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Zwei Milchkannen, ein gefülltes Glas mit Milch und Bündel von Heu auf einer Holzplatte
Wie kommt die ARGE Heumilch dazu, Heumilchtrinken mit Klimaschützen gleichzustellen? Wir sind der Frage nachgegangen. Bild: cutt / Shutterstock.com

ARGE Heumilch: Arge Täuschung

, aktualisiert am

Ist Heumilchtrinken ein Beitrag zum Klimaschutz? Ein Werbespot behauptet das. Greenwashing oder nicht? Die ARGE Heumilch hat die Frage nach Veröffentlichung unseres Checks selbst beantwortet: Der Werbespot ist im Internet nicht mehr zu finden. 

Was uns stutzig gemacht hat

Nachdem sie einen Werbespot der ­ARGE Heumilch gesehen hatte, schrieb uns eine Konsumentin und monierte, dass in diesem Spot sinngemäß behauptet werde, nicht nur Bäume zu pflanzen helfe dem Klima, sondern auch Heumilch zu trinken. „Die Emissionen in der Landwirtschaft werden total vernachlässigt.“

Die fragliche Passage im Werbevideo: „[...] die traditionelle Heuwirtschaft schützt wertvolle Böden. Und die speichern sogar mehr CO2 als der Wald. Wer das Klima schützen will, muss also nicht unbedingt einen Baum pflanzen - Heumilch trinken hilft auch.“

Auf Youtube wurde der Werbespot ebenfalls veröffentlicht. Dort ist der Ton in den Kommentaren noch rauer: „Da krieg ich Aggressionen, so ein Witz - dreist!“ Oder: „Find’s lächerlich, dass sowas erlaubt ist. Complete misinformation.“ Wir wollen versuchen, die Angelegenheit sachlich zu klären.

Screenshot von ARGE Heumilch Homepage
Bild: Screenshot

Der Check

Die Kriterien, die der (biologischen) Heumilchproduktion zugrunde liegen, sind aus Sicht der Nachhaltigkeit zu begrüßen. Einerseits aus sozialer Sicht, wie zum Beispiel die Förderung kleinstrukturierter bäuerlicher Betriebe oder die Offenhaltung von Kulturlandschaften („Almen“). Andererseits auch aus ökologischer: Insbesondere, weil auf emissionsintensives Kraftfutter (z. B. Soja) aus Übersee verzichtet und die Biodiversität gefördert wird. Insofern kann man (Bio-)Heumilch wohl als klimafreundlichste Kuhmilch bezeichnen.

Faktum ist, dass Weidetiere Treibhausgase produzieren. Und das nicht zu knapp. Die Haltung von Milchtieren ist für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, bei Österreichs Emissionen sind es knapp 2,5 Prozent. Wenngleich die Weidewirtschaft hier weniger relevant ist als die industrialisierte Produktion: Wie kommt die ARGE Heumilch dazu, Heumilchtrinken mit Klimaschützen gleichzustellen?

Die Interessenvertretung beruft sich auf eine bei der Universität für Bodenkultur (Boku) in Auftrag gegebene Studie zum Thema Heumilch. Die Autor:innen der Studie, das gleich vorweg, sind integer und fachlich top, das wollen wir keinesfalls in Abrede stellen. Aber die Studie selbst ist nicht veröffentlicht, diese Intransparenz seitens des Auftraggebers, also der ARGE Heumilch, ist zu kritisieren. Der Umstand wirft die Frage auf: Warum diese Heimlichtuerei?

Die Ergebnisse der Studie veranlassen die ARGE Heumilch jedenfalls zu behaupten, dass Grünlandböden mehr CO2 binden als der Wald. In dem kleinen, öffentlich zugänglichen Ausschnitt der Studie, der diesen Aspekt behandelt, ist aber klar ersichtlich, dass es nicht um den Vergleich mit dem Wald per se geht, sondern um den Vergleich mit Waldböden. Der Wald als Ganzes, also inklusive Bäume, bindet selbstverständlich deutlich mehr CO2 als Weiden – und trägt im Gegensatz zu Kühen auch nicht zum Klimawandel bei.

Was sagt ARGE Heumilch dazu?

Die Interessenvertretung von rund 7.000 Heumilchbäuer:innen hat unsere Fragen fristgerecht und großteils ausführlich beantwortet. Die Studie, auf der die Werbekampagne fußt, bleibt aber leider weiter unter Verschluss. Die Antworten im Wortlaut finden Sie unter "Stellungnahme der ARGE Heumilch".

UPDATE 04.09.2023 

Am Tag der Veröffentlichung dieses Greenwashing-Checks erreichte uns folgende E-Mail der ARGE Heumilch: 

"Wir möchten auf Ihre Kritik reagieren und haben unseren Werbespot aus dem Verkehr gezogen. Wir sagen darin, dass Grünlandböden mehr CO2 binden als der Wald. Diese Aussage ist ungenau. Der Vergleich bezieht sich auf den Waldboden. Wir werden das im Spot richtigstellen und in Zukunft generell mehr Sensibilität bei der Erstellung der Botschaften walten lassen. Für die Ungenauigkeit entschuldigen wir uns."

Fazit

Die ARGE Heumilch holt die positiven Aspekte „ihres“ Produktes vor den Vorhang. Das ist ihr gutes Recht und auch Aufgabe einer Interessen­vertretung. Konsument:innen dazu anzuregen, lieber Heumilch zu trinken statt Bäume zu pflanzen, ist aber dreist. Mit besagtem Werbespot ist die ARGE über das Ziel hinausgeschossen. Ja, Heumilch fördert kleinbäuerliche Strukturen, trägt zum Erhalt der Almen und der Biodiversität bei. Ja, sie ist die am wenigsten klimaschädliche Kuhmilch.

Aber nein, ein Beitrag zum Klimaschutz ist Heumilchtrinken nicht. Schon gar nicht, wenn das heraufstilisierte Duell „Kuh gegen Baum“ lautet. Es macht einen großen Unterschied, ob auf einer Fläche eine Kuh weidet und Methan ausstößt oder ein Baum wächst, der der Atmosphäre CO2 entzieht. Der Vergleich im Werbespot hinkt nicht nur, sondern hat, überspitzt formuliert, gar keine Beine. Werden doch Äpfel mit Birnen oder Kühe mit Bäumen verglichen - obwohl in der zugrunde liegenden Studie nur Böden miteinander verglichen wurden.

Mit der Gegenüberstellung Waldböden - Dauergrünlandböden wäre die ARGE Heumilch bei der Wahrheit geblieben, das hatte aber wohl zu wenig Marketingwert.

UPDATE 04.09.2023

Die ARGE Heumilch hat reagiert, das Werbevideo offline genommen und sich sogar für ihre "Ungenauigkeit" entschuldig (siehe "Was sagt ARGE Heumlich dazu?"). 

 Ein schöner Erfolg für den KONSUMENT Greenwashing-Check!

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Wir blicken auch deshalb optimistisch in die Zukunft, weil sich in Sachen Greenwashing auf EU-Ebene einiges tut. Wenn die sogenannte Green-Claim-Verordnung wie geplant 2024 in Kraft tritt, bedeutet das: leichtere Rechtsdurchsetzung bei irreführenden grünen Werbebotschaften.

Greenwashing? Grünes Mascherl, nichts dahinter? Melden Sie es uns!
Greenwashing? Grünes Mascherl, nichts dahinter? Melden Sie es uns! Bild: VKI

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