei der Umstellung auf bio von Bio-Verbänden wie Bio Austria.

KONSUMENT: Bio-Obst und -Gemüse ist oft nur geringfügig teurer als herkömmliches. Müsste da die Nachfrage nicht höher sein?

Royer: Wir stecken mitten in einem Umdenkprozess: Bis in die 1980er-Jahre ging es vor allem darum, dass genug für alle da ist, die Produktion stand im Vordergrund. Die Qualität wurde ab den 1990er-Jahren wichtiger, und erst in den letzten Jahren gerieten Themen wie Tierwohl in das Bewusstsein der Konsumenten. Heute wäre der Wohlstand da, um mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, aber viele Menschen zahlen lieber 700 Euro für ein iPhone. In Österreich werden nur 10 % des Haushaltseinkommens für Lebensmittel ausgegeben. Zum Vergleich: In Frankreich sind es 22 %, in Italien 16 % und in den USA 6,2 %.

KONSUMENT: Woran könnte das liegen?

Royer: Menschen erkennen den Wert eines Lebensmittels nicht mehr, wenn es im Supermarkt abgepackt vor ihnen liegt. Wir Konsumenten entscheiden jedoch über die Herkunft und die Herstellung, wir vergeben den Produktionsauftrag: Wie soll ein Produkt hergestellt werden? Wir machen es uns zu leicht und schieben Verantwortung gerne auf Politiker oder Ärzte ab. Unser Einkaufsverhalten hat direkte Auswirkungen auf die Herstellung; wir können auch im Gasthaus fragen, woher die Lebensmittel kommen. Je mehr Menschen nachfragen, desto schneller wird sich etwas ändern.

KONSUMENT: Wären nicht trotzdem auch Politik und Wirtschaft gefordert, um Änderungen in der Herstellung zu bewirken?

Royer: Politik und Wirtschaft rechnen in zu kurzen Zeiträumen: Politisch wird in Vier-Jahres-Einheiten gedacht, Unternehmen denken gar nur in Quartalszahlen. Die Auswirkungen unseres Lebensstils sind jedoch enorm: Neben Umweltschäden leidet auch unsere Gesundheit. Laut WHO wird Diabetes Typ 2, verursacht durch falsche Ernährung, zur Krankheit Nr. 1 in westlichen Ländern. Der daraus entstehende volkswirtschaftliche Schaden ist noch nicht absehbar. Bauern müssen in Generationen, über 50 bis 100 Jahre, denken und wirtschaften. Wir sind nur kurze Zeit Gäste auf Erden und haben eine riesige Verantwortung für die nächste Generation. Bio denkt hier weiter als konventionelle Landwirtschaft.

KONSUMENT: Zu den Sponsoren Ihres Vereins gehören große Lebensmittelketten wie REWE oder Hofer. Ist da Unabhängigkeit gegeben?

Royer: Die Unternehmen reden uns nichts drein, weil sie wissen, dass der Verein nur durch seine Unabhängigkeit glaubwürdig bleibt. 

Wer ist Hannes Royer?

Hannes Royer ist Bio-Bauer und Obmann des Vereins „Land schafft Leben“. Der Vater dreier Töchter betreibt auf seinem Bergbauernhof bei Schladming Kalbinnen-Aufzucht und bietet Urlaub am Bauernhof an. Daneben betreibt er drei Spezialitätengeschäfte mit Produkten aus der Region. Seinen Hof, der seit 800 Jahren besteht, wird später seine älteste Tochter übernehmen. 

"Wir sind nur kurze Zeit Gäste auf Erden und haben eine riesige Verantwortung für die nächste Generation. Bio denkt hier weiter als konventionelle Landwirtschaft." - Hannes Royer im Interview mit KONSUMENT.

"Wir sind nur kurze Zeit Gäste auf Erden und haben eine riesige Verantwortung für die nächste Generation. Bio denkt hier weiter als konventionelle Landwirtschaft." - Hannes Royer im Interview mit KONSUMENT.

Mehr Bewusstsein für österreichische Lebensmittel

2013 gründete Royer den Verein „Land schafft Leben“, um mehr Bewusstsein für österreichische Lebensmittel und die Arbeit der Bauern zu schaffen. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, transparent und ohne zu werten aufzuzeigen, wie in Österreich Lebensmittel produziert werden. Die Mitarbeiter besuchen Bauern, Verarbeiter, Händler sowie Konsumenten und führen Interviews (www.landschafftleben.at).


 

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