Unglaubliche Polemik
Mit der Überschrift „Traumberuf Bergbauer“ wird ein Buchtipp eingeleitet, dessen thematische Ausrichtung allerdings in die Tiefen einer fast unglaublichen Polemik führt. Es fällt bei der Darstellung sehr schwer auch nur einen Funken an Wahrhaftigkeit zu finden. Vielmehr werden ausschließlich Aussagen getroffen, die nichts mehr mit der Realität der Landwirtschaft zu tun haben.
Es ist schon bemerkenswert, dass sich eine Zeitschrift wie „Der Konsument“ mit einer ausdrücklichen kritischen Note mit unreflektierten Aussagen zum Schwarzbuch in der vorliegenden Weise beschäftigt. Leider ein vertane Chance, die Landwirtschaft mit zweifellos gewichtigen Zukunftsfragen dem Konsumenten näher zu bringen und ein gemeinsames Verständnis zu stärken.
Zum Inhalt ein paar Anmerkungen:
Die österreichische Land- und Forstwirtschaft ist überwiegend kleinstrukturiert:
- Rund 87 % der Betriebe weisen eine Fläche von unter 50 Hektar auf.
- 4,3 % der Betriebe (das sind rund 8.100 Betriebe) haben über 100 Hektar
- Rund zwei Drittel der Betriebe haben einen außerlandwirtschaftlichen Haupterwerb
- 70 % der landwirtschaftlichen Flächen liegen im Bergbauerngebiet und anderen Benachteiligten Gebieten
Die Einkommen der bäuerlichen Betriebe liegen im Durchschnitt deutlich unter dem Durchschnitt von unselbständig Erwerbstätigen. Die Direktzahlungen sind für die Landwirtschaft dabei eingerechnet und ein wesentlicher Einkommensfaktor.
Ohne Direktzahlungen würde ein großer Teil der europäischen Landwirtschaft und die österreichische Landwirtschaft noch weniger eine wirtschaftliche Basis haben. Folgewirkungen: Keine flächendeckende Landwirtschaft, Konzentration der Produktion an den kostengünstigsten Standorten, Verfall der Landwirtschaft in den Benachteiligten Gebieten.
Konsument – Buchtipp (Zitat): „98 % aller Bauern seien von jeder Einkommensteuer befreit …“
Die österreichischen Bauern sind grundsätzlich im Einkommensteuersystem erfasst und zahlen auch Einkommensteuer. Für die klein- und mittelbetriebliche Struktur gibt es dafür eine pauschalierte Berechnung der Einkommensteuer über die Einheitswerte, die als Ertragswerte konzipiert sind.
Dieses System ist angesichts der geringen Einkommen ein verwaltungsmäßig ökonomisches System. Auch werden spezifische Erträge wie etwa aus Nebentätigkeiten extra erfasst und steuerlich angerechnet. Darüber hinaus greift ein abgestuftes System bis hin zur steuerlichen Buchführungspflicht, die für die in Österreich nicht zahlreichen größeren Betriebe obligatorisch ist. Auch bei der Sozialversicherung haben die Bauern entsprechende Beiträge zu entrichten, die auf einem jährlich aktualisierten ertragsorientierten System aufbauen.
Konsument – Buchtipp (Zitat): „…..80 % an Großbauern, Privatstiftungen oder an die Raiffeisen-dominierte Lebensmittelindustrie...“
Die Direktzahlungen an die österreichischen Bauern haben vor allem das Ziel, die landwirtschaftliche Produktion auf einem hohen Standard zu sichern und spezifische Funktionen wie etwa die Landschaftspflege, die nicht über die Marktpreise einen Ausgleich finden, mit leistungsbezogenen Zahlungen abzugelten. Sie sind daher in der Regel als flächenbezogene Prämien ausgestaltet, weil dadurch noch am besten diese Funktion erfasst werden kann.
In Österreich ergehen derartige leistungsbezogene Direktzahlungen an rund 135.000 Betriebe, im Durchschnitt rund 11.500 Euro jährlich je Betrieb. Lediglich 256 Betriebe (0,2 %) erhalten einen Betrag von über 100.000 Euro, eine (bisher national nicht zulässige) Begrenzung mit 100.000 Euro würde für die anderen Betriebe einen Verteilungseffekt von rund 146 Euro je Betrieb jährlich bedeuten.
Die Zahlungen an Unternehmungen in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte haben den Zweck, den billigeren Rohstoffen aus dem Ausland wettbewerbsfähige Rohstoffe aus dem Inland gegenüberzustellen, womit Wertschöpfung und Arbeitsplätze ursächlich verbunden sind. Ein Beispiel: Verwendung von nachhaltig produziertem Rübenzucker aus Österreich statt Rohrzucker aus Brasilien.
Konsument – Buchtipp (Zitat): „….Milliardenförderungen durch EU, Bund und Länder …“
Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten wenden für die Landwirtschaft weniger als 1 % gemessen am BIP auf. Der immer wieder vor allem mit viel Polemik dargestellte Anteil am EU Budget mit rund 45 % ist eine Folge davon, dass die Gemeinsame Agrarpolitik die einzige tatsächliche Gemeinschaftspolitik ist und daher auch im EU–Budget sich wesentlich niederschlägt.
Der gesamte österreichische Bundeshaushalt beträgt rund 78 Milliarden Euro. Die Förderungen für die Land- und Forstwirtschaft liegen bei rund 1,7 Milliarden Euro (EU und nationale Mittel), das ist ein Anteil von rund 2,4 %.
Die Landwirtschaftskammer Österreich
(aus KONSUMENT 4/2011)