Die Zahl der neu eingereichten Klimaklagen ist laut einer Studie im Auftrag der Vereinten Nationen (siehe dazu Global Climate Litigation Report: 2023 Status Review) im vergangenen Jahr weltweit leicht zurückgegangen. Klimaklagen? Bürger:innen oder Organisationen wie zum Beispiel NGOs gehen gerichtlich gegen Regierungen oder Unternehmen vor, denen sie - verkürzt gesprochen - Verstöße gegen die Klimaziele vorwerfen.
2021 war das Rekordjahr, 266 neue Klimaklagen wurden weltweit eingereicht. Im Vorjahr waren es 222. Insgesamt sind mehr als 2.100 solcher Klagen aktenkundig. Auffällig ist, dass die Zahl an Klagen zunimmt, die sich gegen Unternehmen richten. Ein wesentlicher Treiber dieses Trends ist die wachsende Zahl an Greenwashing-Klagen.
Auch wir vom VKI haben uns dieser Aufgabe verschrieben: 2021 startete unser Greenwashing-Check. Zum einen mit dem Ziel, Bewusstseinsbildung zu betreiben, die Bevölkerung für dieses heikle Thema zu sensibilisieren. Zum anderen war es uns immer ein Anliegen, gegen aus unserer Sicht besonders klare Fälle von Greenwashing rechtlich vorzugehen.
Erster VKI-Erfolg
Die Mühlen der Justiz mahlen ja bekanntlich langsam. Dennoch können wir mit einer Erfolgsmeldung aufwarten. Gösser wurde verurteilt - wir haben in KONSUMENT 7/2023 darüber berichtet. Andere Verfahren sind anhängig bzw. in Vorbereitung, aus prozesstaktischen Gründen können wir an dieser Stelle leider noch keine Details nennen.
Besonders bemerkenswert ist die Dynamik bei unseren deutschen Nachbarn. Dort ist Greenwashing immer häufiger Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen. Von insgesamt 46 „grünen“ Gerichtsverfahren seit den späten 1980er-Jahren entfallen 24 allein auf die vergangenen vier Jahre.
Deutsche Urteile
Eines der letzten deutschen Greenwashing-Urteile betrifft DM. Die Drogeriemarktkette darf ihre Eigenmarken nicht als „umweltneutral“ oder „klimaneutral“ bewerben, entschied das Landgericht Karlsruhe im heurigen Juli. Die Klägerin, die Deutsche Umwelthilfe, hatte auf den Produkten unter anderem Hinweise vermisst, worin genau die Klima- bzw. Umweltneutralität besteht. DM hat Berufung eingelegt. Auch im KONSUMENT-Greenwashing-Check stand ebenjene „Pro-Climate“-Produktlinie von DM im Jahr 2021 auf dem Prüfstand. Wir urteilten damals über den Begriff „umweltneutral“: „Zu viel versprochen. Produkte ohne Auswirkung auf die Umwelt kann es gar nicht geben.“
Gerade diese vagen Begriffe - klimaneutral, CO2-neutral, umweltneutral - sind aus Sicht der Konsument:innen besonders problematisch: Oft wird das „Grüne“ vom Himmel versprochen, bei genauerer Betrachtung fehlt aber die Substanz. Diese Begriffe werden dementsprechend auch vor Gericht überproportional oft beanstandet.
Ein weiteres deutsches Urteil der jüngeren Vergangenheit: Der Marmeladenhersteller Mühlhäuser darf seine Marmelade nicht mehr als „klimaneutral“ bewerben. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht urteilte: Der Produzent hat auf seinen Produkten die Informationspflicht nicht erfüllt, es fehlen die nötigen erklärenden Zusätze. Klägerin war die Frankfurter Wettbewerbszentrale.
Auch den Energiekonzern Totalenergies ereilte selbiges Schicksal. Er darf Heizöl nicht mehr als „klimaneutral“ bewerben. Das Urteil ist rechtskräftig, da das Unternehmen keine Berufung eingelegt hat. Die Klägerin war abermals die Deutsche Umwelthilfe. Totalenergies hatte damit geworben, dass Verbraucher:innen „gegen einen Aufpreis von nur einem Cent pro Liter den kompletten Heizölbedarf klimaneutral“ stellen könnten („CO2 kompensiertes Heizöl“). Das kommt Ihnen bekannt vor? 2022 klopften wir im Greenwashing-Check dem Grazer Energieanbieter Energie Direct bei seinem „klimaneutralen Heizöl“ plus „Umweltcent“ kräftig auf die Finger.
Wie geht es weiter?
Der VKI bleibt dran. Klagen sind in Vorbereitung und wir beobachten den Markt. Wir wollen mehr Greenwashing-Rechtsprechung in Gang setzen! Potenzielle Hilfestellung kommt aus Brüssel. Wenn die sogenannte Green-Claims-Richtlinie wie geplant 2024 in Kraft tritt, bedeutet das: leichtere Rechtsdurchsetzung bei irreführenden grünen Werbebotschaften.
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