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Parodontitis: krankes Zahnfleisch - Leiden im Verborgenen

Jenseits der 35 verlieren mehr Menschen Zähne durch Parodontitis als durch Karies. Weitgehend unbekannt ist, dass krankes Zahnfleisch auch andere Organe schwer belasten kann.

Fall 1 : Die Schulterschmerzen werden immer schlimmer, Medikamente nützen kaum etwas, andere Therapien bringen nur kurzfristig Erfolg. Frau Marianne K.1) soll unters Messer. Der Zahnarzt diagnostiziert Parodontitis, Zahnfleisch und Kieferknochen sind bei einem Zahn sehr stark entzündet. Nach der Behandlung bessern sich die Schulterschmerzen deutlich.

Fall 2 : Bei einem anderen Patienten ist das Endglied des Zeigefingers entzündet, darüber hinaus klagt er über starke rheumatische Beschwerden. Kaum ist die Parodontitis erfolgreich behandelt, klingen auch die Beschwerden im Finger ab.

Entzündung des Zahnfleisches

Zwei Beispiele, ein Problem: Bei der Parodontitis verursachen Bakterien eine Entzündung des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates. Fast jeder hat sie (in unterschiedlichen Schweregraden), und jenseits der 35 gehen durch sie mehr Zähne verloren als durch Karies. Weitgehend unbekannt ist aber, daß Parodontitis viele andere Erkrankungen verursacht und verstärkt.

Erhöhtes Risiko für Frühgeburten

In entzündeten Zahnfleischtaschen tummeln sich bis zu dreihundert verschiedene Bakterienstämme. Geraten sie durch kleine Verletzungen in der Mundhöhle in den Organismus, dann belasten sie den Körper zusätzlich und können – ist die Immunabwehr geschwächt – andere Probleme in anderen Organen mit verursachen. Folgende Auswirkungen der Parodontitis sind bisher in Studien beschrieben:

  • erhöhtes Risiko für die Verengung oder den Verschluss der Herzgefäße (Koronarsklerose),
  • erhöhtes Risiko für Schlaganfall,
  • Auslösung oder Verschlechterung von Gelenksbeschwerden,
  • höheres Risiko von Frühgeburten mit verringertem Geburtsgewicht,
  • Verschlechterung bei Zuckerkrankheit (erhöhter Insulinbedarf),
  • Magen-Darmprobleme,
  • Infektionen von Transplantaten und Implantaten,
  • Veränderung der Blutgerinnung.

Diskutiert werden ausserdem :

  • Gehirnhautentzündungen,
  • Hauterkrankungen u. a. m.

Viele Magengeschwüre werden – stark vereinfacht – durch ein Bakterium verursacht (Heliobacter pylori). Dr. Wilhelm Schein, Zahnarzt, Parodontologe und Vorsitzender der Wiener Gesellschaft für interdisziplinäre Medizin: „Soll das Magengeschwür dauerhaft geheilt werden, muß auch das Zahnfleisch saniert sein.“ Denn die Bakterien, die das Magengeschwür verursachen, können auch in entzündeten Zahnfleischtaschen sitzen. Schein: „Es wäre sehr sinnvoll, würden in Zukunft praktische Ärzte, Fachärzte und Zahnärzte enger zusammenarbeiten.“

Stress verstärkt die Probleme

Parodontitis verursacht und fördert nicht nur bestimmte Störungen und Erkrankungen. Sie ist auch das Ergebnis oder ein Symptom anderer Probleme. Immer wieder berichten Patienten über plötzlich auftretende massive Zahnfleischentzündungen. Es gibt, so berichtet Dr. Schein, viele Hinweise darauf, dass Depressionen, Angst, Existenzbedrohung, Jobverlust, ganz beson- ders aber Scheidung und vor allem Krankheit und Tod eines Angehörigen, von massiven Parodontitisschüben begleitet werden. Auch anhaltender beruflicher Stress und Hormonveränderungen (Pubertät, Einnahme der Pille, Schwangerschaft, Wechseljahre) können diesen Effekt haben (das schließt auch die Behandlung mit Hormonen ein).

Mundhygienesitzungen zahlen sich aus

Als Patient können Sie einiges tun, um diese Krankheit zu bekämpfen.

  1. Gründliche, effiziente und regelmäßige Zahnreinigung mit fluoridierter Zahnpasta und Zahnseide (oder Interdentalbürstchen), das ist das Einfachste. Auch wenn das Zahnfleisch geschwollen ist: Reinigen Sie diese Stellen behutsam, aber gründlich weiter!
  2. Ein bis zwei Mundhygienesitzungen pro Jahr sind für parodontal weitgehend gesunde Patienten eine gute Investition (siehe „Konsument“ 3/99).
  3. Fragen Sie Ihren Zahnarzt ausdrücklich: „Habe ich Parodontitis?“ Denn eines ist klar: Wenn Sie tatsächlich an Parodontitis erkrankt sind, dann reichen intensives Zähneputzen und Mundhygienesitzungen nicht mehr aus, dann braucht es eine speziell auf Ihre Probleme zugeschnittene Behandlung.

Beläge wegschaben

Zuerst erstellt der Zahnarzt eine Diagnose, dazu gehört unter anderem ein Röntgen. Es zeigt, wie fest und tief die Zahnwurzeln im Kieferknochen stecken. Danach prüft der Zahnarzt mit einer sogenannten Sonde die Tiefe der Zahnfleischtaschen. Blutet es, ist nicht der grobe Zahnarzt schuld: Denn je kränker das Zahnfleisch, desto stärker ist die Blutung. Die Parodontalbehandlung bei leichteren Fällen (sehr häufig): Hier schabt der Zahnarzt (oder – selten – die Dentalhygienikerin) mit einem scharfen, gekrümmten Instrument (Scaler, Curette) Bakterienansammlungen, harte Beläge (Konkrement) und entzündetes Gewebe unterhalb des Zahnfleischrandes weg; mit einem Lokalanästhetikum tut das kaum weh. Dafür braucht es viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, weil der Behandler nicht sieht, was unter dem Zahnfleischrand los ist und alles erfühlen muß.

Verschiedene Bezeichnungen

Die Bezeichnungen für diese Behandlung sind sehr unterschiedlich: Paro-Therapie, Dentaltherapie, Parodontosebehandlung, Scaling, Wurzelglättung, Curettage. Der Preis ist von der Ärztekammer nicht festgelegt. Kleinere parodontale Eingriffe können auch nur einige hundert Schilling kosten, eine erste Grundbehandlung (Initialtherapie) wird sich je nach Umfang eher in Größenordnungen zwischen 5000 und 15.000 Schilling bewegen. Sollten langwierige und aufwendige Sanierungen nötig sein, dann können sich die Kosten auch auf einige Zigtausende Schilling summieren. In jedem Fall hängen die Kosten stark vom Aufwand der Behandlung ab. Lassen Sie sich auf alle Fälle einen aussagefähigen Heil- und Kostenplan erstellen. Diese Behandlung kann – je nach Schwere – mehrere Sitzungen (Dauer: meist zwischen 30 und 60 Minuten) umfassen.

Operation in schweren Fällen

In schwereren Fällen muss der Zahnarzt operieren, das Zahnfleisch aufklappen und Kieferknochen und Zahnwurzel unter Sicht reinigen (Flap- oder Lappenoperation). Schlecht eingestellte Diabetiker und vor allem Raucher haben wesentlich schlechtere Heilungschancen. Der Vorteil dieser Therapien: Entzündungen können beseitigt, Zähne, die sonst bald verloren wären, gerettet werden. Der Körper wird nicht länger durch Keime und Entzündungen belastet. Nachteil: Unter Umständen hohe Kosten; es gibt keinen Kassenzuschuss. Das verheilende Zahnfleisch kann schrumpfen (besonders bei Operationen), Zähne erscheinen länger, freiliegende Zahnhälse werden empfindlich. – Der Zahnarzt sollte Sie gründlich über die richtige Zahnreinigung und die richtigen Hilfsmittel (diverse Bürsten, Zahnseide, Spüllösungen…) informieren. Ohne regelmäßige Nachkontrollen (Recall) haben diese Behandlungen keinen Sinn. Weitere Informationen zur Parodontitis finden Sie in unserem Patientenratgeber „Gesunde Zähne“2).

 

Spezielle Parodontalbehandlung beim Spezialisten

Wenn Sie an Parodontitis erkrankt sind, dann reichen intensives Zähneputzen und Mundhygienesitzungen nicht mehr aus; Sie brauchen eine speziell auf Ihre Probleme zugeschnittene Behandlung.

 

Dr. Wilhelm Schein, Zahnarzt: „Durch konsequente Parodontaltherapie könnten zahlreiche Beschwerden verschwinden und chronische Erkrankungen besser heilen.“

 

Gesundes Zahnfleisch ist hellrosa und liegt fest am Zahnhals an. Sie können die Beläge selbst gut entfernen.

Entzündetes Zahnfleisch ist geschwollen und empfindlich, es kann sich bis ins Bläuliche verfärben. Wenn das gründliche Reinigen mit einer weichen Bürste (zweimal täglich) und mit Zahnseide keine Besserung bringt, müssen Sie zur Parodontaltherapie (Zahnarzt). Antibakterielle Mundspülungen sind nur sehr eingeschränkt und nur unter ärztlicher Kontrolle sinnvoll.

 

 

 

Wenn Beläge nicht regelmäßig entfernt werden, entzündet sich das Zahnfleisch (Gingivitis) wieder. Der leicht entzündete Zahnfleischsaum löst sich vom Zahn.

Harte Ablagerungen (Konkrement) machen sich unter dem Zahnfleischrand in einer Zahnfleischtasche breit – ein Sammelplatz für Speisereste und Bakterien. Der Körper bekämpft sie mit einer Entzündung (manchmal Abszess). Die Fresszellen, die die eingedrungenen Bakterien bekämpfen, bauen aber auch den Kieferknochen ab; der Zahn verliert an Halt.

 

1) Name von der Radaktion geändert.
2) "Konsument" extra: "Gesunde Zähne" (Bestellungen: 01/588 774)

Parodontitis: Krankheit ohne Schmerz

Parodontitis tut kaum weh. Nur wer sie rechtzeitig behandeln läßt, kann erkrankte Zähne retten.

Bakterien, die auf der Zahnoberfläche haften, verursachen – bei dem einen früher, bei dem anderen später – eine Entzündung des Zahnfleisches. Es bilden sich Zahnfleischtaschen. Die weitgehend schmerzfreie Entzündung baut den Zahnhalteapparat, also Zahnfleisch und Kieferknochen, ab (siehe Zeichnung), ohne Behandlung führt das zum Zahnverlust und belastet den Organismus: Die entzündete Fläche kann größer als bei einer entzündeten Stirn- und Kieferhöhle sein!

Häufige Erkrankung

Die Erkrankung ist sehr häufig, aber meistens mit Erfolg behandelbar (sofern sie nicht genetisch verursacht ist). Falsche Zahnstellungen und schlecht ausgeführte zahnärztliche Arbeiten (Füllungen, Kronen, Brücken) können eine bestehende Parodontitis fördern. Auch eine geschwächte Immunabwehr fördert den Ausbruch der Krankheit. Vielfach wird diese Erkrankung fälschlich als „Parodontose“ bezeichnet, doch das bezeichnet den Schwund des Zahnbettes ohne Entzündung (selten, schwerer behandelbar).

Die Alarmzeichen

  • Häufiges Zahnfleischbluten – gesundes Zahnfleisch ist hellrosa und blutet nicht.
  • Das Zahnfleisch verfärbt sich dunkel-blau-rot.
  • Häufiger, unangenehmer Mundgeruch.
  • Wenn Sie mit dem Finger auf das Zahnfleisch drücken, tritt zwischen Zahn und Zahnfleisch übelriechendes, weißliches Sekret aus (fortgeschrittenes Stadium).
  • Der Zahn verändert seine Stellung und/oder lockert sich allmählich (fortgeschrittenes Stadium!).

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