Eine Frau um die Vierzig. Dunkler Trenchcoat, blauer Rock. Sie steht in der Wäscheabteilung und berührt Handtücher. Was heißt „berührt“: Sie streichelt und liebkost sie. Erst ein Handtuch, dann zwei, drei, vier. Sie prüft den Preiszettel, prüft ihn sehr sorgfältig, nimmt zwei Handtücher und geht zur Kassa. – Eine Stoppuhr klickt, ein aufmerksamer Beobachter notiert die verstrichene Zeit. Suchen, finden, tasten, abwägen, Preiskontrolle und die Kaufentscheidung dieser Frau dauern eine Minute dreißig. Jeder Griff von ihr, jede Bewegung ist protokolliert, jeder einzelne Teil dieser Transaktion haargenau festgehalten. Schöne neue Welt? Nein.
Science of Shopping
„Science of Shopping“ – Wissenschaft des Kaufens, so nennt sich diese Form der Verhaltensforschung im US-Einzelhandel. Warum kaufen Kunden manche Produkte und andere nicht? Warum „gehen“ manche Geschäfte und andere nicht? Eine milliardenschwere Industrie hängt von dieser Mutter aller Fragen ab.
Kaufen ist Freizeitgestaltung
Seit Anfang letzten Jahres gibt ein Buch Antworten auf diese Fragen und klettert damit die amerikanischen Verkaufshitlisten flott nach oben: Paco Underhill heißt der Autor, „Why we buy“, („Warum wir kaufen“) der Titel. Mit dem Buch hat der umtriebige Mittvierziger offensichtlich den Lebensnerv der amerikanischen Nation getroffen. Einkaufen, darauf besteht Paco Underhill, ist nicht nur eine vernunftgeleitete Handlung zum Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen. Kaufen ist Freizeitgestaltung, ist für uns Therapie, Belohnung und Bestechung, ist eine Entschuldigung, um aus dem Haus zu kommen, eine Möglichkeit, Menschen auf die wir heimlich stehen, zu ködern, ist Unterhaltung, Erziehung und eine Möglichkeit, die Zeit totzuschlagen.