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Inder tragen auf dem Kopf Steine
Bild: Val Yankin/Shutterstock

Grabsteine aus Indien: Ethik-Report - Kinderarbeit im Steinbruch

Ein Angehöriger ist verstorben. Begräbnis und Trauerfeier sind zu organisieren, das Grab muss gestaltet, ein Grabstein ausgesucht werden. Hinter dem, was stillem Totengedenken dienen soll, steckt häufig Kinderarbeit.

Wer sich dafür interessiert, woher ein angebotener Grabstein stammt und auf welche Weise er produziert wurde, muss damit rechnen, enttäuscht zu werden. Bei Importware sind umfassende Informationen zu Herkunft und Erzeugung oft nicht zu erhalten.

Zu Grabsteinimporten gibt es hierzulande insgesamt keine exakten Daten. Grabsteine werden in erster Linie aus Granit gefertigt. Von der Statistik Österreich wird eingeführter Granit aktuell in zwei Gruppen („roh, grob behauen“; „zerteilt, in Platten usw.“) erfasst. Wie viel davon auf Grabsteine entfällt, lässt sich nicht herausfiltern.

25 bis 33 Prozent Importware

Schätzungen zufolge ist der Anteil an Importware aber hoch: Der Bundesinnungsmeister der Steinmetze, Kommerzialrat Rudolf Wunsch, schätzt, dass rund 25 bis 33 Prozent der in Österreich angebotenen Grabsteine Importware sind und davon wiederum rund 80 Prozent aus Indien stammen. Außerdem nehmen Importe aus China zu. Indien liefert in erster Linie fertig behauene Grabsteine nach Österreich. Nach Italien beispielsweise, wo etliche Fertigungswerke ihren Standort haben, werden dagegen eher Rohblöcke und geschnittene Platten geliefert. Im Endpreis sind Grabsteine aus Indien rund ein Viertel bis ein Drittel billiger als bei uns erzeugte.

Verboten, trotzdem Realität

Indien ist weltweit eines der bedeutendsten Exportländer für Natursteine wie Granit, Sandstein oder Marmor. Es gibt in zahlreichen indischen Bundesstaaten Steinbrüche, viele davon sind obendrein klein. All das erschwert die umfassende, flächendeckende Kontrolle, ob soziale Standards sowie Sicherheits- und Umweltbestimmungen eingehalten werden. Kinderarbeit ist in Indien ebenso verboten wie etwa Schuldknechtschaft. Dennoch kann man glaubwürdigen Berichten zufolge in Steinbrüchen oft beides finden. Den Preis für die bei uns billigen Grabsteine (aber auch für Pflastersteine, Küchen- und Bodenplatten, Fensterbänke etc.) zahlen diejenigen Menschen, die unter katastrophalen Bedingungen daran arbeiten – Kinder wie Erwachsene.

Berichte diverser Organisationen (z.B. Südwind, Hilfswerk Misereor), Magazin-, Radio- und Fernsehbeiträge zeigen: Neben Arbeitern aus der näheren Umgebung der Steinbrüche sind es oft auch Wanderarbeiter, die weit ­entfernt von ihren Heimatdörfern Steine abbauen. Wo sie Arbeit finden, stellen sie mit ­ihren Familien ihre Hütten und Zelte auf. Teilweise direkt im Steinbruch, ohne sauberes Trinkwasser, unter schlechten sanitären Bedingungen. Viele sind Taglöhner.

Bemühung um bessere Arbeitsbedingungen

Steinbruch statt Schule

Der Lohn, den Erwachsene erhalten, ist oft so gering, dass die Familien damit nicht über­leben können. Statt in die Schule zu gehen, müssen die Kinder durch Arbeit zum Fami­lieneinkommen beitragen. Oder überhaupt die Schulden der Eltern abtragen: Wer mit seinem kargen Lohn schon im Alltag schwer auskommt, muss sich in Notlagen verschulden (zum Beispiel, um dringend benötigte Medikamente finanzieren zu können).

Hohe Schulden beim Arbeitgeber

In den armen Bevölkerungsschichten gibt es viele Analphabeten. Sie kennen ihre Rechte nicht und wissen mitunter gar nicht, zu welchen Bedingungen sie einen Kredit auf­nehmen. Oft fungieren die Arbeitgeber selbst als private Kreditgeber. Wenn der Lohn kaum zum Überleben reicht, bleibt zum Zurück­zahlen der Schulden wenig bis gar nichts ­übrig. Das geliehene Geld muss dann in Form von Arbeit abgegolten werden. Die Arbeiter werden dadurch zu Schuldknechten – de ­facto zu Sklaven – ihres Gläubigers. Bisweilen sind die Zinsen für das geliehene Geld so hoch, dass die Schulden vom Schuldner ­alleine gar nicht getilgt werden können. Er ist dann gezwungen, den Kredit auch von seinen Kindern abarbeiten zu lassen.

Von klein auf Hitze, Lärm und Staub ausgesetzt

Kinder beginnen schon früh in den Stein­brüchen zu schuften und sind dabei von klein auf Hitze, Lärm und Steinstaub ausgesetzt. Sie räumen Abfall weg, beladen Lastwägen, zerschlagen Steinblöcke, mitunter hantieren Zehn- bis Vierzehnjährige bereits mit Press­lufthämmern und Schlagbohrern. Ohne Mund- und Gehörschutz oder Schutzbrille. Viele Arbeiter, Kinder wie Erwachsene, tragen lediglich Gummisandalen oder sind überhaupt barfuß. Das Verletzungsrisiko ist hoch, die Gefahr dauerhafter Gesundheitsschäden groß. Nicht wenige leiden unter Silikose (Quarzstaublunge), einer unheilbaren Krankheit. Ihre Lebenserwartung liegt bei ­etwa 40 Jahren.

Initiativen für eine faire Produktion

In Fachkreisen ist die Problematik der Kinder- und Sklavenarbeit in indischen Steinbrüchen seit Jahren bekannt. Es gibt Initiativen, die sich um die Verbesserung der Arbeits­bedingungen in Steinbrüchen bemühen und Labels für „sauber“ produzierten Naturstein geschaffen haben, doch sie sind bei uns nur wenig oder gar nicht präsent.

Eine davon ist der 2005 in Deutschland ­gegründete Verein XertifiX. Sein Ziel ist es, Steine aus Indien zu kennzeichnen, die ohne Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt worden sind und für die den Arbeitern zumindest der gesetzliche Mindestlohn bezahlt wurde: Händler, die auf diese Weise produzierten ­Naturstein aus Indien einführen möchten, ­unterzeichnen einen Lizenzvertrag mit XertifiX Deutschland und nennen die indischen Exporteure. Der indische Exporteur nennt ­daraufhin seine Zulieferer, Steinbrüche und Fabriken, und erteilt XertifiX India die Erlaubnis zu unangekündigten Kontrollen. Kontrollierte Ware erhält das XertifiX-Siegel. Zertifizierte Steine sind um rund 1,5 Prozent teurer als nicht zertifizierte.

Lizenznehmer (unter www.xertifix.de -> Handel ->Lizenznehmer abrufbar) finden sich vor allem in Deutschland. In Österreich gibt es derzeit nur einen, er importiert allerdings ­keine Grabsteine. Stein & Co., Oberösterreich, importiert neben diversen anderen Natur­steinen auch XertifiX-zertifizierten Sandstein aus Nordindien und beliefert Wiederver­käufer mit Steinen für Haus und Garten.

Branche wenig interessiert

Fairstone, um ein weiteres Beispiel zu nennen, ist ein internationaler Umwelt- und Sozialstandard für Naturstein aus China, Indien, Vietnam und der Türkei. Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Steinbrüchen und weiterverarbeitenden Betrieben, Trägerorganisation die deutsche Agentur für globale Verantwortung WiN=WiN. Die Umsetzung der Standards wird vor Ort durch Inspektoren und unabhängige Projektteams angeleitet und überwacht. Fairstone-Partner gibt es vor allem in Deutschland und der Schweiz. In Österreich ist Fairstone bislang nicht vertreten.

Trend zu Naturstein aus Österreich

Arbeitsgruppe nachhaltiger ­Naturstein

Relativ neu ist die 2007 in den Niederlanden gegründete Arbeitsgruppe nachhaltiger ­Naturstein (Werkgroep Duurzame Natuursteen, abgekürzt WGDN). Diese Initiative ­arbeitet europaweit gemeinsam mit Unternehmen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Steinproduktion Indiens und Chinas. Importeure, die Mitglied der WGDN werden wollen, müssen zunächst den WGDN-Verhaltenskodex anerkennen (er hat eine sozial und ökologisch nachhaltige Steinproduktion zum Ziel) und einen Plan für dessen Einführung bei den Zulieferern erstellen. Die Zulieferer werden bei der Umsetzung des WGDN-Verhaltenskodex mit Training und Beratung unterstützt.

Am Ende dieses Pro­zesses, wenn die Realisierung des Kodex ­erfolgreich abgeschlossen ist, kann der ­Importeur um die Zertifizierung bestimmter Produkte ansuchen. Die WGDN hat bereits in etlichen europäischen Ländern Mitglieder (u.a. in den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz). Auch ein österreichisches Unternehmen bewirbt sich um die Mitgliedschaft. Es durchläuft derzeit den WGDN-Aufnahmeprozess, berichtet Elisabeth Schinzel, Projektleiterin „Sozial ­faire Beschaffung“, Südwind.

Falsche Zertifikate

Nicht zuletzt gibt es Großhändler, die sich freiwillig auferlegt haben, ausschließlich ­ohne Kinderarbeit erzeugte Ware zu impor­tieren, und dazu schriftliche Garantien ab­geben. Diese Garantien sind allerdings nicht von unabhängiger Stelle kontrolliert und ­damit wenig glaubwürdig.

Am Markt sind aber auch schon gefälschte Zertifikate aufgetaucht: In angeblich von der UNESCO und von UNICEF ausgestellten Bescheinigungen war zu lesen, dass gelieferte Steine garantiert ohne Kinderarbeit her­gestellt worden seien. Die Bescheinigungen waren falsch. Weder UNESCO noch UNICEF stellen solche Zertifikate aus.

Vorsicht bei Billigware

Jenen Konsumenten, die auf faire Produktionsbedingungen Wert legen, bleibt bis auf Weiteres nur, nach Grabsteinen ohne Kinder- und Sklavenarbeit zu fragen und darauf zu hoffen, dass der Händler sein Sortiment genau kennt. Insbesondere bei Billigware ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie unter ausbeuterischen Bedingungen erzeugt wurde.

Absolute Sicherheit, dass ein Grabstein ohne Kinderarbeit erzeugt wurde, gibt es laut Bundesinnungsmeister Wunsch nur bei heimischer Ware; der Trend gehe derzeit wieder zu Naturstein aus Österreich. Und nicht zuletzt sollte, so Wunsch, ein Grabstein schließlich kein Massenprodukt sein, sondern individuell gefertigt werden.

Kinderarbeit verboten, Bild: Südwind  Junger Arbeiter beim Grabstein polieren, Bild: Südwind 
"Mindestalter 18 Jahre steht nur auf
der Tafel, eingehalten wird es nicht

Junger Arbeiter beim Polieren eines
Grabsteins

Zusammenfassung

  • Billigere Importware. Etwa jeder dritte bis vierte bei uns angebotene Grabstein ist importiert. Importierte Grabsteine stammen großteils aus Indien und sind erheblich billiger als bei uns erzeugte.
  • Kinderarbeit und Schuldknechtschaft. Obwohl nach internationalem und indischem Recht verboten, gibt es in indischen Steinbrüchen auch heute noch Kinderarbeit und Schuldknechtschaft.
  • Kein Siegel für fair produzierte Grabsteine. Es gibt zwar Siegel für Naturstein aus sozialverträglicher Produktion (z.B. XertifiX), doch anders als etwa in Deutschland sind sie bei uns nur wenig und bei Grabsteinen bislang gar nicht präsent.

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