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Greenwashing: Amazons "Öko-Gütesiegel“ - Umwelt-Engerl?

Amazon-Paket (Foto:

Dass sich bei Amazon ganz viele hoch ­bezahlte Manager darüber den Kopf zerbrechen, wie uns Konsumenten das Kon­sumieren noch schmackhafter gemacht werden könnte, ist ein Faktum – weil inte­graler Bestandteil der Unternehmensmis­sion. Die Damen und Herren machen ihren Job gut, fast 400 Milliarden Dollar setzt der US-Konzern inzwischen pro Jahr um. Zum Vergleich: Das österreichische Brutto-Inlandsprodukt (BIP)  liegt in ähnlicher Dimension.

Ein Amazon-Expertenpool hat sich zuletzt augenscheinlich mit der Frage beschäftigt, wie das Schmackhaftmachen bei ökologisch denkenden Verbrauchern noch besser gelingen könnte: "Nachhaltigkeit ist ‚in’, damit muss doch weitaus mehr Geld zu ­machen sein!“ Ein Ansatz waren Gütesiegel.

Hier ein Label, dort ein Label

Wir alle kennen sie zur Genüge. Hier ein Label, dort ein Label. Alle klingen sie super und vertrauenswürdig. Aber sind sie es auch? „In diesem Siegel-Dschungel Orientierung zu bieten, das muss die Lösung sein“, dachte sich die Amazon-Expertenriege. Solche Meta-Siegel gibt es zwar schon, aber egal: Geboren war „Amazon Climate Pledge Friendly“. Und weil es ja nie genug Gütesiegel geben kann, gibt’s noch ein ­Design-Label von Amazon obendrauf.

Was uns stutzig gemacht hat

Eine neue Öko-Strategie vom weltweit größten Onlineversandhändler, der sich in der Vergangenheit nicht gerade als Umwelt-Engerl einen Namen gemacht hat? Allein das macht stutzig. Aber auch neu­gierig. Eine kritische Konsumentin hat uns darauf aufmerksam gemacht – danke!

Der Check

Amazon Climate Pledge friendly (Bild: Screenshot/Amazon)

Der Check: Climate Pledge Friendly

Ganz kurz vorweg, der Name: Climate Pledge Friendly. Oh mein Gott! Da bekommt man ja einen Knoten in der Zunge. Für deutschsprachige Verbraucher adaptieren? Amazon, der globale Tanker, winkt ab. Frei übersetzt bedeutet es soviel wie: Versprechen zur Klimafreundlichkeit. Wir verwenden der Einfachheit halber die Abkürzung CPF. Und so funktioniert das System:

Bei CPF werden auf der Amazon-Homepage Produkte, bei denen „in mindestens einer Hinsicht Nachhaltigkeitsverbesse­rungen vorgenommen wurden“, mit einem grünen Engerl (Sanduhr mit Flügeln) gekennzeichnet. Welche Verbesserungen das sind, wird erst mal nicht näher verraten. Aber Moment, wie jetzt? Klima oder Nachhaltigkeit? Anders als der Name des Siegels suggeriert, liegt der Fokus anscheinend doch nicht nur auf Klimaschutz. Sondern auf dem gern verwendeten, weil so schön breit zu fassenden Begriff Nachhaltigkeit.

Amazon pickt sich Gütesiegel heraus

Um in den CPF-Pool aufgenommen zu werden, müssen Produkte eine Zertifizierung vorweisen. Aber nicht irgendeine, nein. Amazon pickt sich die gewünschten Gütesiegel selbst heraus. Darunter sind einerseits glaubwürdige staatliche Multi-Krite­rien-Gütesiegel wie etwa das Europäische Umweltzeichen, der Nordic Swan oder der deutsche Blaue Engel. Auch tendenziell vertrauenswürdige produktspezifische Zertifizierungen wie Fair Trade (Landwirtschaft), Blue Sign, ÖKO-Tex oder GOTS (Textilien) sind Teil des CPF. Es finden sich allerdings auch nicht unumstrittene Gütesiegel wie z.B. UTZ (Kakao, Kaffee etc.), Rainforest Alliance (Bananen, Kaffee etc.) oder FSC (Holz). Die Kritik an ihnen ist ­divers: Teils gelten sie als industrienah, teils weisen sie ein geringes Anspruchsniveau auf oder stehen bei NGOs wie Greenpeace oder Global 2000 aufgrund der Zertifizierungspraxis in der Kritik. UTZ ist doppelt problematisch, da dieses Siegel in der Liste von Amazon eigentlich nicht aufscheint – erst bei den zertifizierten Produkten im Shop zeigt sich, dass auch UTZ zu einer CPF-Auslobung führt.

Siegel-Mix ist bunt

Kurzum, der Siegel-Mix ist bunt. Sehr bunt. Wild, ja fast willkürlich zusammengetragen, könnte man sagen. Der naheliegende Hintergrund: Das Amazon-Siegel braucht Breite. Breite, damit möglichst viele Produkte in den Genuss des CPF-Engerls kommen – in Europa sind es laut Amazon derzeit rund 70.000 Produkte aus Bereichen wie Kleidung, Elektronik, Lebensmittel oder Körperpflege.

So viele wären es aber nicht, wenn Amazon nicht auch ein eigenes „Gütesiegel“ mit in den CPF-Pool eingeschleust hätte: Mit „Compact by Design“ werden Produkte ­gekennzeichnet, die laut Amazons Bewerbung, „obwohl sie vielleicht nur unwesentlich anders aussehen, ein effizienteres ­Design aufweisen. Wenn weniger Luft und Wasser eingesetzt werden, benötigen Produkte weniger Verpackung und lassen sich effizienter versenden“. Klingt ja prinzipiell gut. Die Auslobungskriterien, Sie ahnen es, sind aber hinterfragenswert (ohne jetzt im Detail darauf eingehen zu wollen). Transparent sind sie jedenfalls nicht. Denn ab wann ein Produkt warum als effizient verpackt gilt, darüber schweigt sich Amazon aus. Vergeben wird Compact by Design übrigens automatisch. Die Produzenten haben da kein Mitspracherecht.

Konsequenz des Kuddel­muddels

Was ist die Konsequenz dieses Kuddel­muddels? Klicken wir doch mal in den ­Amazon-Shop und suchen wir z.B. nach ­Geschirrspül-Tabs. In der Trefferliste finden wir auch CPF-Produkte: z.B. ein aus Umweltsicht tolles Produkt, mit dem Blauen Engel zertifiziert. Und gleich darunter? Ein anderes, das nur wegen des recht nebu­losen Amazon-Eigen-Labels Compact by Design CPF-fähig wurde. Nun gut, wenn der Transparenz Genüge getan würde, ­wäre das ja nicht schlimm. Allerdings sieht der Konsument bei beiden Produkten nur das CPF-Logo. „Beide top“, könnte man also denken, „es ist einerlei, welches ich nehme. Sind ja beide gleichwertig ‚öko’, versichert mir Amazon.“ Konkret darüber informiert, welches Label zur Verleihung mit CPF geführt hat, wird der Verbraucher aber erst, wenn er sich die Zeit nimmt, die Computer-Maus über (bzw. unter) das CPF-Logo zu navigieren. Dann, nur dann, poppt ein Fenster mit Zusatzinformationen auf.

 

Was sagt Amazon dazu?

Was sagt Amazon dazu?

Wir haben Amazon zwei Dutzend sehr ­konkrete Fragen zu CPF und Compact by Design gestellt. Die Antworten eines ­Amazon-Sprechers fielen recht vage aus. Man arbeite beispielsweise "mit einem ­führenden und unabhängigen Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit zusammen“, um die Zertifizierungen von CPF zu überprüfen. Etwas konkreter war immerhin diese Information: "Etwa drei Viertel der Climate-Pledge-Friendly-Produkte tragen mindestens eine der 22 externen Zertifizierungen, die Teil des Programms sind.“ Compact by Design sei von SCS Global Services ­"unabhängig validiert". Im Detail sind die Antworten auf Greenwashing-Check:Hält das grüne Versprechen? nachzulesen.

Fazit: Hält das grüne Versprechen?

Fazit: Hält das grüne Versprechen?

CPF folgt unserer Analyse nach einer sehr beliebten Greenwashing-Strategie. Es ist ein irreführendes "Fake"-Label. Produkte werden unter der Dachmarke CPF ganz undifferenziert als klimafreundlich angepriesen. In Wahrheit sind es aber Produkte, die sich im Hinblick auf ihre konkreten Um­weltauswirkungen z.T. sehr stark unterscheiden. Aus Konsumentensicht ist ins­besondere der sehr willkürlich an­mutende Label-Mix zu kritisieren: Es sind Labels, die hinsichtlich Anspruchsniveau und Glaubwürdigkeit teilweise stark divergieren.

Irreführendes "Fake"-Label

Das schnell aus dem Boden gestampfte Amazon-eigene Label Compact by Design ist eine von derzeit 23 Zertifizierungen, die ein Produkt CPF-tauglich machen. Es reicht schon ein einziges „positives“ Umwelt-Attribut, und ein Produkt wird mit dem CPF-Engerl versehen. Wenn z.B. nur das Verpackungsdesign effizient, der Inhalt aber höchst problematisch ist, was ist damit gewonnen? Nichts. Wer es ernst meint mit Umwelt- und Klimaschutz, der hat das große Ganze im Blick – vor­exerziert z.B. von staatlichen Gütesiegeln wie dem Österreichischen oder dem Europäischen Umweltzeichen. So, wie Amazon es macht, ist es eine klare Greenwash­ing-Masche.

Mehr Verwirrung als Klarheit

Insgesamt stiftet das Meta-Label CPF, ­insbesondere gepaart mit Compact by Design, mehr Verwirrung als Klarheit. Es darf bezweifelt werden, dass es Amazon vorrangig um Klimaschutz geht, obschon der Online-Riese angekündigt hat, bis 2040 klimaneutral wirtschaften zu wollen. Solche Selbstverpflichtungen sind ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Aber im Kern geht es – diesen Vorwurf wird auch Amazon nicht los – um Imagepolitur. Denn einem ordnet sich jedes börsen­notierte Unternehmen unter: der Macht der Aktionäre, die Gewinne sehen wollen. Und mit den lancierten "Öko-Labels" hofft Amazon, den Umsatz-Motor auch in der Umwelt-Nische noch besser ins ­Laufen zu bekommen.

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Greenwashing - hält das grüne Versprechen? (Bild: Seyser/VKI)

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