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Delikatessen per Luftfracht - Den Preis zahlen alle

Lebensmittel-Transporte per Flugzeug haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Immer weiter und immer schneller, lautet die Devise in diesem Beförderungsgeschäft.

Frischer Hummer im angesagten Gourmettempel: Wie geht das? Nun, das Gros an exotischen Leckereien gelangt nach wie vor mit Hochseeschiffen in die großen Nordseehäfen und weiter mit LKWs nach Österreich.

Doch das Flugzeug macht dem Schiff immer stärker Konkurrenz. Der Hauptgrund dafür liegt in den stetig fallenden Preisen für den Transport in der Luft. Ein Tonnenkilometer hat sich von 3,87 US-Dollar im Jahr 1955 auf unter 0,3 US-Dollar im Jahr 2004 verbilligt.

Zeitkritische Güter

Große Entfernungen in wenigen Stunden zu bewältigen – diese Möglichkeit ist vor allem für die Hersteller zeitkritischer Güter, wie von der Industrie dringend benötigte Produktionsteile, Zeitungen, lebende Tiere, Blumen und Lebensmittel, attraktiv.

Für frische Delikatessen gilt: Je langsamer sie befördert werden, desto stärker mindert sich ihr Wert. Da der Anteil der Transportkosten meist weit mehr als die Hälfte des Verkaufspreises ausmacht, lohnt sich die Anreise mit dem Flugzeug jedoch nur für qualitativ hochwertige Lebensmittel.

Nur für exquisite Güter attraktiv

Nur für exquisite Güter attraktiv

Im Jargon der Luftfrachtbranche heißen die leicht verderblichen Waren „Perishables“. Frische australische Rindersteaks, kanadischer Hummer und thailändisches Zitronengras zählen dazu. Neben diesen edlen Exoten werden auch pflanzliche Produkte, die hierzulande gerade keine Saison haben, im Bauch der Düsenflieger von der südlichen in die nördliche Hemisphäre verfrachtet. Schließlich will der Lebensmittelhandel neben tropischen auch saisonabhängige Waren ganzjährig zur Verfügung stellen. So landen in den Wintermonaten etwa Erdbeeren und Zuckerschoten aus Ägypten, Mangos aus Peru, Heidelbeeren und Spargel aus Chile auf den europäischen Flughäfen.

Frankfurt am Main und Amsterdam-Schiphol

Die großen Drehscheiben für Luftfracht innerhalb der EU sind die Flughäfen Frankfurt am Main und Amsterdam-Schiphol. Aber auch auf vergleichsweise kleineren Airports wie Wien-Schwechat gibt es einige Spediteure, die sich auf Lebensmitteltransporte spezialisiert haben. Franz Stastny ist einer von ihnen. Mit seinen drei Lastern beliefert er wöchentlich unter anderem den Wiener Naschmarkt und den Großgrünmarkt Inzersdorf mit rund 25 Tonnen Frischgemüse und Frischfisch.

"Belly Freight"

Übrigens: Nur 15 bis 20 Prozent der Luftfrachtgüter werden in reinen Frachtflugzeugen transportiert. 80 bis 85 Prozent fliegen als sogenannte „Belly Freight“ im Unterdeck von Passagierjets mit. Für die Airlines ist die Frachtzuladung häufig ein lukratives Zusatzgeschäft, das dazu beitragen kann, unprofitable Passagierrouten wirtschaftlich rentabel zu machen.

Vom Erzeuger zum Verbraucher

Vom Erzeuger zum Verbraucher

Und so sieht die Lieferkette aus: Sie beginnt beim Hersteller mit dem Verladen der Ware und dem Transport zum Flughafen. Dort übernimmt eine Fluggesellschaft die Fracht zur Beförderung. Am EU-Zielflughafen warten bereits die Behörden.

Das Zollamt überwacht, dass die Einfuhrbestimmungen eingehalten werden. Die Lebensmittelaufsicht führt bei pflanzlichen Gütern eine phytosanitäre Inspektion durch – Blumen, Gemüse und Obst werden auf Schadinsekten untersucht, um eine Einschleppung in den EU-Raum zu vermeiden.

Einfuhr von tierischen Produkten

Für die Einfuhr von tierischen Produkten ist die veterinärmedizinische Grenzkontrollstelle zuständig (siehe Kasten: „Shrimps aus Vietnam“), und nach einem jährlich vom Gesundheitsministerium vorgegebenen Probenplan werden Laboruntersuchungen durchgeführt. Zum Anteil an verdorbenen Waren gibt es kaum Zahlen, die Fluggesellschaften selbst beziffern den Ausfall mit fünf Prozent.

Der Preis der Vielfalt

Der Preis der Vielfalt

Der Einflug von Luxusgütern hat seinen Preis, und den zahlt nicht nur der Verbraucher, sondern vornehmlich die Umwelt. Denn im Vergleich zur Importmenge sind die Auswirkungen auf das Klima groß: Der geringen Transportleistung steht eine hohe Emission von Treibhausgasen gegenüber.

Beim CO2-Ausstoß schneidet das Flugzeug mit Abstand am schlechtesten ab: Es erzeugt pro Kilogramm befördertem Lebensmittel auf 1.000 Kilometer 1.000 Gramm (g) Kohlendioxid, beim LKW sind es 200 g, bei der Bahn 80 g und beim Schiff 35 g (www.co2-emissionen-vergleichen.de).

CO2-Kennzeichnung bei Waren

Bedauerlicherweise ist für umweltbewusste Konsumenten hierzulande nicht ersichtlich, ob die Mangos oder Steaks aus der Luft angereist sind. Wünschenswert wäre eine Kennzeichnung nach dem Vorbild der britischen Supermarktkette Tesco: Ein „Carbon Label“ gibt dort auf rund 500 Produkten an, welche CO2-Menge die Ware bei Erzeugung und Transport verursacht hat.

Zahlen und Fakten zur Luftfracht

  • Rasantes Wachstum: 2005 kamen auf den sechs österreichischen Verkehrsflughäfen 92.000 Tonnen Luftfracht an. Der Großteil (90.000 Tonnen) entfiel dabei auf den Flughafen Wien. Bis 2009 steigerte sich die Einfuhr auf über 122.000 Tonnen jährlich, davon in Wien 120.000 Tonnen. Quelle: Statistik Austria
     
  • Gemüse knapp vor Früchten: Lebensmittel haben am globalen Luftfrachtaufkommen einen Anteil von neun Prozent. Die Grafik zeigt, wie sich diese Importe von leicht verderblichen Waren nach Europa aufteilen.

Luftfrachtimporte (Bild: Kirsten Havers) 

Shrimps aus Vietnam

Jeder Betrieb in einem Drittstaat, der Lebensmittel in die Europäische Union (EU) ausführen will, muss von der EU dafür zugelassen sein. Demzufolge findet bereits im Herkunftsland eine entsprechende Zertifizierung statt. Auch dürfen nur bestimmte Güter aus einem Drittstaat in die EU importiert werden. Aus Vietnam sind das zum Beispiel Shrimps.

Elektronisches Formular für alle Beteiligten

Im Produktionsbetrieb werden die frischen Meeresfrüchte so verpackt, dass sie optimal in die Frachtcontainer zu je drei oder sechs Tonnen Fassungsvermögen passen. Die Behörden vor Ort kontrollieren die Exportware, danach meldet der Transporteur die Sendung im Zielland an. Das geschieht mit einem elektronischen Formular, das alle weiteren an der Lieferkette Beteiligten mit ihrem Vermerk versehen und weitersenden. Auf diese Weise kann die Sendung jederzeit nachverfolgt werden, etwa wenn später eine Rückholaktion nötig sein sollte.

Gefahrengut

Die Container werden in der Regel mit Trockeneis gekühlt. Dabei handelt es sich um festes Kohlendioxid, das bei –78,48 °C ohne zu schmelzen direkt in die Gasphase übergeht. So werden die transportierten Lebensmittel zum Gefahrengut, denn ein Gehalt von über fünf Prozent CO2 in der Atemluft führt zum Ersticken. Im selben abgeschlossenen Frachtabteil im Flugzeugbauch dürfen sich daher keine lebenden Tiere befinden.

Kontrolle am Zielflughafen

Am Zielflughafen Wien gelangen die verpackten Shrimps mit Hubstaplern rasch in das Zolllager, in dem sich die veterinärmedizinische Grenzkontrollstelle befindet. Im Kontrollraum herrscht eine Temperatur von 12 °C. Hier überprüft ein Grenztierarzt die Frachtpapiere, die Anmeldung des Herkunftsbetriebes, das Gewicht der Ware und deren Etikettierung. 50 Prozent der Sendungen werden einer physischen Kontrolle unterzogen: Der Tierarzt holt zwei bis zehn Packstücke aus der Ladung, öffnet sie, nimmt die Shrimps in Augenschein und riecht daran. Außerdem misst er die Temperatur und den pH-Wert und macht gegebenenfalls eine Koch- und Bratprobe, da sich etwaiger Faulgeruch beim Erhitzen verstärkt.

Entscheidung innerhalb kürzester Zeit

Die Entscheidung fällt innerhalb kürzester Zeit: Gibt es keinerlei Beanstandung, werden die Shrimps zum Weitertransport an Händler beziehungsweise Endverbraucher freigegeben. Ist die Ware zwar in Ordnung, der Herstellungsbetrieb aber nicht von der EU zugelassen, erfolgt eine Rücksendung. Verdorbene Lebensmittel werden zur Vernichtung in die Entsorgungsbetriebe Simmering (EBS) gebracht.

Proben werden im Labor untersucht

Von drei bis fünf Prozent der Shrimps-Lieferungen werden zusätzlich Proben für eine Laboruntersuchung gezogen. Während die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) diese Proben auf Mikroorganismen, Schwermetalle und Rückstände von verbotenen Konservierungsmitteln untersucht, geht die Ware weiter in die Auslieferung. Nur bei einem bedenklichen Untersuchungsergebnis wird die Lieferkette unterbrochen oder die schon ausgelieferten Produkte vom Markt genommen.

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