Greenwashing? Geox-Schuhe aus nachhaltigem Leder
Das Schuhunternehmen preist eine nachhaltige Kinderschuhkollektion an, die in Kooperation mit dem WWF entstanden ist. „Geox for WWF: vereint für den Planeten“ lautet der Slogan. Doch wie können Leder, Nachhaltigkeit und Tierschutz im Einklang stehen?
Was uns stutzig gemacht hat
Bei der Sonderkollektion gemeinsam mit dem WWF spricht die italienische Firma Geox von „umweltbewussteren Materialien“: Das verwendete Leder stamme zu 96 Prozent aus recyceltem Leder von der Leather Working Group (LWG), die laut Geox die Herkunft von umweltfreundlichen Produzenten bescheinige. Doch diese gemeinnützige Organisation, die mit Marken, Herstellern und Lieferanten zusammenarbeitet, steht zunehmend in der Kritik.
Die Fakten über Leder
Wo wird Leder hergestellt?
Leder ist kein Abfall-, sondern ein Nebenprodukt der Fleischindustrie und fußt auf einem milliardenschweren Wirtschaftszweig. Die Gewinnung von Leder macht die Schlachtung von Tieren somit noch rentabler. Manche der Tiere werden auch nur für ihre Haut getötet. Mehr als die Hälfte des produzierten Leders wird laut Internationalem Rat der Gerber (ICT) zu Schuhen weiterverarbeitet. Woher das Leder stammt, das wir an unseren Füßen tragen, ist meist nicht zu beantworten, da die Herkunft des Leders nicht explizit angegeben sein muss.
Das Problem an Leder ist vielschichtig und zieht sich über die gesamte Wertschöpfungskette. Es beginnt bei den Haltungsbedingungen der Tiere – meist Rindern – und zieht sich über den Transport zum Schlachthaus, die Arbeitsbedingungen in Schlachthäusern und Gerbereien, den Einsatz von Chemikalien bis zu den Endkonsument:innen. Immer wieder müssen Hersteller lederne Schuhe zurückrufen, weil gefährliche Schadstoffe enthalten sind.
Abholzung des Regenwaldes
Doch von vorne: Für Schuhe, Bekleidung und Autositze werden nach Schätzungen der FAO und ICT jährlich rund 24.000 Quadratkilometer Leder produziert, das ist in etwa die Fläche von Sardinien. Und dieses Leder stammt zum größten Teil von Rindern, die Platz, Futtermittel und Wasser benötigen. Die Flächen dafür schaffen sich die Produzenten. So ist die brasilianische Fleisch- und Lederfirma JBS etwa der größte Verursacher der Abholzung des Regenwaldes im Amazonasgebiet. Die internationale Umweltschutzorganisation stand.earth hat recherchiert, dass globale Schuhmarken wie Adidas, Vans, Puma, Timberland und auch Geox über ihre Verbindung zu JBS zur Abholzung im Amazonasgebiet beitragen.
Grausame Schlachtmethoden
Neben Brasilien erzeugen China und Indien das meiste Leder. Die Haltungs- und Schlachtbedingungen in diesen Ländern sind meist katastrophal: Im österreichischen Ethik.Guide, dem Einkaufsführer für fairen und nachhaltigen Konsum, ist von grausamen Methoden wie Häutungen bei vollem Bewusstsein zu lesen. Um die Tierhäute anschließend haltbar zu machen, müssen sie chemisch behandelt werden.
Schadstoffreiche Konservierung
Die meisten Gerbereien setzen hierfür Chrom III ein, das sich bei unsachgemäßer Anwendung zu krebserregendem Chrom IV umwandeln kann. Die Arbeitsbedingungen in den asiatischen Gerbereien: ebenso katastrophal. Eine Studie einer Südwind-Partnerorganisation aus Bangladesch zeigt große Risiken für Arbeiter:innen und enorme ökologische Belastung auf: extrem niedrige Löhne, Gesundheitsrisiken, massive Umweltverschmutzung und erzwungene Überstunden.
Der Check
Die Leather Working Group setzt sich laut eigener Aussage für den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft mit verantwortungsvollem Leder ein. Die Gruppe wurde 2005 u. a. von Adidas, Nike, New Balance und Timberland gegründet, heute sind etwa Gerbereien, Chemieunternehmen und Hersteller von Lederprodukten Teil davon. Das macht die Gruppe zur größten Stakeholderorganisation in der Lederindustrie.
LWG überprüft hauptsächlich Gerbereien – bei zweitägigen Audits urteilen sie über die Produktion (z. B. Wasser- und Energieverbrauch, Abfallwirtschaft, Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, Chemikalienmanagement). Händler und Lieferanten werden auf ihre Produktzurückverfolgbarkeit hin überprüft. Je nach Standard der Umweltverantwortung können die Betriebe ein Gold-, Silber-, Bronze- oder Geprüft-Rating erhalten.
Was die LWG in ihren Audits in jedem Fall komplett ausklammert, ist der Tierschutz. Dieser sei ein „herausforderndes Thema“ und deshalb in den Auditstandards nicht enthalten, heißt es auf der Website der Organisation. Haltung, Transport und Schlachtung der Tiere spielen also keine Rolle bei der Zertifizierung. Auch keine Berücksichtigungen im Zertifizierungsprozess finden die Umweltauswirkungen der Tierhaltung: Rodung des Regenwaldes für Futtermittelanbau und Weideflächen sowie der Methanausstoß der Rinder. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet der WWF seit 2021 LWG-Mitglied ist. Übrigens sind alle brasilianischen Standorte von JBS, dem größten hiesigen Lederproduzenten, LWG-zertifiziert. Umweltfreundliche Produzenten sehen anders aus, Geox.
Was sagt Geox dazu?
Wir haben den Schuhhersteller einen Fragenkatalog geschickt und um Stellungnahme gebeten, aber auch nach Wochen keine Rückmeldung erhalten.
Fazit: Tierwohl und Umweltschutz außen vor
Da die LWG nur Gerbereien überprüft und weder Rinderfarmen noch Schlachthäuser, bleibt die Frage offen, wie sehr die von LWG zertifizierten Lederproduktionsstätten den Umweltschutz unterstützen. Wir finden, dass die Umweltauswirkungen entlang der ganzen Lieferkette berücksichtigt werden sollten, um von Nachhaltigkeit sprechen zu können.
Leder ohne Tierquälerei
Und auch wenn LWG-zertifiziertes Leder als verantwortungsvoll gilt, lässt es das Wohlergehen der Tiere komplett außer Acht. Heutzutage ist es nicht mehr notwendig, Schuhe aus tierischer Haut zu tragen, egal ob mit oder ohne Zertifikat. Am Markt gibt es mittlerweile unzählige hochwertige pflanzliche Alternativen, Ananas-, Apfel-, Kakteen-, Wein- oder Pilzleder sind nur ein paar Beispiele.
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